Vor allem bei GU5.3- oder G4-LED-Retrofits führen die offiziellen mA-Angaben für die Stromstärke – multipliziert mit 12 Volt – zu Werten, die scheinbar viel höher liegen als die offiziellen Watt-Zahlen. Sind LED-Lampen also gar nicht so sparsam wie versprochen?

Der gleiche Verbatim-GU5.3-LED-Spot, aber mit unterschiedlichen Milliampère-Messwerten an zwei verschiedenen Vorschaltgeräten/Trafos – links 544, rechts nur 503 mA. Wieso? Die Auflösung gibt’s unten im Beitrag. (Fotos: W. Messer)
Es sieht auf den ersten Blick wie ein unwiderlegbarer Beweis für eine großangelegte Verschwörung der LED-Hersteller aus, was mir Blogleser Johannes am Wochenende berichtet hat. Danach scheint es, als würden die Anbieter bei den offiziellen Watt-Zahlen ihrer Lampen gnadenlos lügen:
„Kürzlich berichteten Sie, dass es bei Netto LED – Lampen gibt. Ich brauchte 7 x GU5.3-LED-Spots. Daher schaute ich mir die Spots von Netto, Eigenmarken-Spots bei Kaufland und Spots von Philips an. Bei allen drei Spot-Herstellern ist mir aufgefallen, dass die Leistungsangaben in Watt auf der Vorderseite (also die beworbene Leistung) mit Angaben in klein zur Stromstärke auf dem Spot bzw. auf der Rückseite nicht übereinstimmen. Vielleicht mache ich auch einen Denkfehler (ich besitze nur Schul- und Bastelkenntnisse).
Bei dem Netto-Spot war die Leistung mit 4 Watt bei 230 Lumen angegeben (ca. 57 Lumen/Watt). In klein stand auf dem Spot aber auch Stromstärke 600 mA. Insofern entspricht die Leistung 600 mA * 12 V = 7,2 Watt. Damit ist die Ausbeute nur noch ca. 32lm/W und beinahe nur halb so groß. Gleiches habe ich auch bei den Spots von Kaufland und Phillips feststellen können, woraufhin ich keine Spots kaufte.
Die Spots von Kaufland waren übrigens sehr günstig (ca. 330 Lumen-GU5.3-Spot für 4,49 €). Die Leistung sollte, glaube ich, 6 Watt betragen. Die Stromstärke war dann aber ca. 730 mA und damit die Leistung 730mA * 12V = 8,76 W.
Wie gesagt, vielleicht berücksichtige ich etwas nicht, aber mir scheint es, als würden viele Hersteller keine aufrichtigen Leistungsangaben machen. Falls Sie Zeit finden, mir 2-3 Zeilen zu dem Thema zu schreiben, würde ich mich sehr freuen.“
Der vermeintliche Skandal ist keiner
Bis hierhin scheint das die Aufdeckung eines Riesen-Skandals zu sein, zumal auch andere Blogleser in den Kommentaren immer mal wieder von offenbar massiv zu niedrig beworbenen Watt-Angaben bei gekauften und nachgemessenen LED-Lampen berichten. In Wirklichkeit ist es aber eine Phantomdebatte, wie ich in meiner Antwort an Johannes zu erklären versuchte:
„Die direkte Umrechnung mA Bemessungsstromstärke x 12 Volt Nennspannung führt nicht unbedingt zur tatsächlichen Wattleistung einer Niedervolt-Lampe. Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: Wechsel- oder Gleichspannungs-Versorgung (VA Wechselstrom ist nicht identisch mit Watt – siehe Blindleistung), tatsächliche Spannung (eventuell unter 12 Volt). Siehe dazu beispielsweise die mA-Werte dieses LEDON-Datenblatts (unten bei „Elektrische Daten“).
