Durchaus beeindruckt war ich am Wochenende von meiner ersten „hautnahen“ Begegnung mit den OLED-Experimental-Panels der Philips-Marke „Lumiblade“ aus Aachen. Spontan meldeten sich beim Herumspielen mit den superdünnen Leuchtspiegelchen viele tollen Ideen für künftige Verwendungsmöglichkeiten. Mit etwas Verzögerung erschienen aber auch ein paar Euphorie-dämpfende Fragezeichen.
Das „Lumiblade Plus 2 Experience Kit“: Zwei spiegelnde Mini-OLED-Panels, ein Steuergerät zum Schalten und Dimmen, diverse Kabel und ein 12V-Netzteil (fehlt hier, weil nichts Besonderes). (Fotos: W. Messer)
Die wenigen Beiträge, die ich in den vergangenen drei Jahren in diesem Blog über OLED-Beleuchtung geschrieben habe, kann ein Sägewerksarbeiter an den verbliebenen Fingern einer Hand abzählen. Im großen Orchester der LED-Lampen und -Leuchten spielt diese ziemlich neue Technik höchstens die Triangel. Die ist aber mindestens aus Gold, wenn man sich die meist vierstelligen Preise für die wenigen marktgängigen Leuchten mit OLED-Technik anschaut.
Deutlich billiger kann ein Technik-Nerd seine Neugier mit den für rund 170 Euro von Philips angebotenen Experimental-Päckchen befriedigen – wenn er sich damit zufrieden gibt, dass die beiden Panels darin beispielsweise gerade mal ca. 7,4 x 7,4 cm (GL26, Farbtemperatur 2900 Kelvin) bzw. etwa 13 x 4,5 cm (GL55, 3200 K) groß sind und mit rund 28 bzw. 55 Lumen allenfalls unterdurchschnittliche Taschenlampen-Helligkeit liefern.
Dieses Set ist eher zum Herumspielen und für Dekorationszwecke als für echte Beleuchtungsaufgaben geeignet. Dafür sprechen auch die jeweils nur gut 30 cm langen Verbindungskabel zwischen Steuergerät und Panels.
Genau das ist volle Absicht des Herstellers. Dietmar Thomas, „Communication Specialist“ der Philips Technologie GmbH im Aachener „Business Center OLED Lighting“, erklärte mir auf Nachfrage, dass die Test-Panels nicht zum Einbau in ein bestehendes Leuchtendesign gedacht seien:
„Vielmehr sollen Designer und Architekten die Lichtqualität der OLEDs live erleben. Sobald ein Designer eine Idee zu einer Umsetzung mit unseren Lumiblade-OLEDs hat, bieten wir ihm an, dass wir die Umsetzung seines Designs/Projekts technisch begleiten. Damit kann er sich auf sein Design/Projekt konzentrieren, wir kümmern uns um die Technik wie Treiber oder Regelelektronik.“
Nun bin ich kein Designer, aber immerhin knallharter LED-Fan und so ’ne Art Hobby-Innenarchitekt. Und da stellt sich mir im OLED-Test die Frage: Wo liegen die Vorteile gegenüber herkömmlichen LEDs im Wohn- und Arbeitsbereich?
Fünf handfeste Vorteile
Vorteil 1 liegt auf der Hand: Die Dinger sind dünner als Twiggy nach einem Monat in der Wüste ohne „Fish & Chips“ und tragen deshalb nicht auf – egal, wo man sie hinsteckt oder draufklebt. Ein 1,5 mm dicker Lötdraht sieht im Verhältnis zur Stärke eines OLED-Panels fast monströs aus (siehe Foto oben links).
Vorteil 2: Der Farbwiedergabeindex eines OLED-Panels liegt deutlich über CRI 85, bei neueren Modellen sogar über CRI 90. Es gibt LED-Lampen, die eine solche Farbtreue nur mit diversen Tricks erreichen – zum Beispiel mit der aufwendigen Kombination verschiedenfarbiger Module.
