Sie ist nicht wirklich neu, ihre Technik teils noch älter; sie kostet unter 90 Euro und leistet dennoch mit enorm viel Licht gute Dienste für Hobby-Fotografen und -Filmer: Die LED-Videoleuchte „YN 300“ von Yongnuo aus Hongkong. Ab sofort sorgt sie bei mir für die bessere Ausleuchtung von Produktfotos.

„Kalt-weißes“, sehr helles, und ziemlich farbtreues Licht mit einem geschätzten Halbwertswinkel von bis zu rund 90 Grad (oben liegend mit matter Streuscheibe und geöffneten Abschirmklappen, unten rechts stehend von der Seite mit teilweise geschlossenen Klappen) bietet die Yongnuo „YN 300“. (Fotos: W. Messer)
Als LED-Blogger hat man’s nicht einfach, wenn es um gute Fotos geht: Leucht- und Farbtreuebilder der Testkandidaten sollten völlig ohne Einfluss von Fremdhelligkeit gemacht werden; die Abbildungen der Lampen und Leuchten selbst benötigen dagegen sehr viel Licht – am besten naturgegebenes mit hoher Farbtemperatur und Farbtreue.
Wenn mir allerdings mitten in der Nacht einfällt, dass zu einem Testbericht noch das Detailfoto eines Lampengehäuses fehlt, oder wenn mal wieder tagsüber nur schwaches Licht durch die Studio-Dachfenster scheint, dann gucke ich in die Röhre: Zu dunkel und kein Foto-taugliches Kunstlicht als alleinige oder Stütz-Beleuchtung im Haus.
Offiziell bis zu 2280 Lumen – mit Akku!
Damit ist jetzt dank einer schlanken Investition von rund 90 Euro Schluss. Die seit gut zwei Jahren produzierte, mobile LED-Videoleuchte „Pro LED Video Light YN 300“ des chinesischen Anbieters Yongnuo kam in einem Komplett-Set mit Akku (7,2 Volt, 4400 mAh), Ladegerät, 230-Volt-Adapterstecker, Mini-Tischstativ, Schraub-Handgriff, vier Vorsatzscheiben und IR-Fernbedienung (Bild unten). 300 LEDs leuchten hier mit „kalt-weißer“, tageslicht-ähnlicher Farbtemperatur 5500 Kelvin, offiziell bis zu sagenhaften 2280 Lumen Lichtstrom bei maximal 18 Watt Leistungsaufnahme, einem Farbwiedergabeindex Ra/CRI von mindestens 90 und einem nominellen Abstrahlwinkel von 55 Grad (ohne Streuscheibe; mit sind’s wohl deutlich mehr).

Moderne CoB– oder SMD-Technik? Fehlanzeige, hier sind altertümliche „Drahtfüßchen“ (THT)-LEDs mit 50.000 Leuchtstunden Nennlebensdauer am Werk. Spätestens jetzt kriegen Skeptiker wie ich Pickel: Kennt man ja, diese chinesischen Hinterhofklitschen. Montieren Museumsschrott zusammen, würfeln phantastisch hohe Leistungsangaben aus und hauen damit die blöde Langnasen-Kundschaft über’s Ohr, die solche Mondwerte auch noch ungeprüft glaubt – Hauptsache, die Leuchte ist spottbillig.
Heller als mancher Netzstrom-LED-Fluter
Und jetzt kommt der Messer mal ohne Messinstrumente und sagt: Diese LED-Videoleuchte funktioniert viel besser als gedacht – sehr viel besser. Lassen wir die nominellen, sehr optimistischen 2280 Lumen mal beiseite (würde mindestens zwei 75-Watt-Glühlampen entsprechen) und stellen fest: Beim fröhlichen Vergleichsleuchten im Garten war die akkubetriebene 18-Watt-Yongnuo bei Höchstleistung heller als unser Netzstrom-gespeister 24-W-LED-Außenfluter von „Lutec“ mit offiziell 1600 lm. Damit empfiehlt sich der Hongkong-Strahler ganz nebenbei auch als wirksame „Lichtdusche“ gegen den „Winter-Blues“ (SAD).
Die Akkuladung hält dann allerdings nicht viel länger als eine Stunde (die beworbenen 90 Minuten sind stark übertrieben; vor dem schädlichen Tiefentladen des Akkus schaltet sich die Leuchte komplett ab). Bei dieser Dauerprüfung habe ich maximal 30 Grad am Gehäuse und Lichtaustritt gemessen – die Leuchte bleibt also handwarm und völlig unkritisch.
Überraschend gute Farbwiedergabe
Und wie steht’s mit der Farbtreue? Da wartet schon die nächste positive Überraschung – beim Standard-Foto mit der Ducati 916 im Kleinformat auf weißem Untergrund (Weißabgleich „bewölkter Himmel“, ohne Nachbearbeitung):

