Wie sollen Anbieter in Zukunft noch Geld auf dem Licht-Markt verdienen, wenn LED-Lampen immer billiger werden und mindestens 20 Jahre halten? Indem sie sich komplett neu erfinden und viel mehr verkaufen als nur simple Beleuchtung.

Lichtsteuerung via WLAN und „ZigBee Light Link“: Messedemonstration des „Lightify“-Systems von Osram (oben) und eine Tischleuchte mit variabler Farbtemperatur aus dem neuen Philips-„hue Phoenix“-Quintett (unten rechts). (Fotos: W. Messer/Philips-PR)
Falls die Preisentwicklung so weiter geht wie in den vergangenen Monaten, dann sind LED-Lampen zum Stückpreis von unter 3 Euro nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Wen wundert’s also, dass die Anbieter immer weniger verdienen, zumal diese Halbleiter-basierten Lichtquellen im Idealfall Jahrzehnte leuchten können – ohne Austausch?
Die Folge: Der Licht-Markt erlebt eine rasante Umwälzung. Die lief anfangs etwas stockend, aber inzwischen viel schneller, als es manche Manager nach den Erfahrungen der frühen LED-Jahre erwartet hatten. Halbleiter-basierte Produkte machen inzwischen rund 35 bis 40 Prozent des Umsatzes der drei globalen Licht-Giganten Philips, Osram und „GE Lighting“ aus, während die Verkaufszahlen von traditionellen, kurzlebigen Glüh- und Halogenlampen im steilen Sinkflug sind. Alte Produktionsanlagen werden immer unrentabler, viele Arbeitsplätze überflüssig, tradierte Unternehmens- und Management-Strukturen taugen nichts mehr.
Probleme vor allem im „Consumer“-Markt
Bei der gewerblichen und öffentlichen Beleuchtung sowie im „Automotive“-Bereich (wo ausnahmsweise Osram vor Philips liegt) sind die Folgen dieser Transformation nicht ganz so tragisch. Dort spielen die relativ umfangreichen Projekte und großen Budgets zumindest den Löwenanteil der Entwicklungs- und Produktionskosten ein. Im extrem preissensiblen „Consumer“-Segment für Privathaushalte geht das nicht so einfach. Hier tobt ein gnadenloser Konkurrenzkampf mit vielen neuen Herstellern – vor allem aus Asien, der Gewinne schrumpfen lässt und finanzschwache Anbieter vom Markt drängt.
Der reine Umtausch „Glüh-/Halogenlampen gegen LED-Retrofits“ ist kein langfristig und breitflächig taugliches Geschäftsmodell für den Licht-Markt. Steigende Umsätze und Gewinne versprechen nur integrierte, „intelligente“ Produkte mit Zusatznutzen, die mehr sind als nur pure Lichtquellen, der Kundschaft begehrenswert erscheinen und sie so zu einer (teuren) Investition verleitet. Bei Smartphones, Laptops oder Flachbild-TV-Geräten läuft das Geschäft nach diesem Prinzip ja auch recht gut. Wir reden in diesem Fall nicht von einer geplanten, sondern von einer „psychologischen Obsoleszenz“, die die Nachfrage für neue Leuchtmittel anheizen soll.
Unternehmen wollen sich „neu erfinden“
„Anpassung“, „Evolution“ und „Innovation“ heißen deshalb die noch etwas unscharfen Zauberworte der Branche. Osram und Philips haben ihre Konzernstruktur teils schon drastisch umgebaut und werden das auch weiterhin tun. In den Entwicklungsabteilungen wird mit Hochdruck an potenziellen künftigen Umsatzbringern gearbeitet, die mit den traditionellen Leuchtmitteln kaum was zu tun haben.
Noch diesen Monat teilt Philips-Vorstandschef Frans van Houten (PR-Foto rechts) Details zur geplanten Ausgliederung des größten Teils seines Lichtgeschäfts zu „Philips Lighting solutions“ sowie der Fusion der „Automotive“-Sparte und der US-LED-Komponenten-Tochter „Lumileds“ mit.
Spätestens im Juni meldet sich sein Osram-Pendant Olaf Berlien mit konkreten Ideen für eine neue, „richtungsweisende Strategie“. Dass er schon jetzt ad hoc 10 Millionen Euro aus dem Vorstandsetat als zusätzliche „Entwicklungshilfe“ abgezweigt hat, ist allerdings eher Symbolpolitik mit allenfalls homöopathischer Wirkung.
