Das gab’s hier noch nie und es ist kein Aprilscherz: Eine Osram-LED-Lampe wird zum zweiten Mal getestet – rund vier Jahre nach der Markt-Premiere! Damals konnte ich allerdings noch keine Labor-Messwerte für die dimmbare „Parathom Classic A 75 Advanced“ mit E27-Sockel bieten. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert – wie der gesamte Markt für LED-Retrofits. Oder können Sie sich heute noch vorstellen, dass diese futuristisch designte „Birne“ mal zwischen 40 und 50 Euro kostete?
Groß, schwer, hell und offenbar auch robust: Die 2012 erschienene E27-Osram-LED-Lampe „Parathom Classic A 75 Advanced“. Sie kann selbst nach langer Einsatzdauer noch vielen „Jungbirnen“ zeigen, wo der Frosch die Locken hat. (Fotos: W. Messer)
Nein, früher™ war natürlich nicht alles besser. Anständige LED-Lampen zum Beispiel waren früher mal sauteuer, teils potthässlich, häufig nicht besonders hell, langlebig oder farbtreu und fast keine war mit haushaltsüblichen Dimmern regelbar. Wir reden jetzt also von einer Ausnahmeerscheinung, die Osram vor vier Jahren für rund 50 Euro (UVP) auf den Markt brachte, in China produziert wurde und mit vollem Namen „Parathom Classic A 75 320° Advanced 14.5 W/827 E27“ hieß.
Wenn Sie 2012 diese dimmbare Profi-„Birne“ mit nominell 1055 Lumen Lichtstrom, 2700 Kelvin Farbtemperatur, Farbwiedergabeindex Ra 82 und satten 320 Grad Halbwertswinkel gekauft hatten (siehe Packungsoberseite rechts), läuft dieses Jahr die damals gewährte vierjährige Garantiezeit ab – höchste Zeit, mal zu schauen, wie sie sich gehalten hat.
Im Dezember 2012 war in meinem Blog der erste Testbericht „einer der bemerkenswertesten Neuerscheinungen des Jahres“ zu lesen – noch ganz ohne Labor-Messwerte, entsprechend datenarm und subjektiv. Haupt-Kritikpunkt war die teils mangelnde Dimmbarkeit, die eine Bestbenotung von fünf Sternen anhand der damals noch geltenden LED-Skala verhinderte. Viereinhalb waren allerdings schon überdurchschnittlich gut.
Wenige Leuchtstunden, viele Schaltzyklen
Inzwischen durfte die Osram-LED-Lampe im Treppenhaus eines Dreifamilienhauses Dienst tun. Da kamen zwar nicht allzu viele Leuchtstunden zusammen – vermutlich maximal 1000. Das reicht jedoch schon für den weitgehenden Ausschluss eines typischen Frühausfalls. Sportlicher dagegen die Zahl der Schaltzyklen – wahrscheinlich um die 20.000. Das wäre schon deutlich mehr als die Nennlebensdauer manch neuer LED-Retrofits, die tendenziell immer weiter reduziert wird und häufig nur noch bei 12.500 bis 15.000 Zyklen liegt.
Auch die Anzahl der Leuchtstunden bis zum Verlust von maximal 30% der Anfangshelligkeit (L70) geht bei „Consumer“-LED-Lampen mit jeder neuen und billigeren Generation nach unten – teils bis auf schlappe 11.000 Stunden.
Zum Vergleich: Die Testlampe protzte noch mit 30.000 Leuchtstunden und mindestens 200.000 schadlosen Schaltzyklen (siehe Packungsaufdruck links)! Das bisschen Arbeit bei uns in den letzten vier Jahren müsste sie also total gelangweilt auf einer Backe abgesessen haben.
Etwas stromhungriger als versprochen
Mal sehen: Am Schalter starten die 36 teils seitlich, teils oben angeordneten LEDs der Gebrauchtlampe mit weniger als einer halben Sekunde Verzögerung; die Vorschaltelektronik meldet sich mit einem leisen Surren (bei stiller Umgebung auf ca. 10 cm Distanz hörbar) und das Gehäuse wird nach zwei Stunden Dauerlauf an der heißesten Stelle maximal 70 Grad warm.
Zu diesem Zeitpunkt registrierte mein ELV-„Energy Master“ 15,1 Watt Leistungsaufnahme bei einem sehr guten elektrischen Leistungsfaktor von 0,89. Kaum eine Differenz zu den Werten im Labor meines Kooperationspartners „David Communication“: 14,9 W und Faktor 0,9. Das liegt etwas über der Werksangabe von 14,5 W (siehe Lampenaufdruck unten links).
