Blog-Leserfrage (7): Große Verwirrung durch zu viele LED-Daten?

Werden Datenblätter und Verpackungen von LED-Lampen mit vielen unnötigen Infos vollgeschrieben, die „normale“ Kunden gar nicht interessieren, sondern nur verwirren? Das ist im Kern die Frage von Blog-Leser M. aus Bayern.

LED-Daten
Jede Menge Informationen auf LED-Lampenpackungen und -Datenblättern – alles hübsch nach Vorschrift. Aber können die Verbraucher das auch alles kapieren?
(Foto: W. Messer)

Da kennt die EU-Bürokratie keine Gnade: Ab diesem September, teils auch erst ab 1. März 2014, müssen alle LED-Anbieter ihren Kunden unzählige Daten liefern – auf den Verpackungen, im Internet und auf den Datenblättern ihrer Lampen und Leuchten. Die Regelungen dafür stehen in der Verordnung Nr. 1194/2012 zur Durchführung der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Lampen mit gebündeltem Licht, LED-Lampen und dazugehörigen Geräten” (pdf-Download).

Viele halten sich jetzt schon weitgehend daran, andere müssen in diesen Wochen noch kräftig an der Umsetzung arbeiten. Bei einem dieser Hersteller und Händler arbeitet M. als Elektrotechniker. Per E-Mail hat er mir diese Anfrage geschickt, die ich hier mit seinem Einverständnis anonymisiert veröffentliche:

„Beruflich bin ich normalerweise gewohnt, mit der doch manchmal gewöhnungsbedürftigen Sprache in Normen umzugehen und diese zu deuten; allerdings stellen sich mir bei der 1194 schon ein paar Fragen.

Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich die Idee der 1194, aus Kundensicht, prinzipiell gut finde. Die Verordnung zielt meiner Meinung nach ja ganz klar darauf ab, die Anforderungen klar zu definieren und vor allem die Kennzeichnungspflicht in Datenblättern und auf Verpackungen zu regeln, um so mehr oder weniger die Spreu vom Weizen zu trennen.

Es wurde ja auch von Ihnen gelobt, dass nun endlich alle längst überfälligen Angaben zur Beurteilung von guten und schlechten LED-Produkten angegeben werden müssen. Mir stellt sich allerdings die Frage, ob der Standard-Ottonormalkunde, der sich nicht wirklich mit technischen Details beschäftigt, sondern einfach nur Licht haben will, nicht zusätzlich verwirrt wird.

In der Verordnung wird ja beispielsweise unterschieden zwischen Nennwerten und Bemessungswerten für Lichtstrom, Abstrahlwinkel, Lebensdauer.

Mir stellen sich daher folgende Fragen:

1. Was genau ist der Unterschied zwischen Nenn- und Bemessungswert? Meines Erachtens ist eines davon der tatsächliche Wert, der gemessen wurde, und das andere ein Wert zur Kategorisierung von Produkten. Aber was genau bringt diese Unterscheidung dem Endkunden?

2. Werden Datenblätter nicht unnötig mit Informationen vollgeladen, die den normalen „dummen“ Kunden gar nicht interessieren, bzw. eher nur verwirren? Wäre es nicht sinnvoller, gewisse Punkte zwar in die Anforderungen an die Betriebsdaten aufzunehmen, aber von der Verpackung bzw. den Datenblättern fernzuhalten?

Mich würde Ihre Meinung hierzu interessieren.“

Ich habe Marco diese Anmerkungen zurück geschrieben:

„Sie haben natürlich recht: Die Anzahl und Art der insgesamt geforderten Daten überfordert den Normalverbraucher. Wie bei allen anderen komplexen Elektronikgeräten muss und wird er aber auch nicht alles lesen, was in den Datenblättern steht.

Generell liegt der Unterschied zwischen Nenn- und Bemessungswerten darin, dass der erste einen rechnerischen Mittelwert darstellt und der zweite die mögliche Schwankungsbreite in der Produktion bzw. im Betrieb. Wichtig ist dabei etwa der Unterschied bei der berechneten und gemessenen Stromstärke von Hochvolt-LED-Lampen. Die differiert teils erheblich wegen der relativ hohen Scheinleistung, die wiederum eine Rolle für den Einsatz von mehreren LED-Lampen in einem (Dimmer-)Stromkreis spielen kann – Stichwort „kapazitative Last“.

Bei den anderen Werten zeigen die bisherigen Datenblätter meist identische Angaben für Leistungsaufnahme, Lichtstrom, Lebensdauer etc. … Tatsächlich ergeben sich aber bei Nachmessungen des Lichtstroms häufig höhere Lumenwerte als der Nennwert (der bei hochwertigen Markenprodukten meist nur einen unteren Mindestwert darstellt). Eigentlich müsste auch hier ein Streubereich genannt werden (etwa: „806 Lumen“ vs. „bis zu 840 Lumen“). Ähnliches gilt für die Farbtemperatur, wo manche Hersteller einen Mittelwert mit anschließendem Plus-/Minus-Wert im Datenblatt haben. Beides kann für den Kunden sehr hilfreich sein.

