Osram-„TEN°“-Binning: Farbkonsistenz von weißen LEDs im neuen Licht

Mit Hilfe eines neu entwickelten Farbraums will Osram Opto Semiconductors seine weißen LEDs genauer selektieren – erheblich näher an der physiologischen Farbwahrnehmung als bisher. Das „TEN°“-Binning kommt bereits ab diesem Monat als zusätzliches Feature für die dritte Generation der „Soleriq S 13“-CoB-Module zum Einsatz. Sichtbare Unterschiede beim Licht mehrerer LEDs aus der selben Serie sollen minimiert, die Farbkonsistenz verbessert werden.

Osram-10-Degree-Binning-Vergleich
Drei vermeintlich identische LED-Strahler können in der Praxis mehr oder weniger unterschiedlich leuchten (links). Bei sorgfältiger Selektion der Module ist der Lichtfarbeindruck dagegen einheitlich. (Fotos/Grafiken: Osram Opto Semiconductors)

Das kann ganz schön nerven: Sie montieren zwei Exemplare des gleichen, „neutralweißen“ LED-Strahler-Modells in eine Zwillingsleuchte und was sehen Sie nach dem Einschalten? Die beiden leuchten nicht wirklich identisch! Der eine Spot ist vielleicht etwas heller als der andere, wirkt möglicherweise auch einen Tick bläulicher – trotz gleicher Farbtemperatur und gleichem Farbwiedergabeindex. Und jetzt multiplizieren wir das mal für einen großen Museumsraum, in dem Dutzende solcher Leuchten hängen. Da kann der Begriff „Vielfalt“ eine ganz neue, unerwünschte Bedeutung bekommen, weil jedes Strahlermodell den Ausstellungsstücken eine etwas andere Lichtfarbnote verpasst.

Die aktuell geltenden EU-Richtlinien für „Allgemeinbeleuchtung“ erlauben ziemlich große Abweichungen des Farborts von der idealen „Schwarzkörperkurve“ – bis zu sechs Stufen der „MacAdam-Ellipse“, auch SDCM genannt. Diese Einordnung basiert auf einer 1931 festgelegten „Normvalenz“ der Internationalen Beleuchtungskommission (CIE 1931 2° xy) und zahlreichen Farbwahrnehmungs-Experimenten in den 1940er-Jahren mit einer einzigen Versuchsperson und einem sehr engen Betrachtungswinkel von nur 2 Grad. Diese Grundlage klingt ziemlich wacklig und ist es auch, weil sie nicht wirklich der physiologischen Farbwahrnehmung entspricht.

Farbrezeption-2Grad-10Grad
Die Farbwahrnehmung bei nur 2 Grad Betrachtungswinkel (links) unterscheidet sich von der bei einem 10-Grad-Raumfeld. Dieser praxisgerechtere, breitere Lichtkegel (rechts) ist eine der Grundlagen für die neue Binning-Methode von Osram Opto Semiconductors.

Inzwischen weiß man beispielsweise, dass die drei Farbrezeptoren-Typen („Zapfen“) auf der Netzhaut nicht gleichmäßig verteilt sind und dass der alte xy-Farbraum deshalb nicht wirklich akkurat sein kann – zumal die ziemlich weit gefassten Ellipsen eine hohe Toleranz erlauben. So kann es etwa passieren, dass die Blau-Wellenlängen von zwei LED-Lichtquellen leicht differieren und dennoch kein oder nur ein kleiner SDCM-Unterschied registriert wird.

Eine SDCM-Stufe kann schon zu viel sein

Die Folge: Bereits die Abweichung um eine SDCM-Stufe ist in der Praxis teils wahrnehmbar. Vermeintlich strenges „Binning“ (das Selektieren der LEDs) bringt also nicht die erhoffte Farbkonsistenz. Das spielt bei rundstrahlenden Lampen mit mehreren LEDs meistens keine große Rolle, weil sich die Differenzen der Chips in der Summe und durch die Diffusion einer matten Haube ausgleichen können.

