LED-Lampen halten (fast) ewig und werden immer billiger. Das bedroht aber das Geschäftsmodell der Hersteller und Händler. Wie können LED-Anbieter dennoch überleben? Nur mit breitem Sortiment, bestem Service und neuen Licht-Ideen.

Regale mit LED-Retrofits in einem Fachgeschäft (oben und unten links): Sehen nicht sehr spannend aus und bringen in Zukunft auch kaum noch Gewinn. (Fotos: W. Messer)
Was waren das für Zeiten, als ein ordentlicher LED-Ersatz für herkömmliche E27-Glühlampen zwischen 30 und 60 Euro kosten konnte! Da durften Hersteller und Händler noch mit saftigen Gewinnspannen kalkulieren und sogar versandkostenfreie Lieferungen anbieten, ohne eine Insolvenz zu riskieren. Die absoluten Margen gaben’s ja her. Kaum zu glauben: Das ist erst gut zwei Jahre her.
2014 hat sich das aber radikal geändert: Anständige LED-Retrofits kriegen Sie schon für unter 10 Euro. Selbst wenn die Anbieter jetzt noch die gleiche prozentuale Handelsspanne wie 2011 oder 2012 hätten, wäre der absolute Gewinn radikal geschrumpft. Dazu kommt, dass LED-Lampen bei durchschnittlich drei Leuchtstunden täglich mindestens 15 bis 25 Jahre halten, wenn nichts schief geht. Damit entfällt auch das regelmäßige Ersatzgeschäft, das zu Glühlampen-Zeiten noch zuverlässig Geld in die Kassen spülte.
„CEPro.com“ berief sich jetzt in einem entsprechenden Artikel auf eine IHS-Studie, nach der sich die Lichtbranche mit der neuen Technologie selbst „in eine Ecke gespielt“ habe: Zwar werde die Zahl der verkauften LED-Retrofits vorerst weiter stark steigen, aber wegen der fallenden Preise dennoch keine großen Umsatzzuwächse erzeugen. Die letzten Quartalsberichte von Philips und Osram scheinen das zu bestätigen.
Der LED-Retrofit-Markt sättigt sich allmählich
Zudem sättige sich der Markt für Retrofit-Neuanschaffungen langsam und dämpfe den jährlichen Prozent-Zuwachs der Stückzahlen – von derzeit rund 70 auf unter 10% im Jahr 2020. „CEPro.com“ sieht drei Auswege aus dieser Entwicklung:
- Weitere drastische Preissenkungen, um noch mehr Kunden zu gewinnen und den LED-Absatz zu erhöhen.
- Reduzierung der durchschnittlichen Lampen-Lebensdauer, um das Ersatzgeschäft zu befeuern.
- Mehr „Smart Lighting“-Angebote mit „intelligenten“, vernetzten, farb- und fernsteuerbaren LED-Lampen, die höhere Preise als einfache Leuchtmittel rechtfertigen und erzielen.
Die Realität liefert jetzt schon Beispiele für alle drei Vorschläge. Teilweise hängen Punkt 1 und 2 zusammen, weil einige Hersteller besonders günstige neue („Sonder“-)Modelle anbieten, deren Nennlebensdauer deutlich unter denen der Vorgänger oder regulären Varianten liegt (beispielsweise 10.000 statt 15.000 Leuchtstunden). Punkt 3 war der Mega-Trend auf der Fachmesse „Light + Building 2014“: Nachdem Philips mit seinem „hue“-Farbsteuerkonzept bereits Ende 2012 den Spieltrieb der finanzstarken „Geeks“ ankurbelte, haben inzwischen viele Anbieter nachgezogen und den Ansatz verfeinert – beispielsweise Osram mit „Lightify“ (Foto unten: W. Messer) und „Lightify Pro“.


Farb- oder fernsteuerbare LED-Sticks und –Strips von Osram: Gibt’s schon ein paar Jahre, funktionieren auch ohne Smartphone und Apps und taugen deshalb nicht mehr so richtig zum Angeben.