„GE Lighting“ startete mit „FastWorks“ ins Rennen
US-Gigant „GE Lighting“ will sich ebenfalls neu erfinden und hat für einige LED-Projekte bereits eine neue, schnellere Parallelstruktur eingeführt. „FastWorks“ nennt sich ein vor einem Jahr etabliertes, firmenweites System, das schon während der Entwicklung eines neuen Produkts Kundenmeinungen einholt und im Prozess berücksichtigt. So soll trotz der Unternehmensgröße die Reaktionsschnelligkeit eines kleinen Start-Ups erreicht werden – zumindest annähernd.
Eines der ersten Ergebnisse dieses stark nachfrageorientierten Prozesses sind die dimmbaren „GE Align“-LED-Lampen (PR-Foto links), die es wahlweise als schummrige Einschlafhilfe mit „Bernstein“-Lichtfarbe oder als hellen Muntermacher mit höherem Blau-Anteil gibt. Ihre Entwicklung lief komplett am traditionellen „GE Lighting“-System vorbei und wurde allein auf Grund von Kundenwünschen realisiert. Und das ist nur der Anfang. Die gleiche Technologie ist auch als Stimmungsmacher in Klassenzimmern, Büros und Krankenhäusern einsetzbar – manuell oder automatisch gesteuert.
Die Konkurrenz mag darüber lächeln, weil etwa Philips mit seinen farbsteuerbaren „hue“-Lampen schon im Herbst 2012 auf dem Markt war und Osram „Lightify“ rund 18 Monate später ein ähnliches System vorstellte. Für GE ist „FastWorks“ jedoch immerhin ein erster strategischer Schritt, um verloren gegangenes Terrain wiederzugewinnen und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Aus dem Glühlampenhersteller könnte mittelfristig ein Finanzierungs-, Logistik-, Installations-, Wartungs- und Software-Anbieter werden.
Straßenleuchten machen nicht nur Licht
Ausprobiert wird so was bereits im öffentlichen Raum. So sind rund 3000 Straßenleuchten in San Diego mit dem drahtlosen „LightGrid“-System von GE vernetzt, können so ferngesteuert und künftig teilweise auch mit Kameras und Sensoren ausgestattet werden. Genaue Verkehrs-, Luftbelastungs-, Straßenzustands- und Wetterbeobachtungen wären so möglich – nicht nur zur individuellen, automatischen Helligkeitssteuerung, sondern auch als Hilfe beim effizienten Einsatz der städtischen Behörden (Verkehrsleitsysteme, Räumdienste etc.). Nebenbei spart man dank der LED-Technik noch ca. 250.000 US-Dollar Strom- und Wartungskosten pro Jahr.
Theoretisch wären die Leuchten auch mit Lautsprechern für Musik und Warndurchsagen auszurüsten oder könnten Passanten via WLAN mit dem Internet verbinden (prinzipiell kennen Sie das vielleicht schon im Kleinformat für zuhause). Ex-GE-Mitarbeiter Terry McGowan ist heute Chef-Ingenieur der „American Lighting Association“ und spekuliert, dass seine ehemalige Firma ihre Leuchten auf neue Weise zu Umsatzbringern machen könnte: „Plötzlich verkaufst Du sie als Internet-Hotspot. Die Nutzer zahlen für den Netz-Zugang und kriegen das Licht fast umsonst dazu.“
Moduliertes Licht zum Datentransfer
Noch ’ne Idee, an der GE zur Zeit gemeinsam mit einem Start-Up-Unternehmen namens „ByteLight“ arbeitet: LED-Leuchten im Supermarkt senden durch eine hochfrequente, unsichtbare Modulation ihres Lichts individuelle Informationen an die Smartphones der jeweils darunter laufenden Kunden. So könnten mit „Visible Light Communications“ etwa bestimmte Produkte beworben oder Rabatt-Codes übertragen werden.
Und was im Großen funktioniert, findet später häufig auch seinen Weg als „Smart Lighting“ in die Privathaushalte. Noch ist das weitgehend Zukunftsmusik oder teurer Avantgarde-Soundtrack, hat aber eine aktuelle Hookline: Licht alleine ist kein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell mehr für den Licht-Markt – oder wie es der für’s nordamerikanische GE-„Consumer Lighting“-Geschäft verantwortliche „General Manager“ John Strainic formuliert: „Alles und Jedes ist möglich.“
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