Es ist die bisher größte LED-Überraschung des Jahres: Chip- und Modulmarktführer „Cree“ steigt mit drei Hammer-Angeboten in den „Consumer-Retrofit“-Markt ein. Für umgerechnet unter 10 Euro gibt es jetzt weitgehend rundstrahlenden, dimmbaren LED-Ersatz für herkömmliche 40- und 60-Watt-„Glühbirnen“. Die billigste E26-„Cree“-Lampe kostet in Nordamerika knapp 10 US-Dollar (ca. 7,65 Euro) – das ist etwa die Hälfte des bisher üblichen Preises in dieser Leistungsklasse.
Die 9,5 Watt starke, rundstrahlende „Cree“-Lampe als Ersatz für eine 60-Watt-Glühlampe – sie unterscheidet sich optisch nicht von ihrer schwächeren 6-Watt-Schwester. (Fotos/Logo: Cree-PR)
Sie sehen nicht wirklich schön aus, glänzen auch nicht durch absolute Premium-Lichtqualität und sind dennoch sensationell: Heute stellte der US-LED-Chip-Hersteller „Cree Inc.“ völlig überraschend drei komplette, dimmbare und weitgehend rundstrahlende „Retrofit“-Lampen für die in Nordamerika übliche E26-Fassung und 120-Volt-Wechselspannung vor. Sie werden vorerst exklusiv über die Einrichtungskette „The Home Depot“ in den USA, Kanada sowie Mexiko vertrieben und schlagen mit ihrem Preis-/Leistungsverhältnis alle mir bekannten Konkurrenzangebote. Äußerlich sind alle drei Versionen identisch, haben rund 6,1 cm Maximal-Durchmesser, 11,7 cm Länge und wiegen knapp 111 Gramm (pdf-Download des Datenblatts).
Als Ersatz für eine herkömmliche 40-Watt-Glühbirne dient das 450-Lumen-Modell mit nur 6 Watt Leistungsaufnahme, 2700 Kelvin Farbtemperatur und Farbwiedergabeindex CRI 80 für knapp unter 10 US-Dollar (nach heutigem Kurs ca. 7,65 Euro). Eine Liga höher leuchtet der dimmbare 60-Watt-Ersatz mit 800 Lumen Lichtstrom, 9,5 Watt und ebenfalls CRI 80. Die „warm-weiße“ Version mit 2700 K kostet 12,97 US-$ (ca. 9,50 €), die „kalt-weiße“ mit 5000 K 13,97 $ (ca. 10,70 €).
Das sind regelrechte Kampfpreise unterhalb des 2012 prognostizierten „Sweet Spots“ von LED-Lampen. Vergleichbare (dimmbare!) Modelle der europäischen Lichtgiganten Philips und Osram kosten derzeit mindestens doppelt so viel. Entsprechend laut werden heute wohl dort und anderswo die Alarmglocken geläutet haben. Die „Cree“-Offensive ist zwar keine echte Gefahr für Premium-Produkte mit Farbwiedergabe-Werten um CRI 90 und Halbwertswinkeln über 300 Grad, greift aber massiv in den „low budget“-Markt ein und schlägt im Preis sogar viele „no name“-Angebote zweifelhafter Herkunft.
„Türmchen“ statt Glühfaden
Mit einem markenrechtlich geschützten Innenaufbau namens „Filament Tower“ soll eine Glühfaden-ähnliche, möglichst gleichmäßige Abstrahlcharakteristik erzielt werden. Dabei sind die „High Power“-LED-Chips kreisförmig in einer Doppelreihe im oberen Teil eines kleinen „Turms“ unter der Lampenkuppel angeordnet (Bild rechts). Möglicherweise hat „Cree“ dieses Prinzip schon im vergangenen Jahr bei seiner Labor-Demo-Lampe ausprobiert.
Dieses „Türmchen“ wird nicht durch zeitaufwendige und teure Lötverbindungen mit Strom versorgt, sondern nur durch Federkontaktzungen. Simples Draufstecken genügt bei der Montage – eine der Besonderheiten, die die Produktionskosten niedrig halten.
Welcher LED-Typ aus der reichhaltigen Palette der Amerikaner in den neuen Lampen drin steckt, steht leider nicht in Pressemitteilung. In der 9,5-Watt-„Birne“ stecken jedenfalls 20 in Serie geschaltete „packages“ à vier LED-„dies“.
