Wie können LED-Spots mit identischem Lichtstrom und Halbwertswinkel teils völlig unterschiedliche Lichtstärke/Candela-Werte haben? Diese Frage stellte sich ein Blogleser schon längere Zeit – hier wird sie beantwortet.
Die Leuchtbilder eines Osram-GU10-LED-Spots (links) und eines Philips-GU5.3-LED-Strahlers – beiden haben rund 380 Lumen Lichtstrom und einen Halbwertswinkel von 36 Grad, aber völlig unterschiedliche Candela-Nennwerte. (Fotos: W. Messer)
Christian aus Innsbruck in Österreich hat mir diese Woche eine Mail mit einer interessanten Frage gesendet – geschickt verpackt in einer heftigen Bauchpinselei: 😉
„Ich bin seit vielen Monaten aufmerksamer Leser Ihres Blogs und möchte mich zunächst einmal bedanken – auch im Namen vieler anderer Leser – dass Sie uns an Ihrem Wissen teilhaben lassen. Ich finde toll, dass es Sie gibt und verschlinge Ihre Artikel förmlich. In den großen Weiten des Internets gibt es wohl keinen einzigen anderen Ort, der so interessant und lehrreich ist wie der Ihrige. Also mit einem Wort: DANKE! (Weil das oft viel zu kurz kommt.)
Ich möchte mich gleich vorweg bei Ihnen entschuldigen, dass ich Ihnen schreibe, da Sie hier unmissverständlich ausgedrückt haben, dass man sich am besten gar nicht bei Ihnen melden soll. Ich glaube aber (oder hoffe zumindest), dass Sie meine Frage interessant finden werden: Können zwei Lichtquellen (LED-Leuchtmittel) mit nominativ gleichem Ausstrahlungswinkel und Lichtstrom eine unterschiedliche Lichtstärke erzeugen ?
Ich dachte immer Lichtstärke = Lichtstrom pro Raumwinkel. Ergo: Bei gleichem Raumwinkel müssen Lichtstrom und Lichtstärke zweier Lichtquellen jeweils paarweise identisch sein. Mir ist allerdings schon öfter ein Szenario untergekommen, bei dem diese Regel nicht zutraf, nur habe ich es bislang immer enttäuscht-achselzuckend auf unterschiedliche (oder inkorrekte) Messmethoden der unterschiedlichen Hersteller geschoben.
Jetzt aber sind mir 2 Spots vom selben Hersteller (Philips) untergekommen, bei dem einer bei höherem Lichtstrom eine niedrigere Lichtstärke als der andere Spot hat, und das bei gleichem Ausstrahlungswinkel:
Marke Modell Abstrahlwinkel Lichtstärke Lichtstrom Lichtstrom@90°
Philips 8718291716068 36° 560 cd 430 lm 345 lm
Philips 8718291799207 36° 950 cd 380 lm 345 lm
Wie ist das möglich?? Ich habe zwar beim Hersteller angefragt, aber nur eine Antwort bekommen, die mit meiner Frage rein gar nichts zu tun hatte. Als kompetentester Experte sind Sie meine letzte Hoffnung und so wollte ich es wagen, zu fragen, ob Sie es schaffen Licht in dieses Mysterium zu bringen.“
Die große Winkel/Lichtstärke-Verwirrung
Ja, das klingt tatsächlich reichlich mysteriös und wird in meinem Blogbeitrag über die Candela-Werte auch nicht wirklich erklärt. Meine kurze Antwort:
„Angegeben wird immer die maximale Lichtstärke – die ist meistens zentral im 0-Grad-Winkel an einer einzigen Messstelle, während der Halbwertswinkel den kompletten Raumwinkel beziffert, in dem mindestens die Hälfte dieses maximalen Candela-Werts erreicht wird. Die Nenn-Lichtstärke steht also nicht unbedingt in direkter Relation zum Abstrahlwinkel.
In meinen Strahlertests fotografiere und beschreibe ich ausführlich die Unterschiede beim Leuchtbild durch die verschiedenartigen optischen Konzepte (Streuscheiben, facettierte Reflektoren, Linsen). Da kann es durchaus sein, dass homogener strahlende Spots ihren Lichtstrom gleichmäßiger über den EU-konformen 90-Grad-Bemessungswinkel verteilen als andere mit identischem Halbwertswinkel (der ja meistens weit unter 90 Grad liegt), im Gegenzug aber eine geringere maximale Lichtstärke haben.
