Welche Art von Chips sollten in einer hochwertigen LED-Lampe sein? Wie muss das damit erzeugte Licht aussehen, um die breite Masse der Kundschaft zufrieden zu stellen? Sollte eine LED-Lampe in der Lage sein, verschiedene Farbtöne zu erzeugen – etwa beim Dimmen oder gar durch digitale Lichtsteuerungssysteme? Umfassender gefragt: Was macht eine neu entwickelte LED-Lampe zu einer wirklich tollen Produktinnovation?
Um solche Fragen kreiste Anfang der Woche eine längere Twitter-Diskussion mit dem Amsterdamer „Botschafter des Lichts“ und Designer Thomas Wensma anlässlich der Präsentation des „hue“-Konzepts. Obwohl Wensma seinen Landsleuten von Philips durchaus freundschaftlich verbunden ist, zeigte er sich bei der Beurteilung ziemlich kritisch und schien vor allem von den „hue“-LED-Lampen (Philips-PR-Bild rechts) nicht sehr überzeugt zu sein:
Wifi enables lighting is a good thing though….but the product solution. Not loving it
— Thomas Wensma (@thomaswensma) Oktober 30, 2012
The Philips Hue will do funky colours okay, but high quality white light will not be possible as it has to do RGB mixing
— Thomas Wensma (@thomaswensma) Oktober 30, 2012
Die drahtlose Steuerung, so Wensma, sei an sich prima, aber die konkrete Produktlösung möge er nicht besonders. Die mit insgesamt elf RGB-LEDs ausgestatteten 600-Lumen-Lampen könnten zwar tolle Farben erzeugen, wirklich hochwertiges warm-weißes Licht sei mit einem RGB-Mix jedoch nicht machbar.
CRI-Werte und Spektralverteilung
Tatsächlich dachte ich bisher auch, dass die anfangs sehr verbreiteten RGB-Lampen eine immer kleinere Rolle für die weiße LED-Allgemeinbeleuchtung spielten, weil „weiße“ (tatsächlich sind es gelb beschichtete blaue) LEDs inzwischen weit bessere Glühlampen-ähnliche Farbtöne liefern können. Philips kontert diesen Einwand damit, dass seine neuen „hue“-Lampen durchaus mit sehr schönen weißen Farbtemperaturen zwischen 2000 und 6500 Kelvin leuchten könnten. Zwischen 2700 und 3000 Kelvin werde sogar ein hervorragender Farbwiedergabeindex über CRI 90 erreicht.
Wensma schrieb mir auf diesen Hinweis zurück:
Lighting experts know that CRI doesn’t say that much at all about colour rendering for LED … I’m notting hating on the product but every consumer I talk to says they want warm white light just like an incandescent … that is about spectral power densities.
Lichtexperten wüssten, dass der CRI-Wert nicht besonders viel über die tatsächliche Farbwiedergabe einer LED-Lampe aussage (stimmt, das hatte ich in diesem Blog schon mehrfach ausführlich beschrieben). Prinzipiell habe er auch nichts gegen das Produkt; aber jeder Verbraucher, mit dem er bisher gesprochen habe, verlange „warmes“ weißes Licht wie das einer herkömmlichen Glühlampe. Und dabei gehe es um die Verteilung der Energie über das sichtbare Wellenlängen-Spektrum.
Wie flexibel müssen LED-Lampen sein?
Spätestens hier galoppiert die Diskussion ins Grundsätzliche. Muss eine LED-Lampe/-Leuchte tatsächlich all das können, was eine Glühlampe kann (und vielleicht auch noch mehr)? Wenn ich dazu zwei Leute befrage, kriege ich mindestens drei Meinungen. Haushalte in Asien lieben neutral- bis kaltweiße Farbtöne, in Europa ist solches Licht höchstens im Büro oder der Produktionshalle gefragt, viele hätten gerne „auf Befehl“ verschiedene Lichtfarben – je nach Tageszeit, Anforderung und Stimmung.
