Keine EU-Messvorgaben: Wie schaltfest sind LED-Lampen?

Eigentlich sollte alles prima funktionieren: Eine EU-weite Regelung verbannt seit drei Jahren stufenweise (jeweils ab 1. September) die stromfressenden „Glühbirnen“ aus den Läden und ebnet technisch fortschrittlicher und erheblich effizienterer Beleuchtung den Weg – zum Beispiel durch möglichst exakte und verbraucherfreundliche Vorgaben für LED-Lampen. Soweit die Theorie – die Realität sieht leider anders aus. 

Glühlampe/LED-Kerze
Eine klare 40W-Glühlampe (links) und eine stromsparende, nur 5 Watt starke LED-„Kerze“ aus dem LEDON-Sortiment. (Fotos: W. Messer)

Die EG-Verordnung Nr. 244/2009 der EU-Kommission vom 18. März 2009 „zur Durchfu?hrung der Richtlinie 2005/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Haushaltslampen mit ungebündeltem Licht“ klingt nicht nur sperrig, sie ist es auch in einigen Punkten. So nutzen einige Anbieter offensichtliche Schlupflöcher oder unklare Formulierungen, um trotz bestehender und zukünftiger Herstellungs- und Vertriebsverbote weiterhin ganz legal ineffiziente Glühlampen anzubieten – etwa durch Deklarierung als „Speziallampen“, die von der Verordnung ausgenommen sind (der „Spiegel“ hat diese längst bekannte Tatsache in seiner aktuellen Ausgabe Nr. 32 auf Seite 13 unter dem Titel „Helle Freude“ aufgearbeitet).

Es gibt aber auch Ungereimtheiten in Sachen „LED-Beleuchtung“. Einerseits liefert die Verordnung genaue Vorgaben zur Veröffentlichung von Leistungsdaten und der entsprechenden Verpackungsbeschriftung von rundstrahlenden „Retrofit“-Lampen, andererseits scheint es teilweise an exakten Richtlinien zu deren Ermittlung zu fehlen.

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Umfangreiche Liste von Pflichtangaben

In der Pflichtdatenliste für die Verpackung von „Haushaltslampen mit ungebündeltem Licht“, die seit September 2010 gültig ist, steht unter anderem:

  • Wird die Nennleistungsaufnahme der Lampe getrennt vom Energieetikett nach Richtlinie 98/11/EG angegeben, so ist der Nennlichtstrom ebenfalls getrennt anzugeben, und zwar in einer Schrift, die mindestens doppelt so groß ist wie die für die Angabe der Nennleistungsaufnahme verwendete Schrift;
  • Nennlebensdauer der Lampe in Stunden (nicht größer als die Bemessungslebensdauer); Zahl der Schaltzyklen bis zum vorzeitigen Ausfall;
  • Anlaufzeit bis zur Erreichung von 60 % des vollen Lichtstroms (die Angabe „keine“ ist zulässig, wenn diese Zeit kürzer als 1 s ist);
  • wird auf der Verpackung die Leistungsaufnahme einer äquivalenten herkömmlichen Glühlampe (auf 1 W gerundet) angegeben, so gelten die in Tabelle 6 angegebenen Äquivalenzwerte. Zwischenwerte für Lichtstrom und Leistungsaufnahme der herkömmlichen Glühlampe (auf 1 W gerundet) sind durch lineares Interpolieren zwischen benachbarten Werten zu ermitteln.

EU-Lumen-Vergleichstabelle
Ausschnitt aus der Lumen-Vergleichstabelle in der EU-Verordnung

LEDON-Spot-PackungNeben diesen Vorgaben für die Verpackungsbeschriftung (im Bild rechts die Seitenansicht einer vorbildlichen Packung des österreichischen LED-„Retrofit“-Spezialisten LEDON) fordert die Verordnung aber auch die Bereitstellung von Daten „auf frei zugänglichen Internetseiten“. Dazu gehören mindestens die Werte, die auch auf der Packung zu stehen haben, sowie:

  • Bemessungsleistungsaufnahme (auf 0,1 W genau)
  • Bemessungslichtstrom
  • Bemessungslebensdauer
  • elektrischer Leistungsfaktor der Lampe
  • Lampenlichtstromerhalt am Ende der Nennlebensdauer
  • Zündzeit in der Form X,X s
  • Farbwiedergabe

Legal? Illegal? Uns doch egal!