Update 28.6.: Nach über einem Vierteljahr hat „Cree“ endlich eine meiner wiederholten Fragen nach den Chips beantwortet:
@Fastvoice Great question. The Cree LED bulb leverages the XLamp XT-E family, which is based on Cree’s SC3 platform. Thanks for asking!
— Cree LED Bulb (@CreeBulb) June 28, 2013
Wir reden also von dieser variationsreichen „XLamp“-Familie mit der neu entwickelten “SC³“-Technologie („Cree“-PR-Bild rechts). Mehrere Chip-Baureihen von “Cree” auf Basis von Siliziumcarbid (SC) erhielten bereits zur Effizienzsteigerung ein neues Design, eine größere Kuppel und eine verbesserte Phosphor-Beschichtung (die hoch gestellte “3″ nach „SC“ symbolisiert diese drei Ansatzpunkte).
Die XT-E „White“ sind nach Unternehmensangaben die leistungsfähigsten „weißen“ Serien-LEDs. Sie schaffen bis zu 148 Lumen/Watt in „kalt-weiß“ (6000 K) und 114 lm/W in „warm-weiß“ (3000 K) – jeweils bei 350 mA Stromstärke und 85°C Betriebstemperatur.
Die Effizienzwerte der drei „Retrofit“-Modellversionen liegen denn auch mit 75 bzw. 84 Lumen/Watt am oberen Ende des derzeit serienmäßig Üblichen. Beim 9,5W-Ersatz für eine 60-Watt-Glühlampe können immerhin rund 84 Prozent Strom gespart werden – das ist mit den meisten aktuellen LED-„Retrofits“ bei Farbwiedergabeindizes um CRI 80 nicht möglich. Die Lebensdauer wird mit 25.000 Stunden angegeben, die (eingeschränkte) Garantie läuft sensationelle zehn Jahre. Außerdem räumt „The Home Depot“ ein 90tägiges Rückgaberecht ein.
Düpiert „Cree“ die eigenen Kunden?
Die heute angekündigte Aktion halte ich auch deshalb für äußerst bemerkenswert, weil „Cree“ damit teilweise seiner eigenen Kundschaft in den Allerwertesten tritt. Schließlich beziehen zahlreiche LED-Lampen- und Leuchtenhersteller zigtausende Chips, Module, „Light Engines“ oder komplette „Downlight“-Einsätze von dort. Stellen Sie sich analog mal vor, ein Druckmaschinen-Produzent würde an Ihrem Ort eine neue Druckerei mit Dumping-Preisen aufmachen, um den bestehenden Betrieben den Marsch zu blasen. Völlig unrealistisch, so was.
Dass es den US-Amerikanern aber sehr ernst ist mit dieser „Retrofit“-Überraschung, beweist „Cree“ mit dem Start einer eigenen Webseite für die neuen Lampen. Über sie sind auch Online-Käufe bei „The Home Depot“ möglich. Zur Motivation für den überraschenden Einstieg in den „Consumer“-Markt schreibt „Cree“ in einer FAQ-Antwort (pdf-Download):
The Cree LED bulb gives consumers a reason to switch. We believe this breakthrough LED bulb will, for the first time, motivate consumers to upgrade the billions of energy-wasting light bulbs installed in their homes.
Frei übersetzt: „Cree“ ist offenbar der Meinung, dass die bisherigen „Retrofit“-Angebote auf dem Markt die Verbraucher noch nicht so richtig zum Umstieg auf energiesparende Beleuchtung verleiten konnten. Mit den nun vorgestellten Lampen werde aber ein Durchbruch geschafft, und Privatkunden hätten erstmals eine gute Motivation, Milliarden von stromfressenden Glühlampen durch LED-Leuchtmittel zu ersetzen. Kurz gesagt, biete man jetzt …
… great light quality in a simple design at an affordable price.
Wir reden also von „toller Lichtqualität in einfacher Gestaltung zum bezahlbaren Preis“. Meine Vorhersage: Das könnte zumindest teilweise klappen – vor allem wegen des konkurrenzlos günstigen Preis-/Leistungsverhältnisses. Ob Lichtqualität, Design und Dimmbarkeit die Kunden zufrieden stellen können, muss allerdings erst noch bewiesen werden.