Vorteil 3: Wo LED-Module ihr Licht aus einem kleinen Punkt abstrahlen, leuchtet ein OLED-Panel flächig und ziemlich gleichmäßig. Ich schreibe „ziemlich“, weil es mir bei den Experimentalteilchen so vorkam, als ob sie bei voller Helligkeit in der Mitte etwas dunkler seien als außen. Tatsächlich wird die „Homogenität“ in den Datenblättern nur mit 80 bis 90 und nicht mit 100 Prozent angegeben.
Die „Lumiblade“-OLED-Panels GL26 (oben) und GL55 auf kleiner Dimmstufe: Ein fast homogenes Leuchtbild bei der direkten Draufsicht.
Lampen und Leuchten nicht zwingend nötig
Vorteil 4: Selbst diese schon älteren OLED-Experimental-Panels lassen sich offenbar problemlos mit Amplituden- oder Pulsweitenmodulation dimmen – ohne Helligkeitssprünge oder Flackern. Das ist bei den meisten LED-Lampen nicht möglich. Noch extremer: Philips hat bereits vor zwei Jahren einen OLED-Weißlicht-Prototyp vorgestellt, der ohne Vorschaltgerät direkt an 230-Volt-Wechselstrom angeschlossen werden kann. Für LED-Chips wäre das eine sofortige Hinrichtung.
Vorteil 5: Die Summe dieser vier Vorteile ermöglicht zumindest theoretisch eine Raumbeleuchtung ganz ohne Lampen und Leuchten. Es genügt das gezielte Kleben und individuelle Ansteuern von OLED-Panels an Wänden, Möbeln und Decken – spart jede Menge Platz, erlaubt unzählige Designideen und sieht geil aus. Ausgeschaltet können sie wahlweise wie Spiegel oder mattes Glas wirken. Trittfeste OLEDs zum Bekleben des Fußbodens sollten technisch ebenfalls möglich sein, dann wird die ganze Bude zum Leuchtkörper. Auch Kfz-Experten kriegen allein schon beim Gedanken an die Einsatzmöglichkeiten von OLED-Panels und -Folien am und im Auto erhöhten Speichelfluss.
Die Rückseite der Experimental-Panels mit den Angaben zur maximalen Stromaufnahme und Spannungsversorgung, den x/y-Koordinaten im „CIE-Farbraum“ und der Leuchtdichte in Candela pro Quadratmeter.
Die bei Licht-Designern vor lauter Begeisterung aufkommende Tendenz zum hemmungslosen Jubel ist aber leider verfrüht. Auch wenn sich beispielsweise Philips schon seit über 20 Jahren damit beschäftigt, gibt es immer noch einige Euphoriebremsen beim derzeitigen Stand der OLED-Technik.
Bisher noch traurige Effizienzwerte
Nachteil 1: OLED-Panels sind wesentlich teurer als LED-Chips, jedoch nicht in der gleichen Relation heller – im Gegenteil. Für das tatsächlich zu Beleuchtungszwecken geeignete „Lumiblade GL350 Starter Kit“ mit drei Panels à 120 Lumen bezahlen Sie satte 400 Euro. Damit kriegen Sie knapp die Helligkeit einer 40-Watt-Glühlampe, haben aber noch lange keine vollständige und einsetzbare Leuchte.
Nachteil 2: Die Lichtausbeute von aktuellen OLEDs rechtfertigt nicht den Titel „stromsparende Leuchtmittel“ oder die Einstufung in eine Energieeffizienzklasse besser als „C“. Meine Experimentalteilchen und die neuen GL350-Panels machen aus einem Watt einen Lichtstrom zwischen 15 und 17 Lumen. Das schaffen sogar schon Niedervolt-Halogenspots. Labor-LED-Lampen sind derzeit rund zehnmal effizienter und selbst warm-weiße Serienexemplare haben häufig rund 80 lm/W.
