Skandalös: Die Straße, an der Deutschlands meistgelesenes LED-Blog zuhause ist, wird nachts immer noch von Natriumdampf-Hochdrucklampen erhellt! Aber nicht mehr lange. Mein Heimatort rüstet nämlich dank eines satten staatlichen Zuschusses über 400 Straßenleuchten auf LED-Technik um – ähnlich wie viele andere Kommunen. Dabei genügt es allerdings häufig nicht, die alten Lampen ’raus und neue ’reinzuschrauben.
Integrierter Philips-LED-Leuchtkopf statt Philips-HPS-Lampe mit 110 Watt und E27-Sockel (rechts): Links das Modell „SpeedStar LED“ – eine der möglichen Alternativen bei der Umrüstung von kommunalen Straßenleuchten. (PR-Fotos: Philips Lighting)
In hunderten Straßenleuchten meines Wohnorts Sinzheim (bei Baden-Baden) werkeln noch Natriumdampf-Hochdrucklampen (auch NAV oder HPS genannt) namens „Philips SON-H 110 W“ mit 8000 bis 9600 Lumen, orange-roter Farbtemperatur 2000 Kelvin, einem Farbwiedergabindex von höchstens Ra 25 und vier bis fünf Minuten Anlaufzeit bis zur vollen Helligkeit (Foto links: W. Messer). Für irgendwelche dynamisch-intelligente Lichtsteuerungen taugen sie damit natürlich nicht, zumal ihnen auch die Dimmbarkeit fehlt.
Mit dem Inkrafttreten der dritten Stufe der EU-Ökodesignverordnung 245/2009 am 13. April 2017 dürfen auch sehr effiziente NAV/HPS-Lampen nicht mehr vertrieben werden. Schon im April 2015 traf es einen Teil dieser Natriumdampf-Lampen und fast alle Quecksilberdampf-Leuchtmittel. Ein Nachkauf von defekten Exemplaren ist mittelfristig kaum mehr möglich – also empfiehlt sich die komplette Umrüstung auf modernere LED-Technik.
LEDs sind nicht per se effizienter
Nun sind Leuchtdioden an sich gar nicht mal nennenswert effizienter als rundstrahlende HPS-Lampen, brauchen aber kein leistungshungriges Zünd-Vorschaltgerät, keine Lumen-schluckenden Reflektoroptiken zur gezielten Lichtlenkung, sparen so dennoch Strom und sind somit langfristig umweltfreundlicher.
Kommunen erhalten deshalb dieses Jahr wieder Bundes-Zuschüsse für die LED-Umrüstung ihrer Straßenbeleuchtung. Hier sind regulär maximal 30% Förderquote möglich; bei finanzschwachen Gemeinden können es bis zu 37,5% sein. Anträge im Rahmen der „Kommunalrichtlinie der Nationalen Klimaschutzinitiative“ konnten zuletzt bis Ende März 2016 beim Projektträger Jülich (PtJ) eingereicht werden; weitere Antragsfenster gibt’s vom 1. Juli bis 30. September sowie im ersten und dritten Quartal des nächsten Jahres.
Bei „KInvFG“-Zuschüssen gibt’s mehr Geld
Die badische Gemeinde Sinzheim fand einen anderen, lukrativeren Weg und nutzt eine Förderung, die das baden-württembergischen Finanz- und Wirtschaftsministerium aus einem Sondervermögen des Bundes verteilt. Die Gelder gehen nach dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz (KInvFG) als Pauschalzuwendungen auf Antrag an finanzschwache und vorwiegend kleinere Kommunen – bis 2018 insgesamt 248 Millionen Euro allein in diesem Bundesland für Investitionen in die allgemeine Infrastruktur und die Bildungsinfrastruktur. Im Januar kam der Bescheid über förderfähige Kosten von rund 211.000 Euro in der Gemeinde an – nach Abzug der Nebenkosten standen für die neuen Leuchten rund 204.000 Euro zur Verfügung.
