Preisrutsch bei LED-Lampen sorgt für Risiken und Chancen

Kurz vor dem geplanten Börsengang am 8. Juli warnt Osram vor den Risiken eines Preisverfalls bei LED-Lampen. Branchenneulinge würden häufig Strategien verfolgen, mit denen aggressiv Marktanteile gewonnen oder geschützt werden sollen. Langfristig wird das reine „Retrofit“-Segment der Haushaltsbeleuchtung jedoch stark an Bedeutung verlieren, glauben US-Analysten.
LED-Preisrutsch

Ein vollwertiger, dimmbarer LED-Ersatz für eine herkömmliche 60-Watt-Glühlampe könnte in naher Zukunft nur noch durchschnittlich 2 statt bisher 20 US-Dollar kosten. Diese Prophezeiung wagte ein Analyst der Investmentbank „Canaccord Genuity“ Anfang Juni bei einem Workshop in Boston. Jed Dorsheimer untermauerte seine Zukunftsaussichten mit einigen eindrucksvollen Schautafeln (pdf-Download).

Tatsächlich sind wir schon auf dem besten Weg dorthin: Seit Frühjahr bietet US-LED-Chip-Marktführer Cree unter anderem eine dimmbare 800-Lumen-LED-„Birne“ für rund 13 Dollar (siehe das Cree-PR-Bild oben) – noch ein halbes Jahr zuvor war so ein niedriges Preisniveau im Segment der Marken-„Retrofits“ undenkbar. Dorsheimer schätzt die gesamten Materialkosten der Lampe zwischen 7,63 und 9,46 Dollar – inklusive Verpackung.

Steck- statt Lötverbindungen

Durch weitere Optimierung bei Design, Materialauswahl und Produktion könnten diese Kosten weiter gesenkt werden, ohne dass die Qualität leiden müsste. Beispiel gefällig? Der „Filament Tower“, die Lichtquelle in den Cree-Lampen, wird nicht durch Lötverbindungen mit Strom versorgt, sondern nur durch Federkontaktzungen. Einfaches Draufstecken genügt bei der Montage.

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Noch mehr Einsparpotenzial steckt laut „Canaccord Genuity„-Analyse in den Handelswegen und -spannen des LED-Markts. Die sonst üblichen Groß- und Zwischenhändler entfielen teilweise jetzt schon, und diese Entwicklung werde sich fortsetzen.

Cree hat mit seinen neuen „Retrofits“ bereits einige Stationen übersprungen: Die bis zu 80 Einzel-LEDs pro Lampe kommen sowieso aus eigener Fertigung und alles andere trägt ebenfalls den „Cree“-Stempel. Geliefert wird direkt – und bisher exklusiv – an die nordamerikanische Einzelhandelskette „The Home Depot“, wo der Endverbraucher off- und online zugreifen darf. Keiner der traditionellen US-Lichtriesen wie „General Electric“ oder „Osram-Sylvania“ ist als Lampenlieferant, kein Distributor als Großhändler und Zwischenstufe zum Fachhandel dazwischen geschaltet.

Die Großen stehen unter Druck

Das reduziert die Handelsspanne und natürlich auch den Endpreis. Was aber für uns LED-Lampenkäufer richtig gut klingt, das setzt die Großen der Branche heftig unter Druck. Da sind auf der einen Seite die immensen Kosten und harten Einschnitte durch die Umstellung der gesamten Wertschöpfungskette von herkömmlicher Lichttechnologie auf LED-Technik, auf der anderen Seite die Kampfpreis-Angriffe von immer mehr neuen Anbietern auf dem Markt.

Kaufland-Osram-10Euro-kleinSie erinnern sich an diese Ankündigung von Osram im April und an das hier rechts abgebildete Sonderangebot im Mai bei „Kaufland“? Okay, hier ging’s nur um nicht dimmbare „Retrofits“ – aber Preise um 10 Euro gab’s vorher bei uns in dieser Leistungsklasse nur für „No Name„-LED-Lampen. Sieht für mich nach einem Versuch des Lichtgiganten aus, die Felle festzuhalten, bevor sie davonschwimmen.

Und das ist für dieses Jahr bei Weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange. Zur Zeit habe ich beispielsweise eine sehr anständige, dimmbare >800-Lumen-„Birne“ eines kleinen deutschen Anbieters im Test, die aktuell für nur 12 Euro verkauft wird. Für knapp 10 Euro bekommen Sie dort immerhin noch einen dimmbaren LED-Ersatz für 35- bis 50-Watt-Halogenstrahler. Auch der wird Ihnen hier im Blog bald ausführlich begegnen.

Börsengang bei rauem Wind

In diesem schwierigen Umfeld geht Osram als ein weitgehend von Siemens abgenabeltes, selbstständiges Unternehmen an die Börse. Wen wundert’s, dass im begleitenden Osram-Info-Prospekt, der auch die Risiken der neuen Aktien beschreiben muss, unter anderem das hier steht:

„Bei Beleuchtungsprodukten ist historisch ein Preisverfall zu beobachten. Dieser Trend wird sich auch fortsetzen. (…) Unternehmen aus anderen Branchen, wie LG Electronics oder Samsung sowie andere Unternehmen in der Halbleiterbranche, (…) dringen erfolgreich in den LED-Beleuchtungsmarkt ein. Diese Unternehmen können Skaleneffekte in der Elektronikfertigung ausnutzen, die Osram derzeit nicht in gleichem Maße zur Verfügung stehen. (…)

Der bestehende Preisdruck ist darauf zurückzuführen, dass Marktteilnehmer häufig Preisstrategien verfolgen, die darauf ausgerichtet sind, Marktanteile zu gewinnen oder zu schützen und die Auslastung der Produktionskapazität zu erhöhen.“

Gefährlich könnten Osram auch chinesische Wettbewerber werden, die dank Staatshilfen Vorteile im harten Preiskampf haben – ein Problem, das wir so ähnlich schon von der deutschen Solarindustrie kennen.

Konservative Analysten rechnen derzeit mit einem Preisrutsch von rund 12 Prozent pro Jahr bei LED-Beleuchtung, andere nennen Werte um 20 Prozent. Ich persönlich glaube nicht an eine kontinuierliche, sondern eine schubweise Entwicklung, die nur schwer mit jährlichen Vergleichen zu erfassen ist. Erst seit Anfang 2012 gab es in Einzelfällen sogar Verbilligungen um rund 30% innerhalb weniger Wochen.

Mit LED-„Retrofits“ allein gewinnt man nicht

Mittelfristig werden nach der Analyse von „Canaccord Genuity“ im LED-Lampen-Markt ohnehin keine großen Umsatzuwächse mehr zu erzielen sein. Schon 2015 könne die Wachstumsrate nahe Null liegen und eine Sättigung in Sichtweite kommen. Die Energieeffizienz sei dann nicht mehr der entscheidende Vorteil der LED-Technologie. Stattdessen werde es zunehmend um die Digitalisierung des Lichts gehen – um intelligente und individuelle Steuerung, um Komfort, Gesundheit, Wohlbefinden, um optimale Unterstützung beim Lernen, Arbeiten und Entspannen.

Das alles ist mit völlig neuen Lichtkonzepten und integrierten, vernetzten, flexiblen Leuchten viel besser umzusetzen als mit dem schnöden LED-Ersatz von Glüh- und Halogenlampen. Jede Menge neue, schlanke Geschäftsmodelle im Hard- und Softwarebereich sind hier denkbar. Nur wer hier noch die Nase vorn haben wird, der gehört langfristig zu den Gewinnern der großen Konversion.

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