Moderate Flimmer-Messwerte
Leicht unterschiedlich sind die Resultate unserer Flimmer-Messungen: Meine „Flicker Tester“-App auf dem iPod wollte bei 100 Hertz Index 0,1 und 18% wahrgenommen haben; das Profi-Gerät meldete bei identischer Frequenz 29%. Und wenn ich Ihnen jetzt verrate, dass das Display meiner Nikon-Kamera weder im Foto- noch im Videomodus Anzeichen von Flimmern und/oder störende Horizontalstreifen zeigte, sind Sie vermutlich genau so schlau wie vorher.
Sagen wir mal so: Den allermeisten Menschen dürfte das Licht dieser Osram-Lampe stabil erscheinen (solange sie nicht an einem ungeeigneten Dimmer hängt – aber dazu hatte ich ja schon im ersten Test eine Menge erzählt). Nach dem Ausschalten dauert es übrigens rund zwei Sekunden, bis die LEDs wieder komplett dunkel sind. Sie blenden sich allmählich aus und saugen dabei wohl die Restspannung aus einem Pufferkondensator.
Direktes Licht wirkt „kühler“ als indirektes
Während des erneuten Testbetriebs in einer offenen E27-Fassung hatte ich wie damals den subjektiven Eindruck, dass die Lampe beim direkten Blick deutlich „kühler“ wirkt als das Licht einer ähnlich hellen 75-Watt-Glühlampe, wogegen die auf Objekte abgestrahlte Lichtfarbe tatsächlich „warmweiß“ ausssieht (siehe Lampenaufdruck rechts) – sogar mit einem leichten Rot-/Rosa-Stich. Dafür spricht auch das Standard-Farbtreuebild mit zwei Mini-Motorrädern auf weißem Untergrund (Weißabgleich „Tageslicht“, ohne Nachbearbeitung):
Außer den leicht verschwommenen Schatten (typisch für Lampen mit mehreren LED-Chips) fällt die ziemlich gute Rot-Wiedergabe auf; das Tiefblau der Yamaha rechts bekommt einen kleinen Schubs in Richtung Lila.
Farbort liegt etwas unterhalb der Ideallinie
Die Laborwerte liefern die dazu passende Datenbasis (pdf-Download des Messprotokolls): 2748 Kelvin, Farbwiedergabeindex Ra 83,3 mit einem bemerkenswert guten Wert für die anspruchsvolle Zusatz-Messfarbe „Rot gesättigt“ (R9 = 21,9) und eher durchschnittlichen 74,9 für „Blau gesättigt“ (R12).
Der Farbort sitzt etwas unterhalb der Schwarzkörper-Ideallinie in Richtung Rot-Orange, während bei den meisten anderen LED-Lampen eher ein Trend nach oben zu Gelb-Grün vorherrscht, weil dort mehr Lumen/Watt-Ausbeute zu holen ist. Das Spektraldiagramm mit der Verteilung der Strahlungsenergie in Milliwatt pro Nanometer Wellenlänge muss sich jedenfalls vor der aktuellen Ra-80-LED-Lampenhorde nicht verstecken:
Okay – das Blau-Hügelchen links ist bei vielen LED-Jungspunden nicht mehr so ausgeprägt spitz; aber die Farbspitze bei 612 nm und die von dort sanft nach rechts in Richtung Tiefrot abfallende Kurve wären auch heute noch absolut konkurrenzfähig. Schon beeindruckend, was Osram da bereits 2012 auf die Beine oder besser den Sockel gestellt hatte.
Die hält wohl noch länger durch als ich
Und wie sieht’s mit dem Lichtstromverlust aus? Laut Labor minimal bis garnix: 1033 Lumen entsprechen fast exakt dem Sollwert von 1055 lm im Neuzustand. Die behaupteten 30.000 Leuchtstunden bzw. 30 Jahre Nennlebensdauer könnten also durchaus realistisch sein – die dürfen dann aber meine Enkelinnen prüfen, weil sie die mutmaßliche Restlaufzeit von Opa (Raucher!) übertrifft. Falls Osram hier eine „geplante Obsoleszenz“ einbauen wollte, ging das jedenfalls gründlich in die Hose.
Die anhand unserer Messwerte bestätigte Effizienz von knapp 70 Lumen/Watt katapultierte die Osram-LED-Lampe 2012 an die Spitze des damals geltenden Ökolabels (Packungsaufdruck rechts) und ist auch nach den heutigen Maßstäben für dimmbare Retrofits nicht armselig. Auf der aktuellen Skala von E bis A++ würde sich die „Classic A 75 Advanced“ mit einem Energieeffizienzindex von 0,19 ebenfalls bei A einsortieren.
Die Modellbezeichnung orientiert sich bei Osram übrigens nicht am Lampendurchmesser – wie bei vielen anderen Herstellern, sondern am Glühlampen-Äquivalenzwert. Diese „Birne“ ist also nicht maximal 75 mm dick, sondern „nur“ 62 mm – bei einer Länge von 11,6 cm und einem Gewicht von 200 Gramm. Da steckt halt jede Menge Metall dran und Elektronik drin – robust genug gebaut, um bei einem heftigen Wurf Glasscheiben zu zerbrechen, ohne selbst nennenswert Schaden zu nehmen. Versuchen Sie das mal mit einer aktuellen Billig-LED-Lampe. Vielleicht auch lieber nicht.