Wenn Sie ab und zu mal mal durch diverse Online-Shops surfen (auch den eines schwedischen Möbelhauses) oder regelmäßiger Leser dieses Blog sind, dann wissen Sie: Vielen Anbietern –  vor allem Discountern und Baumarktketten  – gehen diese Vorschriften am Allerwertesten vorbei. Bei zahlreichen Produkten finden Sie die meisten Pflichtangaben zwar noch auf der Packung, aber im jeweiligen Internetangebot nur unvollständig oder gar nicht.

In einigen Fällen ist das Verschweigen der wichtigen Produkteigenschaften sogar völlig legal – etwa bei LED-Lampen mit mehr oder weniger gebündeltem Licht (Spots und Strahler) oder bei kompletten Leuchten, bei denen die LED-Module integraler Bestandteil sind und nicht in auswechselbaren Lampen stecken. All diese Lichtquellen werden von der Verordnung überhaupt nicht erfasst (sollen Sie nun doch ab dem 1.9.2013, siehe Update am Ende des Beitrags).

Keine Anforderungen für LED-Lampen?

Der Teufel steckt aber bereits in einem anderen Detail. Gucken Sie sich mal diesen Verordnungsabschnitt an und versuchen Sie, daraus schlau zu werden:

ANFORDERUNGEN AN DIE BETRIEBSEIGENSCHAFTEN VON LAMPEN
Die Anforderungen an die Betriebseigenschaften von Kompaktleuchtstofflampen sind in Tabelle 4 wiedergegeben. Für andere Lampen als Kompaktleuchtstofflampen und LED-Lampen sind diese Anforderungen in Tabelle 5 wiedergegeben.

Es gibt also eine Tabelle für Kompaktleuchtstofflampen (die übrigens nicht als „Energiesparlampen“ bezeichnet werden dürfen, wenn sie schlechter als Energieeffizienzklasse A sind) und eine Tabelle für alle Lampen außer Kompaktleuchtstofflampen und LED-Lampen. Und wo ist eine Tabelle für LED-Lampen? Tut mir leid, ich habe keine gefunden in der Verordnung. In der Tabelle 5 gibt es zwar unter anderem Vorgaben für die Schaltfestigkeit von Kompaktleuchtstofflampen und die entsprechende Messprozedur …

Um zu prüfen, wie oft eine Lampe ein- und ausgeschaltet werden kann, bis sie ausfällt, ist sie abwechselnd 1 Minute ein- und 3 Minuten auszuschalten; die übrigen Prüfbedingungen werden nach Anhang III festgelegt. Zur Ermittlung der Lampenlebensdauer, des Lampenlebensdauerfaktors, des Lampenlichtstromerhalts und des vorzeitigen Ausfalls ist der Standard-Schaltzyklus gemäß Anhang III zu verwenden.

… das muss LED-Lampenhersteller und -Konsumenten aber alles nicht interessieren, weil es – wie beschrieben – nur Kompaktleuchtstofflampen betrifft.

Die hier vorgeschriebene Art der Messung wäre ohnehin völlig praxisfremd für LED-Lampen. Wenn ein Modell für mindestens 20.000 Schaltvorgänge und 6000 Stunden Brenndauer ausgelegt wäre (das sind z. B. die Vorgaben für die „Richtlinie UZ 74“ des österreichischen Umweltzeichens für Lampen), würde die Schaltprüfung fast zwei Monate dauern. Außerdem müssten bei einem „1-zu-1“-Test (wie gerade erst vom US-Energieministerium mit 200 „L-Prize“-Lampen von Philips) weitere Prüfexemplare über acht Monate lang ununterbrochen leuchten, bevor sie auf den Markt gebracht werden könnten. Bis dahin wären sie beim rasanten Entwicklungstempo der LED-Branche jedoch schon veraltet.

„Jeder schreibt drauf, was er will“

Deshalb behelfen sich die seriösen Entwickler mit komprimierten Belastungstests unter besonders harten Bedingungen und rechnen die Ergebnisse auf den normalen Haushaltseinsatz hoch. Osram gibt beispielsweise in seinen Datenblättern Ein- und Ausschalt-Testphasen von jeweils 30 Sekunden an (also eine Minute für einen kompletten Schaltzyklus) und garantiert eine Schaltfestigkeit von mindestens 100.000, teils sogar von bis zu einer Million.