Das hat den Charme, dass man nicht nur schnöde LED-Lampen auf den Markt bringen kann, sondern auch eine ganze Palette von „schlauen“, teuren Leuchtmitteln, zusätzlichen Steuer- und Kontrollgeräten und hübscher (allerdings meist kostenloser) Apps. Wer sich vergangenes Jahr noch mit damals aktuellen, normalen LED-Retrofits eingedeckt hat, ist jetzt womöglich schon der Depp mit doofer Museumsware von vorgestern. Oder vielleicht doch nicht?
Torsten Kleinz wusste nämlich in einem Beitrag für ZDF-„heute.de“ von einer gewissen Skepsis zu berichten, mit der die Industrie die Kunden-Akzeptanz der bisherigen „Smart Home“-Lösungen beäugt:
„Sowohl Wirtschaft als auch Industrie hatten in den Markt der intelligenten Waschmaschinen, Lampen und Heizungen große Hoffnungen gesetzt. Sie sollten der Industrie Milliardenumsätze bringen, Energie sparen und die Lebensqualität erhöhen. Doch daraus ist bisher wenig geworden: Gerade mal ein Prozent der deutschen Haushalte haben Heimautomatisierungstechniken installiert. … Zu teuer waren die Systeme bisher, zu gering ihr Nutzen. Hinzu kommen andere Vorbehalte. Eine Umfrage im Auftrag der Industrie ergab, dass über 54 Prozent der Deutschen große Bedenken haben, ihren Lebensbereich komplett verdaten und in der Hoffnung erfassen zu lassen, dass die Heizungsabrechnung etwas niedriger ausfällt und die Lampen sich automatisch anschalten.“
Klingt nicht nach dem Königsweg für eine breitenwirksame, erfolgreiche Zukunft der LED-Beleuchtung. „General Electric“ (GE) serviert deshalb gleich fünf Punkte, wie man die Kundschaft begeistern und bei der Stange halten will:
- Energieeffizientes Licht für alle bezahlbar machen.
- Neue Lösungen zum (drahtlosen) Dimmen von LED-Lampen anbieten.
- Die hohen Kundenansprüche an die Lichtqualität und -farbe erfüllen.
- Problemlose Verwendung von LED-Leuchtmitteln für jeden Einsatzbereich im Haushalt.
- Unverwechselbares, einzigartiges Design, mit dem auch Glühlampen-Fans leben können.

Das mit der Lichtqualität hat GE bereits prima umgesetzt – mit seiner noch relativ teuren „Reveal LED“-Serie, die in einem Vergleichstest von „c|net“ sogar gegen eine „TW series“-Lampe von US-Platzhirsch Cree (nomineller Farbwiedergabeindex Ra 93, PR-Foto oben) gewann. Vor allem bei der für LEDs besonders problematischen Einzelfarbe R9 („gesättigtes Rot“) war die GE-Lampe um Welten besser (>90 gegen 59).
Das allein wird’s jedoch auch nicht bringen, zumal die meisten Durchschnittskunden diesen Unterschied kaum bewusst wahrnehmen und selten bereit sind, entsprechende Aufpreise und die – physikalisch bedingte – geringere Effizienz in Kauf zu nehmen. Außerdem war schon bei meinem Besuch der „Light + Building“ Ende März klar erkennbar, dass auch Discounter- und Baumarkt-Zulieferer wie „Müller-Licht“, „Megaman“ oder Paulmann immer mehr günstige Lampen mit hoher Farbtreue über Ra 90 im Sortiment haben werden.
