Freiburger Münster als LED-„Leuchtturm“

Seit rund einem Monat präsentiert sich das Freiburger Münster bei nächtlicher Ansicht ganz anders als in den Jahren zuvor: 114 ausgeklügelt verteilte und relativ dezente LED-Strahler beleuchten nun Fassaden und Türme der gotisch-romanischen Kathedrale inmitten der Breisgau-Metropole. Das Münster ist damit die erste größere Kirche in Deutschland mit kompletter LED-Außenbeleuchtung und bietet einen völlig neuen visuellen Eindruck; rundherum plastisch und dezent statt punktuell und plakativ.

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Das Freiburger Münster im dezenten Licht der über 110 neuen LED-Strahler (für größere Darstellung anklicken); umliegende Gebäude und Straßenzüge mit herkömmlicher Beleuchtung erscheinen erheblich heller. (alle Fotos ©Hess AG, mit freundlicher Genehmigung)

Dabei sollte man sich nicht von im Netz kursierenden Bildern verwirren lassen, deren Fotografen oder Nachbearbeiter die Lichtverhältnisse massiv „aufhübschten“: So hell wie im Online-Beitrag der „Badischen Zeitung“ oder auf dem vom „Landesdienst Südwest“ (lsw) der Nachrichtenagentur dpa verbreiteten Bild erscheint das LED-angestrahlte Münster bei Weitem nicht.

Wie mir Franz Bühler, Sachgebietsleiter im Freiburger Garten- und Tiefbauamt, dazu erklärte, habe es im Dezember bei der offiziellen Inbetriebnahme der neuen Beleuchtung deshalb auch keinen großen „Wow-Effekt“ bei den Zuschauern gegeben. Das sei allerdings auch nicht das Ziel der dezenten Lichtplanung gewesen. Erstaunlicherweise sind selbst die offiziellen (und hier zur Veröffentlichung freigegebenen) Herstellerfotos weitaus unspektakulärer, aber dafür erheblich näher an der Realität als manche Pressebilder.

Wenig zielführend waren auch in verschiedenen Medien veröffentlichte „Verbrauchsvergleiche“ mit der vorherigen konventionellen Beleuchtung. So wurde über eine – offenbar frei erfundene – bisherige Leistungsaufnahme von rund 6400 Watt für die Münsterbeleuchtung berichtet, die nun mit LEDs um etwa 40 Prozent reduziert worden sei. Vergessen hatten die Journalisten dabei wohl, dass hier keine Leuchtmittel 1:1 ersetzt, sondern völlig neu konzipiert und installiert wurden. Außer dem Hauptturm war zuvor kein Teil des Münsters angestrahlt worden.

Daneben gab es rund um das Münster einige Straßenleuchten, die jedoch nur der Beleuchtung des Platzes und nicht der Kathedrale dienten. Sie wurden nun ersatzlos abgebaut. Franz Bühler: „Ich weiß nicht, wo diese Zahl ‚6400 Watt‘ her kommt. Ich kannte sie bisher nicht und in unserer Pressemitteilung stand sie auch nicht.“

Wer sich ein wenig mit LED-Beleuchtung beschäftigt, weiß, dass man rund 16 Jahre nach Erfindung der weißen Leuchtdiode (beim Fraunhofer-Institut in Freiburg) durchaus mit weit mehr als 40% Energieeinsparung gegenüber herkömmlichen Leuchtmitteln rechnen darf. Die Leistungsaufnahme der von „Lehner WerkMetall“ (Nittendorf bei Regensburg) – einer Tochterfirma der Hess AG in Villingen-Schwenningen – gelieferten Leuchten liegt für die gesamte Münster-Außenbeleuchtung nur bei 3800 Watt. Das Ziel war aber nach Angaben von Arasch Jalali, dem Projektbetreuer der ebenfalls zur Hess-Gruppe gehörenden „econ Projektmanagement GmbH“ (Villingen-Schwenningen), nicht maximale Energieeffizienz, sondern ein optimales lichttechnisches Ergebnis, das zum Objekt passt und es so plastisch und natürlich wie möglich erscheinen lässt.

