Licht-Zukunft mit LED und OLED: Zauberwort „Integration“

Lampen- und Leuchtenhersteller können in Zukunft noch weniger solo vor sich hin wursteln als bisher. Die weitreichenden Möglichkeiten der LED-Technik entfalten sich nämlich nur im engen Zusammenspiel mit der Architektur und Möblierung von Gebäuden, Wohnungen, Büros und Produktionsstätten. Beleuchtungs-Integration spielt deshalb eine immer größere Rolle; der simple und teils ineffiziente Austausch von herkömmlichen Lampen wird langfristig an Bedeutung verlieren.
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Entwurf von „Haworth“ und Philips für einen „MeetYou“-Treffpunkt mit Raumteilern und integrierter Beleuchtung – zum Beispiel innerhalb eines Großraumbüros (oben, Grafik: Philips-PR). Und so sah ein praktisches Beispiel von „Haworth“ auf der „Orgatec“-Messe Ende Oktober aus (unten rechts, Foto: Haworth-PR):

Haworth/Orgatec2Zur Zeit dominiert noch die „Retrofit“-Idee auf dem LED-Beleuchtungsmarkt (und bei uns zuhause): Alte, stromfressende Lampen ‚raus, neue effiziente LED-Leuchtmittel mit den gleichen Sockelnormen ‚rein. Dieser Ansatz ist simpel, meist ohne große Probleme auch von Laien beherrschbar und deshalb ein wichtiger Weg in den „Mainstream“. Optimal ist er deshalb aber noch nicht.

In vielen Fällen unterscheiden sich LED-„Retrofits“ auffallend von traditionellen Glüh- und Halogenlampen: Sie sind weitaus teurer, häufig größer, schwieriger oder gar nicht zu dimmen; ihr Lichtkegel ist enger und klarer definiert, Helligkeit, Farbtemperatur und -treue lassen teils zu wünschen übrig, es gibt Überhitzungsprobleme in engen Fassungen oder durch schlechtes Kühlmanagement, sie können wegen minderwertiger Elektronik vorzeitig ausfallen.

Technik von heute in Fassungen von vorgestern

Das Grundproblem: Natürlich wurde keine der gängigen Fassungsnormen wie E27, E14 und GU10 für LED-Beleuchtung entworfen – teils stammen sie ja noch aus dem 19. Jahrhundert. Analog könnte man genau so gut versuchen, einen 8-Zylinder-Ferrari-Motor in einen Benz-Patent-Motorwagen einzubauen – das spektakuläre Scheitern wäre garantiert. Umgekehrt wäre auch ein Ferrari 458 nicht besonders spritzig mit einer Bollée-Dampfmaschine im Motorraum.

Die Lösung: Wir passen nicht die neue Technik an die alte an, sondern erfinden neue Lösungen für die Möglichkeiten der LEDs und OLEDs. Es gibt in Zukunft keine technische Notwendigkeit mehr für rundstrahlende „Insel“-Leuchten mit Edison-Fassungen oder Deckenstrahler mit GX53– oder GU10-Bajonettverschlüssen. „Integration“ heißt stattdessen das Zauberwort: LED-Chips primär zur Erzeugung von gerichtetem Licht und OLED-Panels für flächige Beleuchtung werden zum Bestandteil der Innenarchitektur – entweder mit speziell gestalteten Leuchten oder komplett integriert in Möbel, Wände, Decken und Fußböden.

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Oben: Philips-„Ledino“-Leuchte mit drei integrierten LED-Modulen à 7,5 Watt (Foto: W. Messer). Unten rechts: „Moorea“-OLED-Tischleuchte von Philips (PR-Foto: Philips-Lumiblade).
Philips-Moorea klein
Das alles gibt es heutzutage schon; zahlreiche Designer liefern wundervolle Ideen und einige Hersteller setzen diese auch kongenial um. Das neueste Beispiel können Sie nächste Woche (23. bis 27. Oktober) in Köln bei der Messe „Orgatec – Modern Office & Object“ bewundern. Der Stand des US-Büromöbelherstellers „Haworth“ in Halle 6.1 erstrahlt komplett im Licht des niederländischen Philips-Konzerns und demonstriert die Integration von Licht in das Raumgliederungssystem „MeetYou“ sowie das Marktforschungsprojekt „Licht als Teiler“, bei dem Sichtschutzvorrichtungen mit integrierten LEDs gestaltet werden.