Wenn Sie also fünf Spots verschiedener Baureihen/Hersteller mit jeweils 36° Winkel und 300 Lumen Lichtstrom innerhalb von 90° haben, bekommen Sie mit ziemlicher Sicherheit fünf verschiedene Candela-Werte. Bei den beiden verlinkten Philips-Spots ergibt sich der Candela-Unterschied übrigens allein schon durch die stark differierende Zahl der Einzel-LEDs (eine versus sechs) und der deshalb völlig anderen Lichtführung zum Erreichen des gewünschten Halbwertswinkels und Lichtkegels.“
Die Lichtführung macht den Unterschied
Ein anderes Beispiel habe ich in der Fotomontage ganz oben dokumentiert: Die sehr unterschiedlichen Leuchtbilder zweier LED-Spots von Osram und Philips mit weitgehend identischen Lumen- und Abstrahlwinkel-Daten. Dennoch nennt Osram nur 950, aber Philips satte 1200 Candela – immerhin eine Differenz von 250 cd. Dass der eine mit GU10-Hochvolt-Sockel kommt und der andere GU5.3-Niedervolt-Stifte hat, spielt hier übrigens keine Rolle. Stattdessen ist die Lichtführung der sechs bzw. vier Einzel-LEDs entscheidend, was bei der Draufsicht deutlich wird:
Beim Osram-Strahler links müssen sich die 385 Lumen über Kunststoff-Linsenoptiken und eine geriffelte Streuscheibe durcharbeiten; der Philips-Spot rechts haut seine 380 Lumen fast ausschließlich und weitgehend ungebremst durch die Linsen ‚raus – ohne nennenswerte Diffusion und Streuverluste. Während die Münchener also offensichtlich Wert auf eine ziemlich homogene, Halogenstrahler-ähnliche Abstrahlung legten, kam’s den Niederländern wohl eher auf die maximale Reichweite und besonders viel Helligkeit/Lichtstärke innerhalb des 36-Grad-Halbwertswinkels an.
Und wieder wird eine von mir schon lange propagierte Erkenntnis bestätigt: Nennwerte jeder Art bieten bei LED-Leuchtmitteln allenfalls die halbe Wahrheit. Viel wichtiger ist Ihr eigener subjektiver Eindruck, ob die Lampe oder Leuchte für den gewünschten Zweck das passende Licht liefert. Da kommt es auf so viele Faktoren an (Leuchtengehäuse, Montagehöhe, Abstrahlcharakteristik, direkte oder indirekte Objekt-Anstrahlung, Wandfarben/-strukturen, Raumgröße, persönlicher Geschmack, Dimmbarkeit etc.), dass selbst meine ausführlichen Testberichte und die Daten aus dem Labor immer nur ein paar Anhaltspunkte für Ihre individuelle Kaufentscheidung geben können.
Blog-Leserfrage (15): Lumen, Lux und Candela mit der Gartenbrause erklären?
Danke für diesen guten und wichtigen Artikel. Endlich habe ich verstanden – insbesondere durch den hier verlinkten Artikel „LED-Lampen und das Winkel-Dilemma“ – wie es sein kann das ein 36° Spot zwei verschiedene Lumenwerte für Gesamt-Lumen und @90° Lumen haben kann.
Werde mal drauf achten müssen welcher eigentlich auf der Packung steht? Ich halte den Gesamtlumen Wert jedenfalls für relevanter – auch bei einem 36° Spot will ich ja in der Regel den gesamten Raum hell haben!
Auf der Packung muss bei richtstrahlenden Lampen immer der Lichtstrom innerhalb von 90° als offizieller Lumenwert genannt werden. Spots dienen ja einzeln normalerweise nicht dazu, den ganzen Raum zu erhellen – dazu braucht’s fast immer mehrere Exemplare.
Ich finde Spots gerade in der Decke von Gängen eine sehr schöne Allgemein-Beleuchtung – habe selber 8x Philips GU5.3 für den Gang der die Räume meiner Wohnung verbindet… Und bei einem Bekannten muss ich demnächst mal circa 50 (!!!) 20W GU4 Downlights (abgehängte Decke) gegen GU10 LED-Spots austauschen – die aktuellen 1.1kW für die Beleuchtung von Gang in Erdgeschoss und 1. Stock sind einfach ein bisschen zuviel 🙂
Aber anscheinend sind wir da in der Minderheit als Benutzer von Spots zur Raumbeleuchtung…
Also, ich find’s auch sehr geil – solange es genug Spots sind 😉