Im Innern einer LEDON-„Sunset Dimming“-Lampe arbeiten vier rote und vier gelb beschichtete LEDs sowie eine „bernsteinfarbene“. Auf der untersten Dimmerstufe (Bild rechts unten) leuchtet nur noch nur noch sie. (Fotos: LEDON-PR/W. Messer)
Tatsächlich hat jeder Hersteller verschiedene Ansätze, den Gordischen Knoten aufzulösen, die aber meistens was mit einer Kombination aus verschiedenfarbigen und/oder unterschiedlich beschichteten blauen LED-Chips zu tun haben: Da leuchten mal ein paar rote LEDs zusammen mit den üblichen weißen, um „wärmere“ Farbtöne zu erzeugen (z. B. LEDON, „Delock Lighting“), da wird zusätzlich eine „bernsteinfarben“ beschichtete LED angesteuert, um das Dimmverhalten einer Glühlampe zu imitieren (LEDON „Sunset Dimming“ – dort landete man bei der Entwicklung mit nur „rot“ und „weiß“ in einer Sackgasse), oder man versucht, die gewünschte Farbtemperatur mit einer einheitlichen, aber besonders ausgeklügelten Luminiszenzkonversions-Beschichtung für alle verbauten Chips zu erreichen (z.B. „LED’s change the world“).
Keine kann wirklich alles
Und jetzt auch noch Philips mit seinem leicht abgewandelten RGB-Prinzip, bei dem neben dem üblichen Königsblau auch rot-orangene Chips und eine exklusiv von Konzerntochter „Lumileds“ entwickelte neue LED-Farbe namens „Limonengrün“ zum Einsatz kommen. Wer hat denn nun Recht? Nach meinen Erfahrungen mit zahlreichen LED-Lampen- und Leuchtentypen weiß ich, dass es bisher noch keine „eierlegende Wollmilchsau“ gibt. Die „hue“-Lampe von Philips (Einzelpreis 59 Euro) wird’s auch nicht sein, obwohl es sie ab 2013 in weiteren Sockel- und Leistungsversionen geben soll.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang übrigens, was Philips selbst in seiner (schon etwas älteren) „LED-Online-Schulung“ behauptet:
Halten wir also fest: Jedes LED-Modell hat seine Stärken und Schwächen und keines kann ein vollwertiger Ersatz für alle bisherigen Lampentechnologien an jedem Platz eines Hauses sein. Muss es auch nicht, denn ein auf LED-Beleuchtung umgestellter Haushalt nutzt dann eben eine größere Palette verschiedenartiger Lichtquellen, als es früher allein mit Glüh- und Halogenlampen der Fall war.
Die Ansprüche ändern sich
Parallel zu dieser Umstellung entwickeln sich allerdings auch die Ansprüche und die subjektive Wahrnehmung. Man gewöhnt sich häufig nach einer gewissen Zeit an neue Farbtemperaturen und Spektralverteilungen des Lichts in der Wohnung – genau so wie an den gesunkenen Strombedarf, die geringere Hitzeentwicklung und die längere Lebensdauer der LED-Leuchtmittel. Mir kommen nach fast drei Jahren intensiver LED-Nutzung manche herkömmliche Glühlampen inzwischen fast unangenehm „rot- oder gelbstichig“ vor, obwohl sie die altgewohnten Farbtemperaturen um 2700 Kelvin und einen idealen Farbwiedergabeindex von CRI 100 haben.
Umgekehrt würden zum Beispiel diverse Hotels und Gastronomiebetriebe, die vor Jahren aus Sparsamkeit billige Kompaktleuchtstofflampen mit wirklich fiesen Farbtönen in die Fassungen geschraubt haben, enorm von einer Umrüstung auf ordentliche LED-Technik profitieren. Ich mag in keinem Restaurant essen, in dem Bahnhofshallen-Atmosphäre herrscht und das Steak auf dem Teller wie eine Wachsleiche auf dem Pathologietisch aussieht. Nein, an solches Licht kann ich mich nicht gewöhnen.
„Badge-Engineering“ könnte helfen
Dort scheitert eine umfassende Umstellung aber häufig an den Kosten, weil sie teils hunderte Leuchten betrifft. Wir müssen also auch über die Finanzen reden bei der Diskussion zur Zukunft der LED-Allgemeinbeleuchtung. Preisgünstig wird nämlich eine hochwertige LED-Lampe nur dann, wenn die Bestandteile möglichst normiert und in großen Stückzahlen produziert werden können.
Ideal wäre ein „Badge-Engineering“, bei dem wenige ausgewählte Produzenten nach entsprechenden Vorgaben die gesamten „Innereien“ einer Lampe herstellen, die dann von verschiedenen Firmen vervollständigt, angepasst und unter ihrem jeweiligen Markennamen vertrieben werden kann. In vielen Branchen (etwa Autos, Haushaltsgeräte, Textilien, Musikinstrumente) macht diese Produktionsweise seit vielen Jahren die Mehrheit des Gesamtmarkts aus, große Teile der LED-Wirtschaft funktionieren ebenfalls schon auf diese Art.
