Ein paar Hausaufgaben für die LED-Branche (Update 21.5.)

Auch 50 Jahre nach Entwicklung der ersten Leuchtdiode hat die LED-Beleuchtung in Deutschland noch nicht ganz den Weg aus der Nische geschafft: Bei uns machte sie 2011 nur knapp zwei Prozent des Lichtmarktes aus, weltweit wurden immerhin 10 Milliarden Euro mit LED-Lampen und -Leuchten umgesetzt. Gekauft werden sie bisher überproportional von Industrie und Gewerbe, private Verbraucher halten sich dagegen noch sehr zurück. Kein Wunder: Hochwertige LED-Produkte sind ungleich teurer als herkömmliche Leuchtmittel und häufig auf den ersten Blick nicht von minderwertigen LED-Lampen zu unterscheiden.
LED-GU10-Puzzle
Vier LED-Spots mit GU10-Sockel und ähnlichem Stromverbrauch aus zwei Preisklassen – die Markenbezeichnungen habe ich bei dieser Fotomontage entfernt. Raten Sie mal: Welcher Strahler kommt von welchem Unternehmen? (Fotos: PR)

Die Branche feiert sich zur Zeit selbst – auf der Fachmesse „light+building“ in Frankfurt (Twitter-Hashtag: #lb12). Nach ersten Beobachtungen von Teilnehmern ist es aber etwas ruhiger als bei der letzten Ausgabe 2010. „Sieht so aus, als seien weniger Besucher hier“, berichtete mir ein Insider, „das hat vielleicht was mit der Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun“. (Update 20.4.: Die Messegesellschaft schreibt in ihrer Abschlussmeldung von rund 196.000 Besuchern, das wären etwa 13.000 mehr als vor zwei Jahren. Außerdem seien 2.352 Hersteller aus 50 Ländern vertreten gewesen – im Jahr 2010 lag diese Zahl bei 2.154). Die Produzenten, Erfinder und Händler präsentieren die neuesten Entwicklungen der Licht-, und Elektrotechnik sowie der Haus- und Gebäudeautomation. Schwerpunkt der noch bis Freitag laufenden und nur für Fachbesucher zugänglichen Messe ist die Energieeffizienz.

Die sollte angesichts stetig steigender Strom-, Öl- und Gaspreise auch den durchschnittlichen Verbraucher interessieren, tut sie aber nur zum Teil. Zwar setzen derzeit zahlreiche Hausbesitzer auf teure energetische Sanierung und Solarenergie, Wohnungseigentümer und Mieter scheuen aber meist vor größeren Sparinvestitionen zurück. Leider gilt jedoch hier die alte Binse „Von nix kommt nix“. Um langfristig Kosten zu sparen, müssen Sie erstmal viel Geld in die Hand nehmen.

Allein die Umrüstung einer kompletten Wohnungsbeleuchtung auf energieeffiziente LED-Beleuchtung kann Tausende verschlingen, ohne dass ein sofort wirksamer Spareffekt eintritt. Erst bei der nächsten Jahresabrechnung Ihres Stromversorgers werden Sie bemerken, dass Sie weniger verbraucht haben und deshalb Ihre monatliche Abschlagszahlung reduzieren können. Das Belohnungszentrum im Hirn wird mit derart langfristigen Perspektiven nicht besonders glücklich – der schnelle „Kick“ fällt flach.

Plagiatoren bleiben unbehelligt

Kaum jemand dürfte bei kurzfristiger Betrachtung euphorisch reagieren, wenn er für die LED-Alternative einer herkömmlichen 60-Watt-Glühlampe über 30 Euro oder für das Pendant einer 75-Watt-„Birne“ sogar rund 60 Euro auf den Tisch legen muss. Bisher sind’s eher solche „Geeks“ und Technik-„Nerds“ wie ich, die das trotzdem tun – mit zum Teil großen finanziellen Opfern. Andere greifen lieber zu billigeren Lampen: Dem stromfressenden und veralteten „Glühobst“ vom Baumarkt-Wühltisch, den so genannten „Energiesparlampen“ mit giftigem Quecksilber drin oder – die ganz Mutigen – zu den „supergünstigen“ LED-Sonderangeboten aus unzähligen chinesischen Hinterhofklitschen (das sind die, die mir ungefragt, täglich mehrfach per Spam-Mail von ihren tollen neuen „Strips“, „Tubes“ und „Bulbs“ vorschwärmen).

Letztere sehen zum Teil sogar richtig gut aus – teuren Markenprodukten zum Verwechseln ähnlich. Oder wüssten Sie auf Anhieb, welcher der oben abgebildeten vier LED-Spots der „Billigheimer“ mit dem „noch nie gehört“-Namen ist? Nein? Macht nichts, die Auflösung kommt noch.