Anders bei richtstrahlenden Spots und Downlights mit nur einem „Chip on Board“ (CoB)-Modul: Zwar können auch dort mehrere Einzel-Chips als „Array“ gruppiert sein; Abweichungen zwischen zwei nebeneinander leuchtenden Modulen fallen aber deutlicher auf. Das gilt vor allem bei professionellen Anwendungen, wo ohnehin schon statt maximal 6 meistens nur 3 SDCM-Stufen Toleranz geduldet werden.

Neues Binning im neuen CIE-Farbraum

Osram-Soleriq-S-13-eingebautOsram Opto Semiconductors nutzt deshalb ab sofort bei der dritten Generation seiner „Soleriq S 13“-Module (in meinem Foto rechts im Chipträger eines Strahlergehäuses eingebaut) den neu entwickelten Farbraum „CIE 2015 10° u‘v‘“ mit engen Toleranzkreisen statt weiter Ellipsen als zusätzliche Instanz.

Diese nun parallel neben dem SDCM-Industriestandard verwendete und mit den bisherigen Weiß-Gruppierungen kompatible Selektion nennt Osram „TEN°“-Binning – in Anlehnung an den nun 10 statt 2 Grad breiten Betrachtungswinkel (sollte übrigens ursprünglich einen anderen Namen bekommen; der wurde jedoch nach meinem Hinweis auf eine anderswo genutzte, fast identische Produktbezeichnung gekippt). Offiziell vorgestellt wurde sie heute erstmals bei der Fachmesse „Light + Building“ in Frankfurt/Main.

CIE-Farbraeume-3SDCM-3UNIT-TEN-degree-Binning
Altes und neues Binning im Vergleich: Links die weiten Ellipsen bei 3 SDCM-Stufen Abweichung von der Ideallinie (Planksche Schwarzkörperkurve) nach „CIE 1931 2° xy“, rechts die engen Kreise bei drei Einheiten Toleranz im CIE-Farbraum „2015 10° u‘v‘“.

Thema „Farbkonsistenz“ in neuem Licht betrachten

Alexander Wilm, bei Osram Opto Semiconductors für Allgemeinbeleuchtung zuständig, erklärte am Wochenende im Interview mit dem Fastvoice-Blog:

„Wir wollen mit dem zusätzlichen Binning einerseits sicherstellen, dass unsere Module die gewünschte Position im Farbraum möglichst genau einhalten, aber auch einen Anstoß zur allgemeinen Neubewertung der Farbkonsistenz von weißer LED-Beleuchtung geben. Natürlich sind wir uns bewusst, dass ein strenges Binning ein Kostenfaktor und deshalb bisher eher bei professionellen Anwendungen gefragt ist.“

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Der Demo-Aufbau am „Light + Building“-Messestand von Osram Opto Semiconductors: Die beiden Lichtquellen werden vom 2°-Binning als gleich angezeigt; das neue „TEN°“ erkennt die Unterschiede. (PR-Foto: Osram)

In der Konsequenz bedeute das aber nicht, dass es mehr Ausschuss bei der Fertigung geben müsse. Stattdessen könne man im Hinblick auf das „TEN°“-Binning bereits bei der Herstellung der LEDs, der Mischung und dem Aufbringen der Luminiszenzkonversions-Beschichtung (die das eigentlich blaue Licht der Leuchtdioden zu weißem macht) exakter arbeiten.

Im weiteren Verlauf der Wertschöpfungskette erleichtern konsistentere Module den Lampen- und Leuchtenherstellern ihre Aufgabe, einheitlich leuchtende Produkte zu bauen.

Meine Vermutung: Auf lange Sicht könnten solche grundlegenden Verbesserungen im gesamten Produktionsprozess durchaus positive Folgen für den gesamten Bereich der Allgemeinbeleuchtung haben – nicht nur für den anfangs im Fokus stehenden Profi-Markt, sondern auch für das, was wir „Normalverbraucher“ als LED-Lampen und -Leuchten angeboten bekommen.

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