Ein solches „Baukastensystem“ würde es ermöglichen, einem „Allround-Talent“ sehr nahe zu kommen und trotzdem bezahlbar zu bleiben. Beispiel gefällig? Schauen Sie sich mal dieses Multi-LED-Modul an:
Frisch auf den Markt gekommen: Ein Multicolor-LED-Modul der Serie „XLamp XM-L“ des US-Produzenten „Cree“. (Foto: Cree-PR)
Vier verschiedene, einzeln ansteuerbare LED-„Dies“ sind hier auf einem Bauteil mit einer Grundfläche von 5 x 5 mm versammelt. Bis zu 89 Lumen Lichtstrom liefert die königsblaue LED, 214 Lumen die grüne, 229 Lumen die rote und 272 Lumen die (gelb beschichtete) weiße. Laut US-Hersteller Cree ist die „XLamp XM-L“ mit ihren insgesamt 804 Lumen bei 1 Ampère Stromstärke das hellste und kleinste LED-Modul ihrer Leistungsklasse. Und dann steht noch was in der Pressemitteilung, mit dem wir die Kurve zu meinem Thema kriegen:
Entwicklern von Beleuchtungssystemen steht somit eine optische Quelle zur Verfügung, die ein effizientes Mischen von Farben, einen einfacheren Systemaufbau und eine exzellente optische Kontrolle bietet.
Selbst wenn wir hier das Marketing-Sprech abziehen, bleibt eine Erkenntnis: Es existieren bereits leistungsfähige Multi-LED-Module (übrigens nicht nur von Cree), die über das RGB-Prinzip hinaus gehen und zusätzlich das gute alte „Weiß“ anbieten. Wäre das ein möglicher Weg zu „best of both worlds“? Etwa, wenn ein schlauer Lampenentwickler vier von diesen Dingern in ein Gehäuse packt (braucht mit insgesamt 2 x 2 cm Grundfläche nicht viel Platz), eine intelligente Ansteuerung dazu, eventuell auch ein ZigBee-LightLink-Modul und das ganze Zeug dann Zhaga-kompatibel miteinander verbindet?
Multitalent für RGB und weiß
Im Handumdrehen wäre so eine fernsteuer- und dimmbare LED-Lampe geboren, die einerseits wie eine herkömmliche 60-Watt-E27-Glühlampe leuchten, andererseits aber auch Millionen Farbtöne erzeugen und durch dynamische Ansteuerung der einzelnen LEDs beim Dimmen ihre Farbtemperatur in Richtung „warm-rötlich“ verändern könnte. Klingt erstmal teuer, muss es aber durch das Baukastensystem und bei hohen Stückzahlen nicht sein.
Die gleichen Module könnte ein anderer Hersteller mit einer einfacheren Elektronik ohne dynamische Ansteuerung kombinieren und das Funkmodul weglassen. Dann entstände eine gewöhnliche, günstige „Retrofit“-Lampe, die allerdings durch geschickte Kombination der vier LED-Farben einen außergewöhnlich guten Farbwiedergabeindex von über CRI 90 mit sehr guten Einzel-Parametern bei den verschiedenen Farbtönen erzielen könnte. Sicherlich wäre auch Thomas Wensma mit solch einem LED-Licht zufrieden.
Neue, bezahlbare Flexibilität
Oder wir basteln was für die zehn Strahler im Partykeller: Zwei Multicolor-LED-Module nebeneinander in einen GU10-Spot, Trafo, Treiber und ZigBee-Modul ‚rein; als Zubehör ein Steuerkästchen mit Interface für die HiFi-Anlage und fertig ist eine automatische Lichtorgel, die natürlich auch manuell geregelt werden kann. Gesamtpreis für zehn Spots inklusive Steuerung: Unter 200 Euro – so viel wie heute ein „hue“-Starter-Set mit nur drei Lampen und einer „Smartbridge“ kostet. Man wird ja mal träumen dürfen. Und was wäre Ihre Idee?
Der herstellerunabhängige, teils sogar offene Zhaga-Standard für die Verbindungen der einzelnen Lampenbestandteile sowie die immer leistungsfähigeren Multi-„Die“-Module eröffnen jede Menge Möglichkeiten für eine neue, bezahlbare Flexibilität und Wertigkeit von LED-Beleuchtung. Das sollten die Unternehmen ohne falschen Stolz in enger globaler Kooperation nutzen. Und wer dann immer noch in seine Vorschaltelektronik billige Kondensatoren einbaut, die spätestens nach einem Jahr ausgetrocknet sind, kriegt von mir eine gescheuert.
Siehe dazu auch: „Simple product design for simple folk“ (Thomas Wensma in „mondo*arc“, April/Mai 2012)
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