Das weiße Papier sieht wirklich weiß aus, das für LEDs besonders schwer wiederzugebende satte Rot strahlt in voller Pracht, die schwarzen Bildanteile tendieren wegen der großen Helligkeit zum Dunkelgrau – unangenehme Farbstiche in Richtung Grün oder Blau gab’s subjektiv aber nicht und die Schattenwürfe sind weich und sehr homogen. Da können Sie in meinen bisherigen LED-Tests lange bzw. vergeblich nach einem ähnlich farbtreuen oder neutralen Foto der Duc suchen. Zum Vergleich: So sieht die Kamera das Moped bei echtem Tageslicht.
Mess-Theorie und Praxis beim Flimmern
Ebenso wichtig wie die Farbwiedergabe ist für Videofilmer die Flimmerfreiheit einer LED-Leuchte. Hier wird’s bei der Yongnuo etwas zwiespältig. Einerseits liefert die „Flicker Tester“-App von „Viso Systems“ aus Dänemark ziemlich beunruhigende Werte (Screenshot links): Index 0,2 und 74% bei einer Bezugsfrequenz von rund 100 Hertz hören sich erstmal nach sehr unruhigem Licht mit großer Helligkeits-Amplitude an.
Aber wie sagte schon Fußballtrainer Adi Preißler: „Grau is‘ alle Theorie – entscheidend is‘ auf’m Platz!“ Also mal hübsch die Leuchte auf dem einen Stativ platzieren, die Kamera auf einem anderen, den HD-Video-Modus anwerfen, per Fernbedienung ein bißchen am Leuchtendimmer herumspielen (die Belichtungsautomatik der Kamera versucht, das auszugleichen) und sich dann das Video angucken:
(Wenn Sie kein Video sehen, bitte hier klicken)
Selbst beim Herunterdrehen auf 1/8-Zeitlupe konnte ich kein nennenswertes Flimmern feststellen – übrigens auch nicht im Kamera-Display bei den Foto- und Videoaufnahmen. (Update: Nach einer kleinen Modifikation der Kameralinse kamen beim „Flicker Tester“ erheblich bessere, nachvollziehbarere Daten ’raus – siehe ganz unten.)
Ziemlich umfangreiche Ausstattung
Bemerkenswert ist auch die Ausstattungsvielfalt der Hongkong-Leuchte, die wahlweise auf einem Kamera-Blitzschuh oder auf Stativen jeder Art montiert und bei Bedarf mit einem Handgriff gehalten werden kann. Letzteres ist allerdings bei einem Gewicht von rund 600 Gramm und den Dimensionen (17,3 x 15,3 x 7,1 cm – mit Abschirmklappen, Fußgelenk und Akku) ziemlich grenzwertig.
Der Blick auf die Rückseite …

… enthüllt unter anderem die in zwei Empfindlichkeitskurven umschaltbare, stufenlose Dimmbarkeit mit Kontroll-LEDs, eine Automatikstellung, die den LED-Lichtstrom an das Umgebungslicht anpasst, einen Akku-Tester, den rückwärtigen Infrarot-Sensor (vorne gibt’s auch einen) und – Tusch! – eine SOS-Schaltung, die optisch in regelmäßigen Abständen das international gültige Morse-Notsignal auslöst. Das ist natürlich ein unverzichtbares Feature für Blogger, die mal wieder die ganze Nacht durchgearbeitet haben, völlig entkräftet am Boden liegen und dringend ’ne Mund-zu-Mund-Beatmung oder was Leckeres vom Pizza-Service brauchen.
Dass die Mini-Fernbedienung neben dem An-/Ausschalten und Dimmen der Leuchte noch einzelne, rudimentäre Funktionen von einigen Canon-, Nikon-, Sony- und Pentax-Spiegelreflexkameras steuern kann, sei nur am Rande erwähnt – ebenso wie die vier Filterscheiben, von denen ich nur die matte (Streuscheiben-)Variante ohne Beeinflussung der Farbtemperatur für sinnvoll halte. Auch die vier kleinen Abschirmklappen haben in der Praxis keinen großen Einfluss auf die Objektbeleuchtung.
Mein Testurteil:
DIe LED-Videoleuchte „YN 300“ von Yongnuo nennt sich zwar „Pro LED Video Light“, dürfte für Profis jedoch höchstens ein Spielzeug sein. Hobby- oder Amateur-Fotografen und -Filmer bekommen mit dem Komplett-Set für unter 90 Euro dagegen eine wertvolle Beleuchtungshilfe, die viel besseres Licht bietet, als man es von der altertümlich anmutenden LED-Technik erwarten würde.
Hier stören in der Praxis keine Surrgeräusche, kein Flimmern, keine Hitze, keine unangenehmen Farbstiche. Nominelle Lichtfarbe und Farbtreue sind glaubhaft; beim Lichtstromwert und den versprochenen Akkulaufzeiten wurde offensichtlich etwas übertrieben.
An der Funktionsvielfalt, Bedienung und Kunststoff-Verarbeitung gibt’s nichts auszusetzen, so lange man keine Profi-Maßstäbe für Studioausrüstung anlegt. Die „YN 300“ ist einfach nur eine mobile, helle, sehr effiziente und günstige LED-Videoleuchte, mit der Sie außerdem bei einem Stromausfall sogar ein großes Treppenhaus ausreichend erhellen könnten. Dafür gibt meine strenge LED-Bewertungsskala anerkennende




viereinhalb Sterne.
(Offenlegung: Die Leuchte wurde mir nicht gratis zur Verfügung gestellt, sondern zum vollen Preis regulär gekauft.)
Update November 2015: Inzwischen empfiehlt „Viso Systems“, die Kameralinse für die Flimmer-Messungen mit einem handelsüblichen, weißen Kopierpapier abzudecken, um eine homogenere Streuung und somit auch genauere Werte zu erzielen.
Und tatsächlich: Eine Nachmessung der Leuchte in halb gedimmter Einstellung sowie mit der kleinen Linsen-Modifikation ergab einen Flicker-Index von 0,0 und nur 3% Flimmer-Rate. Das spricht für ein sehr stabiles Licht und deckt sich viel besser mit meinen Praxis-Beobachtungen.
LED-Tagebuch (KW 06): „Super Bowl“ …
