Wie LED-Licht Meeresschildkröten-Babys rettet

Hell erleuchtete Häuserfronten in der Nähe von Stränden sind eine tödliche Gefahr für frisch geschlüpfte Meeresschildkröten. In Florida wird deshalb spezielle „turtle friendly“-LED-Beleuchtung eingesetzt – mit großem Erfolg.

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Gerade geschlüpft und aus dem Sand gekrochen: Eine Baby-Meeresschildkröte der Gattung „Chelonia mydas“ – auch als „Suppenschildkröte“ bekannt. (Foto: Manuel Heinrich/Emha@Wikimedia Commons, Lizenz: CC-by-sa 2.5)

Das Leben beginnt für Meeresschildkröten schon von Natur aus als extreme Herausforderung: Zuerst müssen die Babys nach rund 60 Tagen Brutzeit im Strand die Eihülle aufbeißen, sich mit ihren Artgenossen aus dem Nest etwa einen halben Meter durch den Sand nach oben ins Freie wühlen und dann den Weg zum Wasser finden, ohne vorher auszutrocknen und vorzeitig zu sterben.

Diesen gefährlichen Kraftakt versuchen sie deshalb nicht unter praller Sonne, sondern erst bei Dunkelheit. So können sich die kleinen Tierchen auch an den glitzernden, „kalt-weißen“ Lichtreflexen orientieren, die Mond und Sterne auf der Brandung verursachen. Unsere moderne Zivilisation durchkreuzt diesen Plan jedoch massiv: Hell beleuchtete Küstenpromenaden und Strandgebäude gaukeln den Schildkröten nämlich eine Wasserlinie vor, die sie in die entgegengesetzte Richtung und damit ins Verderben führt.

Jährlich zehntausende tote Jungtiere

Nach einem Bericht von „Scientific American“ kommen allein in Florida jedes Jahr zehntausende desorientierte Schildkröten-Babys bei ihrem ersten Ausflug ums Leben – durch Autos, Fressfeinde oder Austrocknen. Und dabei ist ihre Population dort ohnehin schon stark bedroht, nachdem die Explosion und der Untergang der Bohrplattform „Deepwater Horizon“ 2010 für eine katastrophale Ölpest im Golf von Mexiko sorgte.

Die Tierschutzorganisation „Sea Turtle Conservancy“ (STC) versucht deshalb, die Küstenlinien des US-Bundesstaates möglichst komplett auf spezielle LED-Beleuchtung umrüsten zu lassen. Die Idee basiert auf der besonderen Lichtwahrnehmung der Meeresschildkröten, die bei Wellenlängen über 570 Nanometer stark abnimmt. Diesen Farbbereich zwischen Gelb und Rot sehen wir Menschen noch recht gut und nutzen ihn auch für „warm-weiße“ Beleuchtung.

Glühlampen sind für Schildkröten zu hell

LEDON-Sunset-gedimmt-neuWer aber glaubt, dass herkömmliche Glüh-, Halogen- oder Natriumdampf-Lampen mit ihrem als gelb-rötlich empfundenen Licht bereits „turtle friendly“ seien, liegt falsch. Als Vollspektrum-Leuchtmittel liefern sie nämlich auch unterhalb von 570 nm Wellenlänge noch jede Menge Strahlungsenergie, die von den Schildkröten wahrgenommen und als Meereslicht missverstanden wird.

Die Lösung: LED-Lampen oder -Leuchten mit bernsteinfarbenen und roten Chips, die von Haus aus keine oder nur geringe Blau- und Grünanteile haben (im Bild eine LEDON-„Sunset Dimming“-Lampe mit „Amber“-LED, Foto: W. Messer). Zusätzlich muss auf möglichst geringe Lichtströme und enge Abstrahlwinkel geachtet werden. Der Unterschied zur bisherigen Strandbeleuchtung ist enorm:

Strandlicht-vorher
Strandlicht-nachher
Ein Küstenabschnitt in Florida (vom Strand aus gesehen) vor der LED-Umrüstung (oben) – und danach (unten). (Fotos: Sea Turtle Conservancy)

An den bereits umgerüsteten Küstenabschnitten gibt es jetzt hauptsächlich nur noch dort Helligkeit, wo sie wirklich gebraucht wird, kaum Streulicht und als schöner Nebeneffekt auch rund 70 Prozent Stromersparnis. Das Resultat der ersten Pilotprojekte laut STC-Chef David Godfrey: Statt jeweils hunderter desorientierter Meeresschildkröten-Babys sehe man dort inzwischen keine einzige mehr auf Irrwegen.

Drei Hauptvorgaben für „turtle friendly“

Die Organisation empfiehlt deshalb privaten und gewerblichen Küstenanliegern auf ihrer Website sowie in einem ausführlichen Dokument (pdf-Download) zahlreiche LED-Produkte, die nachweisbar „turtle friendly“ und in Florida erhältlich sind. Die wesentlichsten Merkmale:

  • relativ bodennahe Montage
  • weitgehend vollständige seitliche Abschirmung der Lichtquelle
  • möglichst lange Wellenlänge des Lichts

In den vergangenen zwei Jahren wurden nach diesen Maßgaben LED-Retrofit-Umrüstungen an über 80 Stellen von Floridas Küste realisiert. Das Geld dafür kam hauptsächlich aus dem „Recovered Oil Fund for Wildlife„, der nach der „Deepwater Horizon“-Katastrophe gegründet wurde und aus der in Raten zu leistenden 4,7 Milliarden US-Dollar-Strafe sowie weiteren Schadenersatzzahlungen von „BP„, „Transocean“ und „Halliburton“ finanziert wird. So kann das auf Kosten der Natur angehäufte Vermögen der Konzerne endlich mal sinnvoll arbeiten.

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Hatte bei der Themenfindung für diesen Beitrag maßgeblichen Anteil: Unsere wasser- und sonnenliebende Rotwangen-Schmuckschildkröte Ottilie – kurz „Tilly“. (Foto: W. Messer)

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