Leuchten LEDs meistens blau und sind LED-Leuchten ökologisch bedenklich?

„Warmweiße LEDs spenden zumeist bläuliches Licht“ – „Leuchten mit fest verbauten LEDs sind ökologisch bedenklich“: Zwei Behauptungen aus Agenturberichten der vergangenen Woche, die LED-Käufer in die Irre führen und verunsichern können, weil sie so pauschal falsch sind.

hue-Go-blau
Die integrierte, mobile “hue Go“-LED-Leuchte von Philips leuchtet tatsächlich blau – aber nur, wenn sie auf diese Farbe eingestellt wird. (Fotos: W. Messer)

Das Branchenportal „licht.de“ verwies vor ein paar Tagen auf eine weit verbreitete dpa-Meldung über „die richtige Beleuchtung im Herbst“, in der unter anderem das hier zu lesen war:

„Richtige Lichtfarbe: Es gibt zwar schon warmweiße LEDs, zumeist spenden sie aber bläuliches Licht. „Das ist für das Auge nachteilig, denn die Sehqualität leidet“, erklärt Wunsch.“

Zitiert wird hier der Heidelberger Lichtbiologe Alexander Wunsch, der seit Jahren gegen das vermeintliche EU-Glühlampenverbot wettert und offenbar nicht auf dem neuesten Stand der LED-Technik ist. Da hätte sich die dpa mal lieber vorher über die spezielle Interessenlage des Nordbadeners informieren sollen. Denn was steckt hinter dieser absurden Behauptung?

Tatsächlich wird weißes Halbleiter-Licht meistens aus ursprünglich blau leuchtenden LEDs erzeugt – ähnlich jener, die Sie auch ganz oben in der Mitte des Blogtitels sehen. Sie werden dazu mit einer gelblichen Leuchtstoff-Hülle überzogen, die durch Lumineszenzkonversion je nach Zusammensetzung und Dichte „kaltes“ bis „wames“ Weißlicht liefert. Je höher die Farbtemperatur, desto höher ist auch der Anteil von blauen Lichtwellenlängen und die LED leuchtet „kälter“.

Auch Glühlampen haben einen Blaulicht-Anteil

„Warmweiße“ LEDs mit ca. 2700 Kelvin haben aber normalerweise nur einen sehr kleinen Blauanteil, spenden also sicher kein „bläuliches Licht“ – mal abgesehen von dubiosen, unseriösen Produkten mit mangelhaftem „Globe Top“. Bei „extra-warmweißen“ LED-Lampen kann die Strahlungsenergie im Blau-Spektrum um 450 Nanometer Wellenlänge sogar noch geringer ausfallen als bei herkömmlichen Glühfadenlampen, die mit zunehmender Leistung auch etwas „kühler“ leuchten. So sieht beispielsweise das Spektraldiagramm einer klaren 60-Watt-Osram-„Glühbirne“ aus – mit einem stetigen Anstieg in Richtung Infrarot, das statt sichtbarem Licht vor allem viel Hitze liefert:

Spektrum-Osram-60W-Gluehlampe-matt

Und das ist die Kurve einer noch etwas helleren 9,5-W-LED-Lampe mit ähnlicher Lichtfarbe:

ELV-Xavax-Spektrum

Das kleine Blau-Hügelchen links macht sich im Gesamtbild weder als „bläuliches Licht“ bemerkbar, noch muss man sich bei normalem Umgang Sorgen wegen des gefürchteten „Blue Hazard“-Effekts machen. Eine negative chronobiologische Wirkung ist laut „Stiftung Warentest“ ebenfalls nicht zu erwarten – im Gegenteil: Die Wirkung dieser LED-Lampe auf der „Schlaf-wach-Rhythmus“ wurde in einem aktuellen Vergleich mit „90% von Glühlampenlicht“ beziffert; das „Schlafhormon“ Melatonin wird demnach weniger unterdrückt als von einem der alten Stromfresser. Ähnlich niedrige Prozentwerte kommen bei fast allen aktuellen, „warmweißen“ LED-Lampen heraus.

Fadenlampe-Gluehlampe
Von der Lichtfarbe her kaum zu unterscheiden: Eine „warmweiße“ LED-Fadenlampe (links) und eine traditionelle 60-Watt-„Glühbirne“.

Wer dagegen zum Wachwerden und beim Arbeiten sein Melatonin in die Schranken weisen will, ist mit „neutralweißen“ oder „kaltweißen“ Leuchtmitteln zwischen ca. 4000 und 6500 Kelvin besser bedient – die haben tatsächlich einen erheblich höheren Blauanteil. Je nach Kulturkreis und Lichtgeschmack sind solche Lampen sogar beliebter als die bei uns in Mitteleuropa meistverkauften LED-Retrofits mit Glühlampen-ähnlichen Farbtemperaturen.

Die von Alexander Wunsch angeführte „Sehqualität“ leidet jedenfalls in keinem Fall, so lange solche Leuchtmittel einen anständigen Farbwiedergabeindex aufweisen und Sie nicht längere Zeit direkt in die Lichtquelle starren (das sollten Sie aber auch bei Wunschs Lieblings-Glühlampen nicht tun).

Sind fest verbaute LEDs „ökologisch bedenklich“?

Massive-Leuchte-Modul-gross
Eines der fest eingebauten LED-Module einer „massive“-/Philips-Pendelleuchte. So was ist laut „Deutsche Umwelthilfe“ ökologisch bedenklich.