Unseriöse Hersteller sparen sich solche Prüfungen und veröffentlichen stattdessen offensichtlich ausgewürfelte Phantasiewerte, die der harten Realität häufig nicht mal annähernd standhalten. Ein Experte eines namhaften Beleuchtungsherstellers, der nicht genannt werden will, hat mir auf Anfrage das Unglaubliche bestätigt:

Die Regularien zu verschiedenen Angaben bei LEDs wie der „Lebensdauer“ sind noch nicht auf dem Niveau, dass sie Verbrauchern wirklich Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit/Orientierung erlauben. Beispielsweise müssen Hersteller zur Berechnung der Lebensdauer nicht die Anzahl der Schaltvorgänge berücksichtigen. Außerdem wenden die Hersteller unterschiedlich harte Kriterien an, wie viele Schaltzüge ihre LED-Lampen tatsächlich aushalten. Das Problem ist, dass es einfach noch keine klare Regulation gibt. Nach dem, was an Infos hier herumgeistert, schreiben die Hersteller derzeit auf die Verpackungen, was sie wollen – besonders in Sachen Lebensdauer.

Kaum zu fassen: Einerseits reguliert die EU-Verordnung bis auf’s Kleinste alle möglichen Pflichtangaben für LED-Lampen, andererseits ist bei deren Ermittlung bis jetzt noch totale Willkür erlaubt. Solche legalisierten „Wildwest“-Methoden lassen den Konsumenten völlig im Dunkeln und in so manche Billigschrott-Falle tappen. Soll er nun glauben, was ihm die Hersteller für ihre teils noch sehr teuren LED-Lampen versprechen – alles Mögliche zwischen 15.000 und einer Million Schaltvorgängen und zwischen 10.000 und 100.000 Brennstunden?

Sind LED-Lampen schon nach zwei Jahren tot?

Und so hat auch schon der eine oder andere meiner Blog-Leser in den Kommentaren gefragt, ob er eine bestimmte LED-Lampe tatsächlich beispielsweise für seine Badbeleuchtung einsetzen könne:

… die Lampe hat – laut Herstellerangaben – ein Problem: Die Schaltfestigkeit, nur 15000 Schaltvorgänge! Gerade LED werden doch oft da verwendet, wo man oft schaltet und sofort volles Licht braucht. In einem Familienhaushalt kann so eine Lampe locker 20-30mal am Tag eingeschaltet werden (Flur, Küche, Bad), so dass die 15.000 Schaltvorgänge schon nach 1-2 Jahren erreicht werden und die Lampe dann völlig verfrüht, lange vor den 25.000 Leuchtstunden der LED, ablebt. Ich meine, eine gute LED muss 10.000 Schaltvorgänge pro Jahr vertragen, über ihre gesamte anvisierte Lebensdauer.

Ja, das sollte sie – und vermutlich tut sie das auch, selbst wenn die garantierte Zahl der Schaltvorgänge deutlich niedriger ist. Seriöse Hersteller geben hier nämlich eher konservative Mindestwerte an, obwohl es natürlich – etwa wegen Produktionsfehlern und Qualitätsschwankungen der Bauteile  – auch bei ihnen immer mal wieder einzelne „Ausreißer“ nach unten geben kann.

Darauf sollten Sie achten

Vier gute Anhaltspunkte gibt es derzeit für LED-Käufer:

  • Die Lampe kommt von einem renommierten Hersteller mit Kundendienst/Vertretung im Land des Käufers
  • Die Garantie- bzw. Gewährleistungszeit ist länger als die in Deutschland gesetzlich geforderten zwei Jahre
  • Die Lampe wurde bei mir im Blog gelobt und noch nicht als Ausfallkandidat geoutet

Alles andere ist leider „Stochern im Nebel“ mit entsprechendem Risiko oder eine Gedulds- und Kostenfrage (wenn Sie selbst auf eigene Kosten einen Langzeittest machen – so wie ich es seit über drei Jahren mit zahlreichen Lampen- und Leuchtenmodellen tue). Wie in viel zu vielen anderen Produktbereichen gilt auch für den LED-Beleuchtungsmarkt: „Kundendienst“ bedeutet häufig, dass der Kunde den Dienst macht.

Ein kleines Fünkchen Hoffnung gibt es dennoch: Gerüchteweise wird zur Zeit an einer europaweiten Richtlinie für die Ermittlung der Leistungsdaten (auch der Lebensdauer) von LED-Lampen gearbeitet – falls nicht bei der EU-Kommission in Brüssel, dann eventuell bei der European Lamp Companies Federation (ELC), einer Vereinigung der führenden Lampenhersteller Europas, die etwa 95 Prozent des gesamten Produktionsvolumens repräsentieren. Es liegt nämlich auch im Interesse der seriösen Industrie, ihrer Kundschaft verlässliche Informationen zu bieten.