Das deckt zwar nicht die gesamten Umrüstungskosten für die 406 Straßenleuchten inklusive Licht-Berechnung und Erstellung der Ausschreibungsunterlagen; rund zehn Prozent muss die Kommune als Eigenanteil stemmen Das überraschende Ergebnis der Ausschreibung: Die rund 400 „Luma Micro“-Leuchten von Philips kosten deutlich weniger (siehe Update vom 29.07. unten). Dazu kommen in diesem Fall allerdings rund 30.000 Euro Montagekosten, die nicht bezuschusst werden, weil sie beim Eigenbetrieb „Gemeindewerke Sinzheim“ anfallen werden und nicht Teil der Ausschreibung sind. In der Summe kriegt man die Umrüstung mit „KInvFG“-Hilfe jedenfalls weitaus günstiger hin als mit einer Förderung durch die „Nationale Klimaschutzinitiative“.
E27-Retrofit-Austausch prinzipiell möglich
LED-umrüstungswillige Gemeinden könnten es sich einfach machen und beispielsweise mal schnell zu „EuroLighting“ nach Nagold fahren, weil’s dort unter anderem riesige E27-LED-„Cornbulb“-Retrofits für vorhandene Straßenleuchten und Fassungen gäbe (Foto oben: W. Messer). Je nach Modell wäre dank einer speziellen Schutzschaltung nicht mal das Überbrücken der Vorschaltgeräte nötig – wie komfortabel! Diese Spar-Austauschlösung kommt jedoch häufig nicht in Frage, weil es dafür keinen Zuschuss gäbe. Hä? Wieso das denn?
Das „Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz“ beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) beantwortet diese spannende Frage so:
„Aufgrund der Konstruktionsweise von LED-Ersatzlampen (also Lampen, die in bereits bestehende Fassungen eingesetzt werden) haben diese eine zum Teil erheblich abweichende Lichtstärkeverteilung von den Lampen, die sie ersetzen. Sie sind daher auch nicht ideal auf die Leuchtenreflektoren, in die sie eingesetzt werden, abgestimmt.
Zusätzlich besteht die Gefahr, dass nicht alle elektrischen, thermischen und elektromagnetischen Anforderungen bei solch einem Leuchtmittel-Austausch eingehalten werden. Eine ideale Lichtverteilung sowie eine optimale Beleuchtungsstärke können somit nicht garantiert werden und die technische Sicherheit ist nicht gewährleistet. Die vorgegebenen und geplanten lichttechnischen Werte der Beleuchtungsanlage werden somit nicht erreicht.
Hierdurch können sich teilweise erhebliche Abweichungen der Lichtstärkeverteilungen der mit Substitutionsprodukten betriebenen Leuchten gegenüber der ursprünglichen Planung/Auslegung ergeben. Damit können in Teilen die Anforderungen an die Beleuchtung nicht (mehr) erfüllt werden. Eine nicht optimierte bzw. verschlechterte Beleuchtungsqualität soll im Rahmen der Förderung und in Hinblick auf die dafür eingesetzten öffentlichen Finanzmittel im Rahmen der Kommunalrichtlinie unbedingt vermieden werden.
Darüber hinaus weist der Projektträger Jülich darauf hin, dass die Amortisationsdauer bei dem Einsatz von LED-Ersatzlampen (Retrofit-Lösungen) oft sehr kurz ist – in vielen Fällen beträgt sie weniger als zwei Jahre. Eine Förderung im Rahmen der Kommunalrichtlinie ist jedoch nur für Förderschwerpunkte möglich, die längere Amortisationszeiten haben, da sonst Mitnahmeeffekte nicht ausgeschlossen werden können.“
Neue Leuchtköpfe für die alten Masten
„Mitnahmeeffekte“ heißt: Eine Gemeinde könnte mit einem LED-Retrofit-Austausch dank der Zuschüsse vielleicht fast gratis umrüsten und würde außerdem durch die Stromersparnis schon in den ersten Jahren ein Plus-Geschäft machen.
Weil das verhindert werden soll, bleibt vielen Kommunen gar nichts anders übrig, als die kompletten Leuchtköpfe durch neue mit LED-Technik zu ersetzen, die auf die vorhandenen Masten passen (im Bild rechts die Montage einer Philips-„Luma Micro“-Leuchte/Foto: W. Messer). Kostet pro Stück vermutlich mindestens 500 Euro plus Montage.