Leuchten sind viel einträglicher als Lampen
Langfristig sind LED-Anbieter meiner Meinung nach bei ausschließlicher Konzentration auf Retrofits mit traditionellen Sockeln (E27, GU10 etc.) ohnehin zum Tod verurteilt. Wo soll denn auch die Gewinnspanne noch herkommen, wenn beispielsweise die Versandkosten der Online-Shops mit knapp 5 Euro schon höher sind als der Preis so mancher LED-Lampe? Der Gesamtumsatz pro Bestellung/Kauf muss also möglichst groß sein. Das schafft man eventuell mit Fünfer- oder Zehner-„Sparpacks“ – aber ganz sicher mit integrierten LED-Leuchten. Sie sind vermutlich die einzige Chance für einträgliche, langfristige Geschäfte – mal abgesehen von (gewerblichen) Retrofit-Umrüstungen im großen Stil.


Auswahl an Leuchten mit integrierten LED-Modulen (oben für innen, rechts unten für den Außenbereich) – die Preise sind hier häufig noch dick im dreistelligen Bereich.
Bei ihnen ist der Anteil der Elektronik am Gesamtprodukt erheblich geringer – die stetig sinkenden Kosten der LED-Chips und Vorschaltelektronik schlagen sich somit weniger auf den Preis nieder. Außerdem werden Leuchten vom Verbraucher gewohnheitsmäßig eher als hochwertige Investitionsgüter und nicht als Verbrauchsmaterial wahrgenommen – im Gegensatz zu auswechselbaren Lampen, selbst wenn diese dank LED-Technik in Wirklichkeit ebenfalls eine langfristige Anschaffung darstellen.
Hinzu kommen die prinzipbedingten Vorteile von LED-Leuchten: Keine Platzbeschränkung auf vorgegebene Dimensionen, dadurch auch freie Design-Möglichkeiten, ausreichende Kühlung von Elektronik und LED-Chips, große Flexibilität bei der Bestückung, individuelle Ausrichtung von Abstrahlwinkeln und freie Wahl der Farbtemperatur-Varianten, Austauschbarkeit von Baugruppen bei Einhaltung des Zhaga-Industriestandards.
Zwar sind die relativ hohen Preise noch ein großes Hindernis für viele potenzielle Kunden. Das wird sich aber in den nächsten Jahren ähnlich verbessern wie schon bei den LED-Retrofits – und außerdem gibt es sehr elegante Möglichkeiten zur Finanzierung:
LED-Umrüstung geht auch zum „Nulltarif“
Im gewerblich/öffentlichen Markt (‚B2B‘) sind größere Umrüstungen bereits jetzt quasi zum Nulltarif möglich. Philips baut beispielsweise gerade 13.000 integrierte LED-Leuchten im Washingtoner Metro-System ein und wird sie zehn Jahre lang warten. Die saftige Rechnungssumme ist jedoch nicht in voller Höhe und zu Beginn fällig, sondern darf häppchenweise in Höhe der jährlich erwarteten Stromersparnis abgestottert werden: 2 Millionen US-Dollar. Anschließend sind die Leuchten Eigentum der Metro-Gesellschaft, ohne dass sie zuvor deren Investionshaushalt belastet hätten.
Ähnliche LED-Leasing-Konzepte gibt’s seit Jahren auch von anderen Anbietern – teils in Zusammenarbeit mit innovationsfreundlichen Banken. Die „Business Academy Bexley“ in London spart durch so eine fremdfinanzierte „Null-Lösung“ ca. 25.000 Euro jährlich und wird nach sieben Jahren endgültige Eigentümerin von über 2000 intelligent vernetzten und gesteuerten LED-Leuchten.
Wenn Sie als Gewerbetreibender oder öffentliche Einrichtung keinen Bock auf Banken haben, können Sie auch „Crowdsourcing“ nutzen: Stellen Sie beispielsweise Ihr Umrüstungsprojekt auf der „bettervest“-Plattform vor. Mit ein bisschen Glück und einem „einleuchtenden“ Konzept kriegen Sie sogar sehr hohe LED-Investitionskosten vom „Schwarm“ finanziert, die Sie selbst nicht aus Eigenmitteln schultern könnten.