Update 21.12.2012: Inzwischen hat die EU-Kommission reagiert und eine neue Verordnung zum Beleuchtungs-Ökodesign auf den Weg gebracht. Deren 1. Stufe gilt ab dem 1. September 2013 und umfasst auch fast alle Arten von LED-Lampen und -Leuchten.

Weitere Beiträge zum Thema:

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6 Gedanken zu „Keine EU-Messvorgaben: Wie schaltfest sind LED-Lampen?

  1. Dann sollten aber auch gleich noch Sanktionen (bspw. Lieferembargo inkl. öffentlicher Bekanntmachung) gegen Anbieter vorgesehen werden, die ihren Kunden diese Informationen vorenthalten. Und ein Mechanismus, dass diese Sanktionen auch wirklich vollstreckt werden können (Ausweitung des Embargos auf dagegen verstoßende Zwischenhändler).

  2. @Rolf: Wenn ich LED-Lampen-Hersteller wäre und mir eine Discounter-Kette 10.000 Stück abkaufen würde, dann würde ich mich zwar ärgern, wenn dann in deren Werbebeilage bzw. im Online-Angebot nur wenige oder keine Daten drin stehen. Ich würde aber sicher kein „Lieferembargo“ verhängen oder das gar öffentlich bekannt machen, sonst könnte ich mittelfristig meinen Laden zusperren.

  3. Nach meiner Erfahrung wird man nur mit LED-Markenware richtig glücklich, wem das zu teuer ist, der sollte vielleicht besser vorab noch bei Halogen bleiben.
    Ich hatte kürzlich die Osram Parathom A75 zu Hause, ok, die hat mit dem vorbestehenden Dimmer nicht so harmoniert, und da ich den nach 2 Jahren nicht tauschen wollte, habe ich das über 40,- € Teil zurückgesandt (die Lampe selber ist aber gut, also nicht falsch zu verstehen). Dann kam als Gegenvergleich eine MasterLED E27 12W, von der bin hellauf begeistert! Mit Ledon GU10 bin ich auch sehr zufrieden.
    Also etwas anderes als Osram, Philips MasterLED und Ledon fasse ich auch künftig nicht mehr ins Auge.
    Gruß Johannes

  4. @Johannes: Besonders ärgerlich finde ich es halt, wenn Anbieter (Online-Shops, Discounter etc.) hochwertige Marken-LED-Lampen bewerben und nicht in der Lage sind, die vom Hersteller problemlos verfügbaren und vollständigen Daten dann auch bei sich wiederzugeben. Häufig fehlen beispielsweise Lumenangaben, noch häufiger der Farbwiedergabeindex. Einige weitere unrühmliche Beispiele habe ich nun im Artikel verlinkt – unter anderem mit der von Dir angesprochenen 12W-Philips-„Master LED“.

  5. @ Wolfgang:
    Auch wenn es vielleicht für einen LED-Blog nicht ganz passend ist, aber die Frage, ob wirklich in jede kleinste Tischleuchte eine LED rein soll/muss, habe ich mir auch schon gestellt, nicht zuletzt, weil ich mir dort in Kopfnähe immer wieder surrende (Marken)LEDs untergekommen sind. Auch ÖkoTest hat auf eine vorhandene Störstrahlung (wie halt bei Elektronik üblich) in einem Test mal hingewiesen:
    * (Anmerkung d. Red.: Link entfernt, da schon oben im Artikel unter „Öko-Test“ verlinkt) *
    Also, so ganz verteufeln, denke ich, sollte man Produkte wie EcoHalogen deshalb auch wieder nicht, zB. diese ’nur‘ 18W Kugelformlampen:
    http://www.ecat.lighting.philips.at/l/professionelle-lampen/halogenlampen/hochvolt-halogenlampen/ecoclassic-p45/925647344201_eu/
    Der Test ist schon etwas älter, wäre aber interessant, was die einzelnen namhaften Hersteller (Ledon, Osram, Philips) dazu meinen, ob man bedenkenlos jede noch so kopfnahe Leuchte auf LED umrüsten kann bzw. wie streng hier die Grenzwerte hinsichtlich Elektrosmog gesetzt werden.
    Gruß Johannes

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