In Sinzheim sollen die geplanten 210.000 Euro Investitionssumme immerhin für die Umrüstung von rund 400 Straßenleuchten reichen, was einen großen Teil des Orts umfassen würde – auch unsere Straße. In einer Gemeinderatssitzung Ende April wurde eine entsprechende Ausschreibung beschlossen – beschränkt auf Philips-Produkte, weil sie „bereits im Sortiment der gemeindeeigenen Straßenbeleuchtung eingesetzt wurden, um die Lagerhaltung für Ersatzlampen nicht aufzublähen.“
Meines Wissen stellen die Niederländer keine E27-LED-Retrofits (also „Lampen“) mit der benötigten Leistung her. Also kann es nur um integrierte LED-Leuchten gehen, für die es keine „Ersatzlampen“ im herkömmlichen Sinn gibt – eine Lagerhaltung käme hier nur für komplette Leuchtköpfe oder austauschbare LED-Module in Frage.
Die neue Lichtfarbe wird deutlich „kälter“
Zwei Licht-Technologien nebeneinander: Links eine Straßenleuchte mit Natriumdampf-Leuchtkopf, rechts eine umgerüstete mit Philips-„Luma Micro“-LED-Aufsatz. (Foto: W. Messer)
Ich bin allerdings schon sehr gespannt, wie groß die Überraschung sein wird, wenn die Anwohner feststellen, dass selbst die „wärmste“ der von Philips beispielsweise bei der „Luma Micro“-LED-Leuchte verfügbaren Farbtemperaturen (3000 und 4000 Kelvin) noch deutlich „kälter“ strahlt als die „ultra-warmweißen“ 2000 K der bisherigen Philips-Natriumdampf-Hochdrucklampen (siehe Bild oben). Noch gewöhnungsbedürftiger wären die günstigen „ClearWay“-Modelle mit durchweg 4000 K („Neutralweiß“).
Bis die endgültige Leuchten-Wahl getroffen wird, vergeht vermutlich noch eine diskussionsreiche Zeit, in der sicher auch unsere Verwaltung noch lernt, dass die in der Beschlussvorlage verwendeten Namen „Phillips“ und „Philipps“ ganz leicht neben der Wahrheit (Logo rechts) liegen. 😉
Update 13.05.: Laut einer Umfrage der „Deutschen Energie-Agentur“ (dena) unter rund 1000 Kommunen setzen inzwischen 87% bei der Modernisierung ihre Straßenbeleuchtung auf LED-basierte Produkte. Die Zahl der Städte und Gemeinden mit einem großen Bestand an veralteten Quecksilberdampf-Hochdrucklampen (HQL) habe sich seit 2012 halbiert.
Philips-Leuchten viel billiger als erwartet
Update 29.07.: Eine freudige Überraschung gab es diese Woche für den Sinzheimer Gemeinderat: Das einzige Gebot für die geplante LED-Umrüstung kam direkt von „Philips Lighting“ in Hamburg und lag bei schlanken 139.100 Euro (342,61 € pro „Luma Micro“-Leuchte mit 20 „warmweißen“ LED-Modulen, mein Foto links) – deutlich weniger als erwartet.
Klar, dass die Vergabe einstimmig gebilligt wurde, zumal die Leuchtköpfe in den späten Nachtstunden auf 50% gedimmt werden können und so noch mehr Strom sparen als sowieso schon.
Weil nun ca. 21.000 € Fördermittel übrig seien, werde beim Regierungspräsidium Karlsruhe gefragt, ob noch mehr LED-Leuchten angeschafft werden könnten. Dann wäre ein Nachtragsauftrag auf Basis der bisher angebotenen Stückpreise möglich, falls sich „Philips Lighting“ auf diese Konditionen einlässt. Das Geld würde jedenfalls für gut 60 weitere Exemplare reichen.
LED-Straßenleuchten: Müssen Anlieger die teure Umrüstung mitbezahlen?