In vielen Fällen ist es für die Entwickler und Anbieter von hochwertigen LED-Leuchtmitteln gar nicht möglich, Design- oder Technikmerkmale patentrechtlich weltweit und wirksam zu schützen. Die Verfahren dafür sind bei einem sich schnell ändernden neuen Markt viel zu langwierig und die rechtliche Durchsetzung von Ansprüchen meist aussichtslos. Deshalb lässt man selbst freche Plagiatoren unbehelligt gewähren, obwohl sie mit ihren Produkten aggressive Kundenverwirrung betreiben.

Noch acht Jahre bis zum Durchbruch?

Denn natürlich dürfen Sie nicht von Vornherein erwarten, dass eine LED-Lampe zum halben Preis die gleiche Helligkeit, Lichtqualität und Lebensdauer bietet wie das teure Markenprodukt, auch wenn das die Billiganbieter behaupten. Teils merken Sie das sofort nach dem Kauf, teils aber auch erst nach Monaten und Jahren. Wenn dann die Leuchtmittel, die eigentlich 25 Jahre halten sollen, weit vor der Zeit stockdunkel werden, ist der genervte Kunde nachhaltig von der gesamten LED-Technik vergrätzt und für die Branche verloren.

So kann kein Massenmarkt entstehen. Optimistische Schätzungen – wie etwa eine Studie der McKinsey-Marktforscher – versprechen für 2020 einen Welt-Jahresumsatz von knapp 65 Milliarden Euro oder einen LED-Anteil am gesamten Leuchtmittelmarkt von über 50 bis knapp 60 Prozent. Eine Steigerung von nur 54 Milliarden in acht Jahren? Eine steile Erfolgskurve sieht anders aus.

Philips Master-LED-Bulb 17W Wie’s besser geht? Vermutlich nicht mit den absurd teuren, neuen und leistungsstarken „Retrofit„-Lampen, die gerade auf der „light+building“ vorgestellt werden und teils noch nicht mal lieferbar sind. Über 1000 Lumen Lichtstärke (etwa so hell wie eine traditionelle 75W-Glühlampe – im Bild links beispielsweise die 17W-„Master LEDbulb“ von Philips) für bis zu 60 Euro? Kein Massenprodukt, sorry. Auch nicht mit den hübschen Flächenleuchten aus organischen Leuchtdioden (OLED), die bisher mit unter 20 Lumen/Watt gerade mal die Effizienz von Halogenlampen erreichen und drei- bis vierstellige Mondpreise pro Modul kosten (ja, ich weiß, dass sich das alles noch ändern soll).

Zwei Lösungsansätze

Verrückte wie mich, die ihre Wohnungen, Treppenhäuser, Außenleuchten etc. bereits komplett auf LED-Technik umgestellt haben, müssen Sie mit der Lupe suchen. „Otto Normalverbraucher“ kriegt schon die Krise, wenn er für ein Leuchtmittel mehr als 10 Euro ausgeben soll und nimmt das regelmäßig zum Anlass für üble Verwünschungen der EU-Bürokraten, die ihm seine heiß geliebte „Glühbirne“ verbieten. Zwei Ansätze bieten sich hier als kurzfristige Ziele für Marketing und Entwicklung an:

  • Integrierte LED-Leuchten für den kompletten Ersatz bisheriger Glühlampen- und Halogen-Beleuchtungssysteme. Hier gibt es schon zahlreiche, sehr schön gestaltete und technisch hochwertige Angebote (beispielhaft die Philips-„Ledino“-Serie oder die Osram-„Luminestra“-Leisten), die aber alle einen Fehler haben: Sie sind zu teuer, meistens sogar viel zu teuer. Ein dreiflammiger LED-Sportbalken mit insgesamt etwa 1000 Lumen (hängt bei mir in der Küche) sollte nicht über 300, sondern höchstens 100 Euro kosten. Nur so als Beispiel.

Falls an dieser Stelle Ihre Kalkulatoren laut und hysterisch lachen oder Anzeichen eines Herzinfarkts zeigen: Einfach ignorieren. „Mainstream“ wird man nur mit „Mainstream“-Preisen, die anfangs sicher nicht kostendeckend sind, aber auf Dauer über die stark steigende Absatzmenge und sinkende Stückkosten dann doch die nötige Gewinnspanne bringen. Gilt natürlich nur, wenn die Produkte mit allen wichtigen Informationen (Lumen und/oder Candela, Abstrahlwinkel, Farbtemperatur, Stromverbrauch, Farbwiedergabeindex, Glühlampen/Halogen-Äquivalent, garantierte Lebensdauer) versehen sind, die Kundschaft langfristig nicht enttäuschen und von der Stiftung Warentest mindestens mit „gut“ bewertet werden können.

Raus aus den Nischen, LED-Geburtstag feiern!