Luxus-Warmhalteplättchen mit Licht
Nachteil 3 ist deshalb zwangsläufig: Während LEDs typischerweise rund 70 Prozent der eingesetzten Leistung in Wärme statt in Licht umwandeln, sind es bei OLEDs im Moment ca. 90 Prozent. Dieses ungünstige Verhältnis macht sich bei längerer Leuchtdauer selbst bei meinen schwachen Mini-Panels bemerkbar. Die Dinger werden mit schätzungsweise rund 60 Grad heiß genug, um auch als Warmhalteplatte für ein Glas Tee dienen zu können (sieht dann allerdings sehr hübsch aus, so ein Luxus-Leuchtuntersetzer, siehe Bild oben). Nicht umsonst weist Philips in der Bedienungsanleitung darauf hin, dass die Panels nur „unter Überwachung“ und bei normaler Raumtemperatur betrieben werden dürfen.
(Nachtrag 4.10.: Nach mehreren Stunden ununterbrochenen Betriebs wird auch das Steuergerät sehr warm – gehört möglicherweise zum Anpassungsproblem des Test-Kits, wie es von Dietmar Thomas im Update unten beschrieben wird.)
Nachteil 4: Die Lichtfarbe ändert sich mit dem Betrachtungswinkel. In der Hauptabstrahlkeule zwischen 0 und 120 Grad tut sich zwar noch nicht viel, bei einem flacheren Winkel erscheint die Farbtemperatur aber plötzlich kälter. Vergleichen Sie das mal mit dem direkten Draufsicht-Bild oben:
Die beiden „Lumiblade“-Panels im flachen Winkel fotografiert: Das obere wird blaßgelb, das untere wirkt plötzlich wie ein hellblau schimmernder Swimming-Pool.
Natürlich kann man dieses Phänomen als gewollten Design-Effekt nutzen, es wird aber sicher auch häufig als störend empfunden. LED-Chips kennen solche Winkel-Merkwürdigkeiten jedenfalls in der Regel nicht. (Update: Das Problem kann offenbar gelöst werden, siehe Ergänzung weiter unten im Beitrag)
OLEDs leben kürzer als LEDs
Nachteil 5: Die erwartete Lebensdauer der OLED-Panels liegt noch erheblich unter der von guten LED-Leuchtmitteln. Aktuell nennt Philips 10.000 Leuchtstunden bis zur Degradation auf die Hälfte der Anfangshelligkeit (L50). Das wären bei drei Leuchtstunden pro Tag zwar immerhin gut neun Jahre. Viele LED-Lampen haben aber – hochgerechnet unter den gleichen Bedingungen – nach über 25 Jahren noch mindestens 70 Prozent des Maximal-Lichtstroms (L70).
Nachteil 6 ist die Umkehrung von Vorteil 5: „Retrofit“-Lösungen mit OLED-Technik sind – konsequent gedacht – ziemlicher Blödsinn. Das wahre Potenzial von Panel- oder Folien-Lichtflächen wäre in herkömmlichen Lampen- und Leuchtendesigns größtenteils verschenkt. Fast alles, was wir bisher in unseren Wohnungen und Büros an Leuchtmitteln herumstehen und -hängen haben, würde durch OLEDs zu Antiquitäten oder Müll.
Wer braucht beispielsweise noch eine Deckenleuchte mit E27-Fassungen aus dem vergangenen Jahrtausend, wenn da oben stattdessen ein aufgeklebtes, zwei Meter langes und ein Meter breites dimmbares Lichtpanel glänzt? Niemand – und ich weiß, wovon ich rede, weil in meinem Studio seit über zweieinhalb Jahren so ein ähnliches, fernsteuerbares Ding mit LED-Technik und bis zu rund 5000 Lumen leuchtet. Können Sie sich jedoch vorstellen, dass ein durchschnittlicher Haushalt freiwillig, freudig und fix eine solche Radikalumstellung macht? Nö, höchstens bei einem Neubau oder einer Totalrenovierung.
Nachteile bald nicht mehr vorhanden?
Dieser Nachteil Nummer 6 existiert natürlich nicht für die kleine Minderheit der „early adopters“ und Lichttechnik-Verrückten. Die würden ja eher auf sämtliche Restaurantbesuche verzichten als auf das Ausprobieren der jeweils neuesten Innovationen. Das dafür nötige völlige Umkrempeln einer Wohnung wird von dieser Spezies nicht als Kollateralschaden, sondern maximal als sportliche Herausforderung wahrgenommen. Been there, done that.