Die Kooperation von Philips und „Haworth“ ist langfristig angelegt. Diese Woche teilten die beiden Unternehmen mit, dass sie in den nächsten Jahren gemeinsam neue Beleuchtungs- und Möbellösungen für den europäischen Markt auf den Weg bringen wollen. Die Partnerschaft werde sich außerdem „auf die zukunftsorientierte Forschung in den Bereichen Bürogestaltung und Beleuchtungstrends konzentrieren“. Gemeinsam würden konkrete Lösungen wie „Lounge-Möbel und Sichtblenden mit integrierter LED-Beleuchtung“ entwickelt und „dadurch effektivere und ästhetische Büroräume“ geschaffen.

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Beispiel für ein Schreibtisch-Ensemble mit LED-beleuchtetem Teiler von „Haworth“ auf der „Orgatec“: Die Plexiglas-Paneele sind in ausgeschaltetem Zustand transparent und verwandeln sich erst mit aktivierten „Lumileds“-Dioden zu dezenten Sichtblenden. Das Licht hat eine Farbtemperatur von 4000 Kelvin und kann stufenlos zwischen 5 und 40 Watt Leistungsaufnahme gedimmt werden. (Foto: Haworth-PR)

Zahlreiche Kooperationen denkbar

Das alles wäre weder von einem Möbelhersteller noch von einem Lampenfabrikant im Alleingang zu stemmen; wir werden also in Zukunft mehr solcher Kooperationen sehen – natürlich nicht auf den Bereich „Büromöbel“ beschränkt. Anbieter von Passiv-(Fertig-)Häusern könnten in Zusammenarbeit mit LED-Firmen ihren Bauherrn integrierte Beleuchtungslösungen mit intelligenter Steuerung ans Herz legen, Großschreinereien Holzpanele mit eingebauten Leuchtflächen anbieten, Betten-Designer ihre Schlafstätten zu multifunktionalen Lichtinseln machen, Trockenbauer komplette Wand- und Deckenelemente anschlussfertig mit Beleuchtung ausstatten.

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Mein in die Studiodecke integriertes, fernbedienbares 72W-LED-Panel von „Lumitronix“ mit 5400 Lumen Lichtstrom. (Foto: W. Messer)

Langfristiges Ziel wird dabei ein vollintegriertes LED/OLED-Konzept für Häuser, Wohnungen etc. sein, das über die vernetzte Haustechnik digital und detailliert gesteuert werden kann – auch drahtlos aus der Ferne. Technisch machbar ist das großteils schon, bezahlbar und praktikabel aber noch lange nicht. Jede Integrallösung steht und fällt nämlich mit den Kosten und der Zuverlässigkeit der verbauten Teile.

Wer etwa vor zwei Jahren eine Leuchte mit integrierten, nicht vom Anwender auswechselbaren LED-Modulen gekauft hat, der könnte sich heute eventuell in den Allerwertesten beißen – entweder, weil sich bereits Bauteile ins Jenseits verabschiedet haben, oder weil es inzwischen wegen der rasanten technischen Entwicklung weit Besseres und Helleres für weniger Geld gäbe.

Integration allein genügt nicht

Ein Ansatzpunkt zur Auflösung dieses Dilemmas ist die leichte Auswechselbarkeit von integrierten LED-Modulen und -Treibern. Der herstellerunabhängige „Zhaga“-Standard mit rund 260 Mitgliedsfirmen seines Konsortiums verspricht genau das – mit exakt definierten Schnittstellen zwischen Modulen, Verbindungskabeln und Vorschaltelektronik. Theoretisch wäre es also möglich, ein „kalt-weißes“ LED-Panel mit beispielsweise 1200 Lumen Lichtstärke und einem Farbwiedergabeindex CRI/Ra 80 noch nach Jahren zu einem „warm-weißen“ Licht mit doppelter Helligkeit und CRI/Ra >90 umzuwandeln. (Update 22.10: Inzwischen wurden Teile der Interface-Spezifikationen auch den Nicht-Mitgliedern des „Zhaga“-Konsortiums zugänglich gemacht.)

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Ein anderer Ansatz wäre aber ebenfalls ganz okay und käme auch dem gesamten LED-Markt zugute: Einfach nur „erste Sahne“-Bauteile für integrierte Leuchten verwenden und auf eine Lebensdauer von mindestens 20 Jahren auslegen – das würde das Vertrauen der Verbraucher in die neue Technik stärken und größere Erstinvestitionen rechtfertigen. Schließlich käme durch die rund 80prozentige Energieersparnis bei den stetig steigenden Strompreisen trotzdem langfristig ein satter Gewinn für den Käufer ‚raus – ganz abgesehen vom Komfortzuwachs.

Siehe dazu auch: „Simple product design for simple folk“ (Thomas Wensma in „mondo*arc“, April/Mai 2012)

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