Sieben Brücken zum Erfolg
Was bedeutet das nun für LED-Hersteller und -Händler, die auch morgen noch im Geschäft sein wollen?
- LED-Retrofit-Lampen allein bringen zu wenig zum Überleben, weil Preise/Margen schrumpfen und die globalen Produktionskapazitäten sowie das uferlose Angebot die Nachfrage mittelfristig übersteigen und überfordern. Bieten Sie also ein möglichst breites Sortiment an, das auch „intelligente“ Lampen und Leuchten mit entsprechenden „Smart Home“-Steuerungen umfasst. Setzen Sie zukünftig aber vor allem auf bezahlbare integrierte LED-Leuchten mit austauschbaren Modulen und einer breiten Palette von Farbtemperaturen zwischen „warm-weiß“ und „kalt-weiß“, die auch konventionell geregelt werden können.
- Hohe Farbtreue ist kein Alleinstellungsmerkmal für „Edelmarken“ mehr. LED-Leuchtmittel mit Ra >90 gibt’s schon bei IKEA oder Aldi – für um oder unter 10 Euro. Werfen Sie also allmählich alles an Innenbeleuchtung aus dem Sortiment, was unter Ra 90 hat. Sonst setzen Sie Ihre Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel.
- Zwei Jahre gesetzliche Gewährleistung sind für langlebige LED-Produkte zu wenig. Geben Sie mindestens vier Jahre Garantie und seien Sie bei bei Reklamationen kulant. Das spricht sich schnell herum.
- Versprechen Sie keine Leistungswerte, die Sie nachher nicht halten können. Ihre Leuchtmittel werden möglicherweise von Dritten ausgiebig getestet – etwa von diesem Blog hier und seinem Partnerlabor oder von „Stiftung Warentest“.
- Bieten Sie geduldige, korrekte und ausführliche Beratung – on- und offline. Übersetzen Sie auf Ihrer Website die wichtigsten Fachbegriffe – möglichst einfach und bei jedem einzelnen Produkt. Haben Sie Verständnis für den hohen Erklärungsbedarf Ihrer Leuchtmittel und machen Sie sich selbst umfassend sachkundig. Für die meisten Ihrer Kunden eröffnet sich nämlich mit der LED-Technologie eine völlig neue Licht-Welt (die leider für viele Händler ebenfalls noch Neuland ist).
- Schlagen Sie alternative („Null“-)Finanzierungsmöglichkeiten für größere LED-Umrüstungsprojekte vor – indirekt via „Crowdsourcing“ oder einer zuverlässigen Partner-Bank, eventuell auch direkt mit eigener Vorleistung. Machen Sie Ihren Kunden klar, dass bereits die Stromersparnis die hohe Investition amortisieren wird und die lange LED-Lebensdauer für weitere Einsparungen sorgt.
- Sie sind bereits ein Top-Anbieter? Dann kommunizieren Sie das – über soziale Netzwerke, Blogs, Twitter, „Deal“-Plattformen und Google-Dienste. Seien Sie offen für Erwähnungen und Rückmeldungen – auch für kritische – und reagieren Sie angemessen und zeitnah darauf. Denken Sie dran: Dieses seltsame Internet ist keine mickrige Einbahnstraße, in der Sie einfach nur Ihren Werbe-Spam und sinnlose Marketing-Worthülsen ‚reinsausen lassen und anschließend flüchten können, sondern eine mehrspurige Autobahn mit Verkehr in allen Richtungen, stetigem Geben und Nehmen.
Ja, das klingt alles ziemlich anspruchsvoll und anstrengend. Aber den schnellen Euro ohne große Mühe gibt’s auf dem LED-Markt nicht (mehr) und in Zukunft noch viel weniger.
Disclaimer: Das „Lampenland“ hat mir freundlicherweise erlaubt, einige Bilder für diesen Beitrag in seiner Rastatter Filiale zu fotografieren – mit freier Motivauswahl und netter Hilfe des Personals. Herzlichen Dank dafür!
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