So rund leuchten auch heute nicht viele
Bliebe noch die Sache mit der Abstrahlcharakteristik. Vor vier Jahren wuchsen da noch jede Menge Fantasiewerte im LED-„Birnen“-Obstgarten. Manche Hersteller fabulierten sogar von „Rundumlicht“, obwohl der Halbwertswinkel meist deutlich unter 180 Grad lag. Und Osram? Stellt heutzutage „rundstrahlende“ Lampen her, die in dieser Disziplin dem Klassiker aus dem Jahr 2012 nicht mal annähernd das Wasser reichen können. Schauen Sie sich mal das Leuchtbild der „Parathom“ an:
Das ist wirklich ziemlich rund – auch unter dem Sockel kommt noch jede Menge Licht an. Die leichte Abschattung durch die fünf ausgeprägten Kühlrippen spielt in der Praxis kaum eine Rolle, und die Lichtverteilungskurve aus dem Profi-Labor meldet tatsächlich 318 Grad Halbwertswinkel – ohne nennenswerte Dellen (pdf-Download des Abstrahldiagramms). Das entspricht mindestens dem, was die modischen LED-„Fadenlampen“ schaffen und ist wieder ein Hinweis darauf, das früher™ dann doch manches besser war.
Mein Testurteil:
Dimmbarer, „warmweißer“ LED-Ersatz für 75-Watt/E27-Glühlampen mit Ra >80 und einigermaßen runder Abstrahlung kostet aktuell häufig weniger als 10 Euro und zieht teils nur noch 10 bis 11 Watt. Inzwischen ist auch das Regelverhalten an Haushalts-Dimmern meist deutlich besser als das der Osram „Parathom Classic A 75 320° Advanced 14.5 W/827 E27“.
Aber selbst im Licht dieses technischen und finanziellen Fortschritts steht die Osram-LED-Lampe aus dem Jahr 2012 nicht im Dunkeln. Ganz im Gegenteil: Der ehemals sehr teure „Parathom“-Oldtimer lässt viele Neulinge in Sachen Lebensdauer, Robustheit, Helligkeit, Rundstrahlung und Rot-Wiedergabe deutlich hinter sich – auch als Gebrauchtlampe.
Wer diese LED-Retrofit jetzt vier Jahre lang und vermutlich weit intensiver genutzt hat als wir, der hat womöglich bereits den damaligen hohen Preis durch die Stromersparnis sowie den wegfallenden Neukauf von Glühlampen wieder ’rausbekommen und darf sich noch auf viele weitere sparsame Leuchtjahre freuen. Das alles reicht selbst bei meiner neuen, strengen LED-Bewertungsskala für anerkennende
drei Sterne.
Osram-LED „Classic A 75 Advanced“: Sehr helles Köpfchen
„Geplante Obsoleszenz“: Auch ein Thema bei LED-Lampen?
Im Test: E27-LED-Fadenlampe von Osram mit 6 Watt und fast 900 Lumen
E27-Doppeltest: „ELV by Xavax“ contra Osram-„LED Star Classic A 60“
Danke für den Testbericht. Sehr interessant, vor allem die Messungen des Abstrahlwinkels.
Echte Rundstrahler gibt es heutzutage leider außerhalb der Fadenlampen leider nicht mehr so viele wie früher.
Gäbe es die Osram Parathom Classic A75 noch, würde ich sie mir kaufen 🙂
Die Parathom Classic Pro A80 war in Punkto Farbwiedergabe (Ra92), Lichtstrom (1.100lm gemessen) und Effizienz (91lm/W) auch besser als manch späteres Modell von Osram.
Wahrlich Heavy Metal: 200gr. reichen, um eine Federspanner-Schreibtischleucht in die (Knie-) Gelenke gehen zu lassen…
Doch einmal grundsätzlich gefragt: Welcher Durchschnittskunde ist heute noch gewillt, mehr als 10 Euro für eine Standard-LED auszugeben, um derartig aufwändig (professional product) gefertigte Ware zu erhalten? Es wird doch allenthalben suggeriert, dass es immer billiger gehen müsse!
Der Durchschnittskunde sicher nicht. Aber es gibt ja auch heute noch diverse Anbieter, die ihre Retrofits für stolze zweistellige Beträge anbieten und offensichtlich auch verkaufen können – an gewerbliche und private Kunden mit Premium-Anspruch.
Klar ist das eine Minderheit, aber so läuft es doch zunehmend in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft: Zwischen Billlig-Schnäppchen und Top-Ware klafft eine sich stetig vergrößernde Lücke. Das, was früher „Mittelklasse“ war, verliert in Relation dazu dagegen immer mehr an Masse und Bedeutung.