Entscheidend für Ihre Stromrechnung und die lm/W-Effizienz der Lampen sind allein die gemessenen Watt-Wirkleistungswerte (wie sie auch in meinen Tests ermittelt, vom EU-Ökolabel erfasst und von den Aufsichtsbehören nachgeprüft werden). Wegen der mA-Werte keine LED-Lampen zu kaufen, ist jedenfalls Unsinn. Holen Sie sich lieber ein anständiges Verbrauchsmessgerät, das die Wirkleistung anzeigen kann. Dann werden sie sehen, dass die Angaben meistens ziemlich zutreffend sind.
Bei Niedervolt-LED-Lampen kommt es natürlich noch auf die Effizienz des externen Trafos an, der zusätzlich Leistung frisst. Das berücksichtigen die „kWh/1000 Stunden“-Verbrauchswerte im EU-Ökolabel solcher Lampen – mit einem 10prozentigen Aufschlag auf die Netto-Leistung der Lampe. Auf diesen Umstand weise ich auch immer wieder in meinen entsprechenden Tests hin.“
VA-Werte müssen mit Leistungsfaktor verrechnet werden
Tatsächlich ergeben die mA-Zahlen bei vielen meiner GU5.3-Testspots (rechts eine Auswahl verschiedener Fabrikate) bei der Multiplikation mit 12 niemals den exakten Watt-Nennwert im gleichen Aufdruck. Die Differenz des rechnerisch ermittelten VA-Wertes zum angegebenen (und meist auch tatsächlichen) Watt-Verbrauch wird vor allem durch den elektrischen Leistungsfaktor der jeweiligen Lampe bestimmt.
Unterschiede kann’s aber auch durch die unterschiedliche Stromversorgung mit externen Trafos und ihrer Gesamtbelastung durch die angeschlossenen Lampen geben. So habe ich beispielsweise an einem LED-geeigneten, dimmbaren Osram-„Halotronic HTM 70“-Wechselspannungstrafo mit einem 6,5-Watt-Verbatim-GU5.3-Spot nur 10,4 Volt und ca. 500 mA Strom gemessen (ergibt 5,2 VA, siehe Foto ganz oben rechts).
Im Leerlauf geht die Spannung dieses Trafos sogar auf 3 Volt zurück; erst bei 20 Watt Gesamtlast (dem nominellen Mindestlastwert des „HTM 70“) klettert sie auf knapp 12 V. Übersetzt heißt das: Nur mit mindestens drei parallel angeschlossenen Verbatim-Spots können Lampen und Trafo ihre optimale Leistung zeigen.
Bei Gleichspannung ist die Rechnung einfacher
Ein Meanwell-Gleichspannungstrafo namens „LPF-60D-12“ brachte dagegen schon mit einer Lampe 12,2 Volt und gut 540 mA auf’s Display meines Messgeräts (siehe Foto ganz oben links). Das ergibt in der Multiplikation tatsächlich rund 6,6 Watt und damit weitgehend den Nennwert des Verbatim-Spots.
Merke: Bei mit Gleichspannung versorgten LED-Lampen gibt es keine Blindleistung, die einen Messwert verfälschen könnte. Hier kommt nur noch der Stromkonsum des externen Trafos hinzu und schon haben wir den exakten Watt-Gesamtverbrauch.
Zu viel Information verwirrt die Kundschaft
Was lernen wir daraus? Die Milliampère-Angaben sind normalerweise der vom Hersteller gemessene Wert bei optimaler Wechselspannungs-Stromversorgung (AC) – bei 230-Volt-LED-Lampen sowieso, aber offensichtlich ebenso bei Niedervolt-Retrofits (links sehen Sie auf einer LEDON-Verpackung sowohl diesen als auch die niedrigere DC-/Gleichspannungs-Stromstärke).
Zusätzlich finden Sie auf einigen Datenblättern einen „berechneten“ mA-Wert, der den elektrischen Leistungsfaktor berücksichtigt und deshalb ein gutes Stück niedriger liegt. Einen echten Informationsgewinn für die „normale“ Kundschaft bringt beides nicht – im Gegenteil: Die Zahlen tragen nur zur ohnehin verbreiteten Verwirrung der Verbraucher bei, wie auch die Blogleser-Frage hier mal wieder beweist.
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