Die Vorstellung der neuesten Siemens-Quartalszahlen an diesem heißen Donnerstag wirkte wohl für viele wie eine kalte Dusche – allerdings nicht sehr erfrischend: Der Auftragseingang ist laut Vorstandschef Peter Löscher gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 25 Prozent eingebrochen; der bereits verschobene und zuletzt für Herbst 2012 geplante klassische Börsengang der Licht-Tochter Osram wird jetzt wegen der eingetrübten Konjunktur offenbar endgültig abgesagt. Stattdessen will Siemens Osram via „Spin-Off“ ausgliedern und als Ausgleich den Aktionären die Mehrheit seiner Osram-Anteile abgeben. Siemens muss deshalb rückwirkend über eineinhalb Jahre mehr als 443 Millionen Euro des Osram-Buchwerts in seiner Zwischenbilanz abschreiben.
Ein „Golden Dragon Plus“-Modul von „Osram Opto Semiconductors“: Solche LED-Produkte tragen bereits rund ein Viertel zum gesamten Osram-Umsatz bei, verursachen aber auch hohe Entwicklungskosten. (Foto: Osram-PR)
Der Auftragseinbruch bei der 100prozentigen Konzernmutter Siemens (zwischen den Finanzquartalen 3/2011 und 3/2012) ist eigentlich nicht das Problem von Osram und der Lichtbranche, er betrifft andere Unternehmensbereiche. Da sich die globalen Konjunkturaussichten aber zur Zeit wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise immer mehr verdüstern, hätte Siemens bei einem klassischen Osram-Börsengang („IPO“) „baden gehen“ können – mit weitaus geringerem Aktien-Verkaufserfolg als ursprünglich geplant. Dass es stattdessen eine „Spin-Off“-Lösung geben könnte, vermuteten Experten schon im Dezember – trotz der wiederholten Dementis von Siemens.
Nach den mir vorliegenden Informationen heißt das aber nicht, dass Osram tatsächlich der Börse fernbleibt. Falls die Siemens-Hauptversammlung im Januar die Abspaltung der Licht-Tochter vom Mutterkonzern genehmigt, kann sie innerhalb einiger Monate vollzogen werden und die neuen Besitzer der von Siemens ausgegebenen Osram-Aktien dürften diese Papiere auch an der Börse handeln. Der Wert könnte sich hier – unabhängig von der Geschäftsentwicklung bei Siemens – ausschließlich nach dem Erfolg von Osram entwickeln.
Osram könnte es dann egal sein, ob Siemens etwa in den Bereichen Kraftwerksbau, erneuerbare Energien oder Bahntechnik Verluste einfährt – es würde die Finanzen des eigenständigen Licht-Unternehmens nicht mehr betreffen. Allerdings gibt es noch keine konkreten Angaben darüber, wie viel Siemens von seinem 100%-Osram-Anteil an seine Aktionäre abgeben will. Da es sich um die Mehrheit der Aktien handeln soll, wird es natürlich irgendwas ab 50,1 Prozent sein – möglicherweise bis zu 74,9 Prozent, was Siemens noch eine Sperrminorität sichern würde.
Mehr Kapital durch neue Aktien
Angesichts des teuren Umbruchs im Beleuchtungsmarkt – mit umfangreichen Investitionen und Umstrukturierungen bei gleichzeitig noch geringen Gewinnspannen für LED-Lampen und -Leuchten (Osram spricht von einer durchschnittlichen operativen Marge von 5%) – wäre es einer weitgehend unabhängigen Osram AG auch möglich, das Eigenkapital durch Ausgabe neuer Aktien zu erhöhen. Wer auf dem LED- und OLED-Markt gegen die globale Konkurrenz (vor allem aus Fernost) bestehen will, braucht einen langen finanziellen Atem, den einem die Börse einhauchen könnte.
Verbraucherfreundliche Preise sind mittelfristig nur mit enormen Effizienzsteigerungen und kurzfristig teils sogar nur mit Verkäufen unter Einstandspreis möglich. Am Anfang ihres Produktzyklus kann so jede neu entwickelte und verkaufte LED-Lampe eventuell den Verlust vergrößern statt den Gewinn. Häufig muss also kräftig vorfinanziert werden.
Die entsprechenden, absehbaren Subventions-Möglichkeiten der bisherigen Osram-Mutter Siemens sind offensichtlich begrenzt, zumal Vorstandschef Peter Löscher bereits stark vermutet, dass der mit 5,2 bis 5,4 Milliarden Euro projektierte Gewinn zum Ende des Siemens-Geschäftsjahres am 30. September nicht erreicht werden wird – unter anderem wegen der Osram-Abschreibungen. Außerdem fehlt es wohl auch am Willen, weitere Millionen in die Licht-Sparte zu pumpen.
Möglicherweise hat Osram zukünftig im Alleingang bessere Karten für seine Geschäftsentwicklung, zumal dann alle wichtigen Entscheidungen im eigenen Haus getroffen werden können und nicht mehr über den Tisch des Siemens-Vorstands laufen müssen. Das wird, aller Voraussicht nach, bereits im Lauf des kommenden Jahres der Fall sein.
Anmerkung: Der ursprünglich hier veröffentlichte Beitrag „Osram-Zukunft leuchtet nicht so hell wie geplant“ wurde wegen neuer Informationen komplett überarbeitet.
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