Rund 750.000 Euro kosteten Planung, Strahler und Montage, herzhafte 197 Euro pro Watt. Das sind Dimensionen, die etwa beim 15- bis 80fachen der für den Privatgebrauch üblichen LED-Beleuchtung liegen. Im Einzelhandel bekommen Sie für rund 200 Euro schon sehr edle 15-Watt-Komplettleuchten mit LEDs oder im Baumarkt 40 billige 2-Watt-LED-Spots.

Die Gründe für diesen exorbitanten Unterschied liegen auf der Hand: Die Münster-Beleuchtung erforderte aufwendige Planungen, Versuchsreihen, Verkabelungen und Steuerungen, die Strahler mussten neu entwickelt oder modifiziert werden, sie sollen allen Witterungseinflüssen trotzen, müssen als Bodeneinbauleuchten auch tonnenschwere Belastungen aushalten und rutschfest sein sowie als Dach- und Bodenstrahler bombensicher befestigt werden. Außerdem sollen die LED-Module möglichst lange haltbar sein und eine angenehme Lichtfarbe haben – damit fällt der im Consumer-Markt verbreitete, hinlänglich bekannte und berüchtigte China-Billigschrott schon mal durch den Rost.
Teramo 675 aus
Einer der neu entwickelten „Teramo L 675“-LED-Bodeneinbaustrahler im ausgeschalteten Zustand …
Hess Teramo 675 an
… und eingeschaltet.

Vor allem aus ästhetischen Gründen konnte bei diesem Projekt auch nicht das Letzte an theoretisch möglicher Energieeffizienz (Lichtstrom in Lumen pro Watt) aus den LEDs geholt werden. Die Farbtemperatur der Strahler liegt in Abstimmung mit dem Lichtdesigner Walter Bamberger durchweg bei 2740 Kelvin; das entspricht ziemlich genau herkömmlichen Glühlampen und harmoniert nach Ansicht der Planer am besten mit der Sandsteinfassade der Kathedrale.

„Kaltweiße“ LEDs (über 5000 Kelvin) wären bei gleicher Leistung erheblich heller und somit effizienter gewesen, hätten aber das angestrahlte Objekt künstlich und unangenehm „kalt“ erscheinen lassen. Die Lichtfarbe der von Osram bzw. Cree produzierten „warm-weißen“ Einzel-LEDs mit rund 3000 K musste von „Lehner MetallWerk“ noch durch Filter modifiziert werden, was die ursprüngliche Effizienz etwas reduzierte. Die verschiedenen Abstrahlwinkel der Leuchten wurden für Freiburg ebenfalls individuell mit Reflektoren und Linsen angepasst. Im Prinzip ist jeder der eingesetzten Strahler ein Unikat.

PowerBeam 3 Watt
Einer der kleinen „PowerBeam“-Spots mit einer drei Watt starken „Cree“-LED zur punktuellen Nahfeldbeleuchtung.

PowerBeam 30 WattDie 55 „Teramo“-Bodenleuchten von „Lehner MetallWerk“ wurden jeweils in etwa einem Meter Entfernung zum Fassadensockel eingelassen, die drei, zehn und 30 Watt starken „PowerBeam“-Strahler (im Bild rechts die Version mit drei 10-Watt-LEDs zur Distanzbeleuchtung) an genau berechneten Stellen montiert, um den gewünschten dreidimensionalen Eindruck der Türme und Fassaden zu erreichen. Die Spots (mit theoretisch möglichen Maximal-Lichtstromwerten von ca. 300, 700 und 2100 Lumen) für den 116 Meter hohen Hauptturm haben insgesamt rund 400 Watt und stehen teils am Boden zur steilen und flächigen Abstrahlung nach oben, teils auf benachbarten Hausdächern oder dem Münsterdach zur punktuellen Beleuchtung.

Zum Vergleich: Die bisher für die Hauptturmbeleuchtung verwendeten Natriumdampfstrahler hatten 1100 Watt, die bis 2006 installierten Quecksilberdampflampen sogar unfassbare 13.200 Watt.