Die Verordnung sieht ja vor, dass auf der Verpackung relativ wenige Daten stehen müssen, dafür in Datenblättern/auf Websites umso mehr. Das halte ich für sinnvoll, weil sich bei Bedarf ein überdurchschnittlich interessierter Kunde umfassender informieren kann (aber nicht muss). Es gab von manchen Bloglesern sogar bereits die Forderung nach weiteren Pflicht-Daten und -Angaben (etwa Spektralverteilung etc.) – die Wünsche sind da sehr unterschiedlich.

Generell gilt ja jetzt schon: Lichtkunden müssen viel mehr wissen und entscheiden als früher, um das Passende für sich zu finden – die damit verbundene Notwendigkeit, sich vorher umfassend zu informieren, kann ihnen niemand abnehmen. Die Hersteller sollten Ihnen die dafür notwendigen Infos in möglichst verdaulicher Form (abgestuft) zur Verfügung stellen – möglichst bereits in der Werbung für ihre Produkte und natürlich auch auf der Verpackung. Ziemlich vorbildlich finde ich da beispielsweise die neuen LEDON-Packungen.“

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M. antwortete mir kurz darauf:

„Das mit den erweiterten Angaben in den Datenblättern ist richtig und ich verstehe Ihre Argumentation, dass der etwas mehr interessierte Kunde dadurch eine Möglichkeit hat, sich besser zu informieren.

Allerdings habe ich mir auch die Datenblätter von diversen Herstellern im Internet angesehen (soweit diese schon gemäß der 1194 waren), und dort werden für die von mir erwähnten Punkte beim Bemessungswert und dem Nennwert identische Werte angegeben. Daher war für mich die Frage, ob das für den Kunden dann Sinn macht. Wenn ich beide Male einen identischen Wert angebe, kann man sich meiner Meinung nach jeweils eine Angabe sparen, da dies das Datenblatt nur unnötig aufbläht. …

Generell will ich betonen, dass ich durchaus für besser geregelte Anforderungen und für eine bessere Informationspflicht dem Kunden gegenüber bin. Dies ist ja auch in unserem Firmeninteresse, da wir uns dadurch natürlich von den doch durchaus vorhandenen schwarzen Schafen abheben können. Allerdings denke ich, dass gerade diese Nennwert/Bemessungswert-Thematik zumindest diskutabel ist, zumal generell jeweils die gleichen Werte angegeben werden.“

Richtig, das hatte ich ja in meiner Mail bereits beschrieben: Tatsächlich gibt es in vielen Fällen einen realen Unterschied zwischen diesen Werten, der auch irgendwo zu lesen sein müsste. Aber das ist sicher nicht das Hauptproblem der verordneten Datenflut, sondern geht schon weit über den Horizont eines „Otto Normalverbrauchers“ hinaus.

Lampen-Suchseite für Verbraucher?

Neulich bekam ich eine Anfrage, ob ich nicht mal eine Übersichtsseite im Blog gestalten möge, mit der Verbraucher die für sie und ihre Zwecke geeigneten LED-Lampen heraussuchen könnten. Das wäre aber angesichts der Vielfalt des Angebots, der sehr kurzen Produktzyklen und der Komplexität der einzelnen Leistungsmerkmale ein Mammut-Unternehmen (Stichwort: „Datenvielfalt“!), das nur firmenübergreifend (staatlich oder auf Verbandsebene) finanziert und mit vielen hundert Arbeitsstunden vorstellbar ist.

In den USA gibt’s tatsächlich so eine frei zugängliche Gratis-Internet-Datenbank namens „LED Lighting Facts Products“ mit über 8500 Lampen und Leuchten. Initiiert wurde sie vom US-Energieministerium, bei dem alle US-Anbieter ihre stromsparenden Lampen registrieren müssen, wenn sie auch als solche anerkannt werden sollen. Das ist schon ziemlich hilfreich, aber höchstens die halbe Miete. Denn „grau, teurer Freund, ist alle Theorie“, wenn die mühsam herausgepickten Lämpchen in der Praxis nicht wie gewünscht funktionieren.

Packungsaufdrucke und Datenblätter sind tatsächlich nicht nur informativ, sondern oft auch verwirrend oder gar irreführend. Ob man die anders gestalten könnte? Möglich, aber wo ist die goldene Mitte zwischen „zu viel“ und „zu wenig“? Mir fällt im Endeffekt auch nichts Schlaueres ein als eine individuelle LED-/OLED-Beratung für die jeweils konkrete Beleuchtungsaufgabe (also das, was Sie derzeit im Elektro-/Lampen-Fachhandel so gut wie nie bekommen). Oder was meinen Sie?

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