Marketing- und Werbeabteilungen müssen parallel daran arbeiten, das Thema „hochwertige LED-Beleuchtung“ aus den Nischen der Technikexperten und Ökobewegten heraus und ins Licht der breiten Wahrnehmung und Akzeptanz zu befördern. Vor allem in den Bereichen „Social Media“ und „direkte Kundenansprache“ nehme ich da auf Seiten der Hersteller vor allem im deutschen Sprachraum noch erhebliche Defizite wahr – in den USA oder Großbritannien klappt’s dagegen schon sehr gut. Eine Fachmesse wie die „light+building“ kann in Deutschland – klug genutzt – zwar durchaus als Verstärker dienen, entfaltet aber keine nachhaltige Massenwirkung.

Liebe Leute von der LED-Industrie, dieses Jahr feiert die 1962 erfundene Leuchtdiode 50jähriges Jubiläum! Welch ein toller Anlass, um mal richtig auf die Pauke zu hauen! Wo sind die Sonderseiten, Spezial-Apps, TV- und Radiospots, Gewinnspiele, Praxistests, Info-Kampagnen, Zeitschriftenbeilagen, Facebook-Fangruppen, Googleplus-Seiten, Presse- und Bloggerreisen zu den LED-Produktions-, Entwicklungsstätten und –Vorzeigeprojekten?

Noch nicht mal im Umfeld der Messeberichterstattung habe ich vom runden Geburtstag auch nur ein Wert gehört oder gelesen (wenn’s doch was gab und ich es übersehen habe, können Sie mir’s in den Kommentaren um die Ohren hauen). Dabei hätte die Technik wirklich mehr verdient als nur elitäre Aktionen für ein paar Spezialisten, wenn sie endlich einen breiten und schnellen Durchbruch schaffen soll.

Die Auflösung …

… des kleinen Rätsels von oben: Die zwischen 4 und 5,5 Watt starken GU10-LED-Spots in der Fotomontage sind von links oben nach links unten (im Uhrzeigersinn) ein Osram „Superstar“ für rund 22 Euro, ein „LED’s change the world“ für knapp 10 Euro, ein „LEDON“ für rund 21 Euro und ein „GE LED“-Strahler für knapp 20 Euro. Der billigste Spot (also der rechts oben) hat übrigens mit 250 Lumen den höchsten Nenn-Lichtstrom der vier. Den können Sie glauben, müssen Sie aber nicht.

Update 21.5.: Zu den optisch gleichen Spots von LEDON und „LED’s change the world“ liegen mir seit heute zwei gegensätzliche Stellungnahmen vor. LEDON-Marketing-Chef Erik Nielsen schreibt:

… wir unterhalten keinerlei geschäftliche Beziehung zu diesem Anbieter. Somit sind es auch keine LEDON Spots, die über diesen Kanal angeboten werden. Was wir sagen können ist, dass die Spots von außen unseren ähneln, was daran liegen kann, dass wir noch kein Designpatent auf einige unserer Produkte haben. Mehr kann ich über die angebotenen Spots aber nicht sagen, da es nicht unsere sind.

Wie ich Ihnen ja bereits telefonisch erläutert hatte nimmt die Problematik generell zu und daher sind wir sehr bestrebt, möglichst rasch alle unsere Lampen mit einem patentierten Design zu versehen, so wie es bereits bei der 10 Watt Lampe und den E14 Produkten geschehen ist.

„LED’s change the world“-CEO Hans-Georg Kucharski überraschte mich dagegen mit dieser Auskunft:

Unsere GU10 und GU5.3 sind baugleich mit u.a. den LEDON-Produkten. Sie werden diese, und andere baugleiche Produkte, im Internet finden. Nur, immer – zumindest nach unseren Recherchen – zu höheren Preisen. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir preiswert sind, da wir Händlermargen ausschließen, extrem schlank aufgestellt sind und auch keine großen Investitionen in den Aufbau einer Marke investieren. Keine Kataloge, keine Messen und nur sehr eingeschränkt Werbung.

Wir setzen auf die Mundpropaganda zufriedener Kunden. Das dauert sicherlich länger als mit großem Marketingwirbel. Aber, kostet eben auch viel weniger.

Unser Antrieb ist, LED-Leuchtmittel höchster Qualität endlich erschwinglich zu machen. Die – aus unserer Sicht – übertriebenen Margen vieler beteiligter Unternehmen sind uns schon länger ein Dorn im Auge. Die Konkurrenz wird uns nicht mögen. Nur, damit werden wir umgehen können. Wenn wir auch nur ein kleines Stückchen zum Einsparen von Energie beitragen können, haben wir ein wichtiges Ziel erreicht.

Bitte beachten Sie auch unsere Kooperation mit OroVerde – Die Tropenwaldstiftung. Wir meinen es wirklich ernst.

Da ich bisher noch keinen „LED’s change the world“-Spot zum Testen bzw. Auseinandernehmen und Vergleichen mit den mir bekannten LEDON-Produkten hatte, lasse ich das jetzt mal unkommentiert.