Die Zahl der LED-„PowerBeam“-Spots variiert derzeit noch leicht, weil hier die Vorgaben des Planers offenbar nicht auf Anhieb erreicht wurden, weshalb bereits der eine oder andere Strahler dazu kam und eventuell auch noch weitere ergänzt werden. Ganz ohne Nachjustierung geht es bei einem Pionierprojekt dieser Art und Größenordnung nicht.

Unter normalen betriebswirtschaftlichen Maßstäben hätte es eigentlich kein vernünftiges Argument für die erstmalige planmäßige und umfassende Außenbeleuchtung des Freiburger Münsters gegeben; schon gar nicht auf der teuren LED-Basis. Die Kirche dient jedoch als „Leuchtturm-Projekt“ und Initialzündung für weitere LED-Umrüstungen in der vom Grünen-OB Dieter Salomon geführten Universitätsstadt.

Als eine von zehn Gewinner-Städten (bei 140 Teilnehmern) des bundesweiten Wettbewerbs „Kommunen in neuem Licht“ kann Freiburg über insgesamt zwei Millionen Euro verfügen, ohne den eigenen Haushalt zu belasten. Bleiben also nach den 750.000 für’s Münster noch 1,25 Millionen Euro übrig. Die müssen wettbewerbsgemäß mit dem Kooperationspartner Hess AG an verschiedenen Stellen der Stadt in moderne LED-Außenbeleuchtung investiert werden. Das Garten- und Tiefbauamt hat dazu in Zusammenarbeit mit dem „Steinbeis-Transferzentrum Beleuchtungsoptik und Lichttechnik“ (unter Leitung von Professor Dr. Paola Belloni) einen Fragebogen für die Bürger ins Netz gestellt, um nicht am Bedarf vorbei zu planen.

Für den Wettbewerb eingereicht wurden eine LED-„Inszenierung“ von Schwaben- und Martinstor, der komplette Innenteil-Austausch bei den historischen Altstadtleuchten in der Kaiser-Joseph-Straße und der Bertoldstraße/Salzstraße, der Austausch von Lampen in der Herrenstraße, Schusterstraße und im Stadtgarten (dort sollen auch Bäume LED-angestrahlt werden), die Beleuchtung des Rathausplatzes sowie eine solargespeiste LED-Beleuchtung am Dreisam-Uferweg zwischen Kaiserbrücke und Schwabentorring.

Nach Abschluss der Arbeiten steht Freiburg anderen interessierten Kommunen als Anschauungsobjekt unter Realbedingungen und als Beispiel- und Ratgeber zur Verfügung – auch das war Teilnahmebedingung des Wettbewerbs.

Sachgebietsleiter Franz Bühler: „Wir hatten zwar schon lange Pläne für eine neue Münsterbeleuchtung – natürlich noch ohne LEDs – in der Schublade, konnten sie aber wegen der angespannten Finanzlage nicht verwirklichen. Da kam uns dieser Wettbewerb gerade Recht. Ohne diesen Gewinn wäre das Projekt nicht möglich gewesen – um so besser, dass es nun eine energiesparende LED-Beleuchtung geworden ist.“ Die Stadt hege dabei durchaus auch die Hoffnung, dass ihre Bürger durch das LED-illuminierte Münster zu entsprechenden Umrüstaktionen in Privathaushalten angespornt werden.
Teramo LS 975 an
Einer der größeren und helleren LED-Bodeneinbaustrahler am Freiburger Münster mit homogener, schraubenloser Glasoberfläche: „Teramo LS 975“.

Kleines „Extra“ am Rande: Falls „dunkle Gestalten“ versuchen sollten, mit Hilfe von Akkuschraubern die LED-Module aus den Bodenstrahlern am Münster zu klauen (die wären doch auch hübsch im Gärtchen), ständen sie vor einem massiven Problem: Die Gehäuse haben nämlich als Besonderheit keine oben liegende Verschraubung, sind also weitgehend diebstahlsicher. Bei einem Durchschnittspreis, der dem eines kleinen Gebrauchtwagens entspricht, ein durchaus sinnvolles Merkmal.

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