Ebenso fragwürdig erschien mir eine am Wochenende gesendete dpa-AFX-Meldung über die Ökobilanz von Leuchten mit fest verbauten LED-Modulen. Die werden bekanntlich immer zahlreicher auch in Baumärkten und Discounter-Filialen angeboten. In diesem vielfach publizierten Artikel wird Philipp Sommer, der Kreislaufwirtschaftsexperte der „Deutschen Umwelthilfe e. V.“, als Quelle genannt. Trotz des geringen Energieverbrauchs seien solche Leuchten bedenklich, weil man die LED-Leuchtmittel nicht austauschen könne:

„Das ist eine schwierige Sache: Wenn die Lampe kaputt ist, kommt die ganze Leuchte auf den Müll. Da ist die Umweltbilanz natürlich getrübt.“

Die Industrie solle, „wo immer es möglich ist, bei Birnen bleiben. Bei klassischen Deckenleuchten etwa sollte der Austausch der Lampe möglich bleiben.“ Retrofit-Regal1Tatsächlich sind LED-Retrofits (im Foto links eine Auswahl im Fachgeschäft-Regal) in Sachen Austausch unschlagbar – bei Defekten oder höheren Ansprüchen an die Lichtqualität können sie ruck-zuck ersetzt werden.

Leider haben sie jedoch auch ein paar konzeptbedingte Nachteile: Sie müssen auch als leistungsstarke Leuchtmittel mit den Platzbeschränkungen von Uralt-Sockeltypen bzw. teils sehr kompakten Glüh- und Halogenlampen-Bauformen zurecht kommen, sollen dennoch mindestens so hell sein wie die Vorgänger, werden teils in Leuchtengehäuse ohne ausreichende Wärmeabfuhr geschraubt und sterben deshalb einen vorzeitigen Hitzetod, vertragen sich häufig nicht mit bereits vorhandenen Trafos und/oder Wanddimmern. Mittelfristig würde die LED-Industrie sich und uns deshalb keinen Gefallen tun, wenn sie „bei Birnen bleiben“ würde.

Integrierte Leuchten leben meistens länger

QisDESIGN-Hatha-Wall-kleinBei integrierten Leuchten, die von vornherein für LED-Module ausgelegt wurden (im PR-Bild rechts „Hatha Wall“-Wandleuchten von QisDesign), können Kühlkonzept, Stromversorgung, Schaltung, Binning, Dimmung etc. pass- und leistungsgenau auf die neue Technik zugeschnitten und zusammengestellt werden (mehr dazu steht unter Punkt 8 in diesem Beitrag). Selbst Fans extremer Helligkeit finden hier ihre heißgeliebten Lumen in bis zu vier- oder gar fünfstelligen Versammlungen.

Vor allem gewerbliche Kunden halten sich bei der LED-Umrüstung deshalb gar nicht lange mit alten „Birnen“- oder Strahlerformen auf, sondern entscheiden sich gleich für eine komplette, integrierte Beleuchtungslösung. Und das tun sie, weil sie rechnen können und müssen: Die Investition in solche Leuchten ist zwar erstmal teurer als der einfache LED-Retrofit-Austausch, macht sich jedoch auf Dauer bezahlt – durch flexiblere Steuerungsmöglichkeiten, problemärmeren Betrieb und längere Lebensdauer.

Trilux-PolaronIQ-Deckenleuchten
Integrierte „PolaronIQ“-Wand- und Deckenleuchten von Trilux.

Die LEDs selbst sind nicht die Achillesferse

Und wenn doch mal was kaputt geht, dann sind es meistens nicht die von der „Deutschen Umwelthilfe“ genannten „Lampen“ (gemeint sind wohl LED-Module bzw. -Chips), sondern vielmehr Bauteile der Vorschaltelektronik. Seriöse LEDs der renommierten Hersteller halten nämlich problemlos viel mehr als 25.000 Leuchtstunden und eine Million Schaltzyklen aus, während andere Elektronik-Bauteile je nach Qualität und Hitzebelastung teils viel früher schlappmachen. Obwohl inzwischen bei immer mehr integrierten Leuchten der Austausch der LEDs dank standardisierter („Zhaga“-)Anschlüsse durchaus möglich ist, dürfte er dennoch meistens unnötig sein, weil die Schwachstelle halt woanders sitzt.

Ein Körnchen Wahrheit steckt also immerhin in den „Umwelthilfe“-Bedenken: Wer billige, schlecht konstruierte und verarbeitete LED-Komplettleuchten kauft, die nach kurzer Zeit den Geist aufgeben, handelt tatsächlich ökologisch bedenklich. Mindestens zehn bis 20 Jahre sollten sie nämlich schon klaglos durchhalten, damit die Stromersparnis durch die hohe Effizienz groß genug ist, um die anfangs negative Ökobilanz (wegen aufwendigerer Herstellung, höherem Material-, Verpackungs- und Transportaufwand etc.) ins Positive zu drehen.

Mehr zum Thema:

Gastbeitrag: Netzhaut-Risiko „blue hazard“ bei LED-Licht

Schadet LED-Licht den alten Meistern?

„Geplante Obsoleszenz“: Auch ein Thema bei LED-Lampen?

Die zehn zähsten Märchen und Mythen über Lampen und Leuchten

Leuchtende Zukunft? Wie LED-Anbieter überleben können

Dringend gesucht: Neue Ideen für die Zukunft des Licht-Markts