War noch was? Ja, ein Labor-Rekord
Fast schon zur Petitesse verkam dagegen heute eine weitere „Cree“-Meldung: Im Entwicklungslabor wurde jetzt der LED-Lumen/Watt-Rekord erneut nach oben geschraubt. Statt 254 lm/W – erzielt vor knapp einem Jahr – sind es jetzt 267 lm/W bei neutral-weißen 4401 Kelvin und 350 mA Stromzufuhr. Ein Farbwiedergabeindex wurde nicht angegeben – der dürfte aber bei solchen Rekorden kaum eine Rolle spielen.
Update 16.7.: Jetzt hat sich auch noch eine richtstrahlende E26/BR30-Version mit 9,5 Watt und 650 Lumen dazu gesellt (PR-Bild oben).
Sie ist ebenfalls dimmbar, hat einen Farbwiedergabeindex von CRI 80 und ist wahlweise mit 2700 oder 5000 Kelvin erhältlich. Ein Abstrahlwinkel wird leider nicht angegeben. Verkaufspreis bei „The Home Depot“: Knapp 20 („soft white“) und 22 US-Dollar („daylight“).
Cree bastelt Demo-LED-Lampe mit 170 Lumen/Watt
Cree-LED „XLamp XP-E2“: Mehr Licht für weniger Geld
Vielen Dank für die gute Nachricht!
Die Argumentation von Cree kann ich gut nachvollziehen. Es ist einfach eine große Hürde 30 bis 50 EUR statt wie bisher 1 bis 2 EUR für ein Leuchtmittel zu bezahlen.
Cree leitet damit eine Preisentwicklung bei LED-Leuchtmitteln en, die ich persönlich für 2013 auch erhofft hatte.
Der markenrechtlich geschützte „Filament Tower“ erinnert mich sehr an die chinesischen Billiglampen, die zumindest in ungedimmter Form zu ähnlichen Preisen gute Dienste leisten.
Das könnte auch mit eine Motivation für diesen Schritt gewesen sein. Cree sieht, daß sie bei den hochwertigen Edel-Leuchtmittel nur einen Bruchteil des Ertrags bekommen. Der Leuchtmittelhersteller und besonders der Handel streicht den Löwenanteil ein. Die hohen Endverbraucherpreise bremsen das Wachstum auch für Cree.
Gleichzeitg bedienen sich die Konsumenten z.B. bei den billigen Mais-LED-Lampen. Und die verwenden lieber viele billige zweitklassige No-Name LEDs statt weniger erstklassiger LEDs von Cree. Das Leuchtmittel wird dadurch etwas größer und ineffizienter, bleibt aber bezahlbar.
Und der Preisdruck wird noch von anderer Seite aufrecht erhalten: Heute bekommt man bereits einfache Leuchtstofflampen mit EVG für weniger als 5 EUR im Baumarkt. Und bevor ich im Keller eine teure LED-Lampe einsetze, baue ich lieber eine solche Röhre ein.
Da Cree auch bei vielen Endkunden und im Handel einen Namen hat, scheint die „Direktvermarktung“ ein gangbarer Weg. Und zumindest bei einigen rennomierten Platzhirschen hat man nichts zu verlieren – die machen Ihre LEDs selbst.
@Juergen. Ich musste spontan auch an so eine Lampe denken – hatte ich mal mehrfach als dimmbare Versionen.
Ja, genau so etwas in dieser Art. Habe solche mit 42 bzw. 60 Stück 5630 LED und 12 bzw. 15W. Funktioniert in den geeigneten Lampen sehr gut und etwa so hell wie 60W bzw. 70W Halogen.
Und Cree wird etwas kräftigere eigene LEDs nehmen und dafür nicht so viele. Das ist auch besser, weil viele Lampen einen Spiegel hinter den Glühlampen haben, der das Licht wider durch die Glühlampen hindurch nach außen reflektiert. Wenn nur der „Maiskolben“ bzw. „Filament Tower“ zu dick ist, kommt das Licht nicht mehr an.
Prinzipiell sind zwar Flächenstrahler angenehmer als Punktstrahler, aber es geht ja beim Retrofit um einen möglichst guten Ersatz eines eher punktstrahlenden Leuchtmittels.
electronupdate hat so eine Lampe mal
zerlegt. Sehr gut gemacht, Qualitätsbauteile, aufwendige Schaltung. Lebenserwartung trotzdem eher bei 5000 Stunden als bei 50.000.