Aber auch die Nachteile 1 bis 3 werden sich in den nächsten Jahren vermutlich in Luft auflösen, wenn sich die multi-millionenschweren OLED-Entwicklungsinvestitionen – etwa von Philips in Aachen oder Osram in Regensburg – in entscheidende Verbesserungen der Kosten- und Energieeffizienz verwandelt haben. Bei Nachteil 4 bin ich mir noch nicht so sicher; möglicherweise ist die winkelabhängige Änderung des Farbeindrucks systemimmanent, wäre allerdings kein echter Beinbruch. Update: Der niederländische Lichtexperte und Designer Thomas Wensma informierte mich gerade via Twitter, dass die Panels auch mit einer speziellen Folie geliefert werden könnten, die solche Verschiebungen der Farbtemperatur verhindert. Bei einigen Versionen – beispielsweise den GL350-Panels – gebe es dieses Problem bereits serienmäßig nicht.
Mein Fazit: Auch bei Skeptikern werden in spätestens fünf Jahren die ersten OLED-Panels leuchten – zumindest als Ergänzung zu den bis dahin massenhaft eingesetzten LEDs.
(Disclaimer: Die Philips Technologie GmbH hat mir das besprochene „Lumiblade Plus 2 Experience Kit“ gratis zur Verfügung gestellt. Hoffentlich bereuen die das jetzt nicht.)
Ehrgeizige Zukunfts-Zielwerte
Update: In einer ersten Reaktion auf diesen Beitrag schrieb mir Kommunikationsspezialist Dietmar Thomas von der Philips-Technologie-GmbH:
„Zur Wärmeentwicklung – das liegt an dem Treiber, den wir dem Kit mitliefern. Das ist eine Lösung, die mit möglichst vielen unserer Kit-OLEDs funktionieren soll. Ein dezidierter Treiber passend zu einer Leuchte lässt die normalen OLEDs maximal 30 Grad heiß werden, die großen 350er OLEDs maximal 40 Grad. Die von Ihnen genannten Schwachpunkte sind uns natürlich bekannt. Vor allem das Thema Effizienz sehen wir ganz vorne und ohne Sorge. Wir sind eben noch eine sehr junge Lichtquelle, aber wir wissen auch, was wir in der Pipeline haben. Von daher kann ich sagen, dass wir den LED-Werten mit gut 3 bis 5 Jahren folgen. Oder im Umkehrschluss – die Werte, die heute bei LED-Lösungen Standard sind, werden wir in gut drei Jahren erreichen.“
Die ehrgeizigen Ziele der Philips-OLED-Sparte stehen in einer bis ins Jahr 2018 reichenden „Roadmap“ (pdf-Download). Danach soll die für Beleuchtungszwecke gedachte „Performance Line“ (keine spiegelnden Oberflächen) bereits 2015 eine Effizienz von mehr als 90 Lumen pro Watt erreichen. Der angestrebte Farbwiedergabeindex liegt bei über CRI 92 (eine traditionelle Glühlampe schafft glatte 100), die veranschlagte Lebensdauer (bis 70% des Anfangs-Lichtstroms) bei 20.000 Leuchtstunden.
Sehr vielversprechend ist auch der Blick auf 2018: Dann sollen die Werte bei 130 lm/W, CRI >95 und 40.000 Stunden (L70B50) liegen. Diese Zukunftsaussichten decken sich ziemlich gut mit meiner Vorhersage im Fazit des Beitrags.
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Sehr interessante Beiträge! Ich bin mir sicher: Viele Mitarbeiter benannter Unternehmen/Firmen könnten sich hier auch an Wissen festigen/zulegen, was selbst von den eigenen Firmen nicht zur Verfügung gestellt wird – es sei denn, man hat DIREKT mit den einzelnen Produkten zu tun!
Weiter so und vielen Dank für diese reichhaltigen und informativen Informationen!
D.