„Intelligente“ LED-Straßenleuchten machen Zebrastreifen nachts sicherer
Warum werden nicht einfach bei den defekten Leuchten die passenden Retrofits eingebaut und gut? Dann könnte man abwarten bis die LED-Straßenlampen günstiger und wirklich intelligent sind und erst dann umrüsten. Bei ausgefallenen Gasentladungslampen hätte man ohnehin die Ersatzteil- und Austauschkosten zu tragen.
Wenn ein Plus-Geschäft verhindert werden soll, warum werden dann nicht die Fördergelder einfach entsprechend angepasst? Mal abgesehen davon, dass es sich ja in vielerlei Hinsicht um eine lohnenswerte Investition/ Umrüstung handelt, die nur scheinbar ausschließlich der Gemeinde zugute kommt, letztendlich aber insgesamt vorteilhaft ist, da die Einsparung von Ressourcen national, ja sogar global als sinnvoll erachtet werden kann.
Für mich ist immer unverständlich, welche riesigen Geschütze in Form von Förderung da aufgefahren werden müssen (bei uns werden alte Gebäude abgerissen mit 90% EU-Förderung).
Zunächst muss die EU-Richtlinie umgesetzt werden – okay. Handlungsbedarf. Ob die Bevormundungen immer sinnvoll sind, mag man geteilt sehen in Anbetracht von Ausweichreaktionen des Marktes wie dem Ersatz von CFL durch Halogenlampen anstatt LED oder dem Sprießen von Mischlichtlampen (Quecksilberdampflampen mit Glühwendel als Strombegrenzung) als Ersatz für die verbotenen reinen Quecksilberdampflampen. Aber wenn doch die Wirtschaftlichkeit der Umrüstung (kompletter Lampenkopf mit Planung und Montage ggü. einem einfachen Lampenwechsel) auf eine Amortisationszeit X so klar gegeben ist, sollte es doch schon ohne Förderung im Zeitalter von Minuszinsen über eine Finanzierung über die Laufzeit der Investition funktionieren. Ich sehe auch wie Jürgen das Warten auf den richtigen Zeitpunkt als wesentlich an. Natürlich beschleunigen die Fördermittel den Prozess, aber unter dem Strich muss es sich auch deutlich ohne rechnen.
Kommunale Haushalte haben mit gesundem Menschenverstand wenig zu tun. Wenn kein Geld da ist, ist kein Geld da, da nützen auch die potentiellen Einsparungen der Folgejahre nichts. Gibt es dagegen eine Förderung, ist Geld da.
– Carsten
also meines wissens sind die meisten Natriumdampflampen, selbst mit Vorschaltgerät noch so effizient wie die meisten LEDs, oder besser.
Der Sockel ist auch häufig in der Größe E40 anzutreffen. Durch den hohen gelb Anteil sollen sie weniger Insekten anlocken, was auch der LED zugeschrieben wird. Allerdings wage ich zu bezweifeln das bei LEDs mit guter Farbwiedergabe ein eben so großer Effekt auftritt.
Trotz der miserabelen Farbwiedergabe der Natriumdampflampen ist bei diesem Licht ein sehr kontraststakes Sehen möglich, weshalb diese Leuchtmittel gern an Zebrastreifen eingesetzt werden.
Bei uns im Ort wurden bereits viele Quecksilberdampflampen der Straßenbeleuchtung gegen LED ausgetauscht, wärend in unserer Straße zum größten Teil noch Holzmasten mit T8 Röhren sitzen, und vor unserem Haus steht ein Mast ganz ohne Beleuchtung. Ist wohl am Effizientesten 😉
Was für ein Quatsch!
Niederdruck Natriumdampflampen sind die ideale Straßenbeleuchtung, extrem effizient. Und vor allen einigermaßen Insektenfreundlich, die stehen nicht auf das schmale Gelb-Spektrum, der RA25 kann auch ein Riesenvorteil sein!
Und die besten aller Straßenlaternen werden jetzt mit EU Mitteln abgerissen, haben wohl nicht beim Umweltkommissar nachgefragt…
Und das mit den Insekten ist ein Riesenproblem, deren Anzahl nimmt seit den letzten Jahrzehnten extrem ab, und ist schon jetzt ein Problem.