Manchmal könnte man schon glauben, man sei inzwischen auf dem „Planet der Affen“ gelandet, nur dass bei uns statt recht intelligenter Affen leider ignorante, geldgeile Finanzjongleure und Manager mit Hilfe von Computern den Rest der Menschheit beherrschen. Beispiel gefällig? Heute bekam ich ein Formschreiben von meiner R+V-Autoversicherung, mit der ich immer mal wieder eine Menge Spaß habe. Anlass waren zwei Glasschäden an der Frontscheibe meines Autos, die relativ kurz hintereinander passierten und (für mich kostenlos) ohne Austausch repariert werden konnten (von dieser Firma, deren Service erheblich besser ist als ihre TV- und Radiowerbung – Sie wissen schon). R+V schrieb mir:
Das Fahrzeug hatte am Schadentag (Anmerkung: Gemeint ist der 16. Juni 2011) einen Kilometer-Stand von 43.729 km. Am 17.11.2010 lautete der Tachostand nach Ihren Angaben 32.000 km. Als Jahreslaufleistung wurden 12.000 km angegeben. Dieser Wert wurde auch bei der Berechnung des Beitrages zugrunde gelegt.
Die Differenz zwischem dem angegebenen Tachostand und dem Tachostand am Schadentag entspricht einer Jahreslaufleistung von durchschnittlich 25.000 km. Daher ist eine Beitragsanpassung erforderlich. Ein entsprechender Nachtrag geht Ihnen zu.
Die Fakten: Ich hatte tatsächlich vor rund acht Jahren bei Abschluss eines Vertrages für mein früheres Auto nur mit 12.000 km pro Jahr gerechnet. Dieser Wert wurde auch für den Folgevertrag des nachfolgenden Wagens übernommen. Dieses neu mit 0 km gekaufte Auto ist jetzt ziemlich genau drei Jahre alt und hat rund 45.000 km auf dem Tacho. Das bedeutet, dass ich die vereinbarte Jahreslaufleistung um durchschnittlich 3.000 km überschritten habe – 15.000 statt 12.000. Das kann durchaus mal passieren, wenn man als Selbständiger mehr Aufträge und Fahrten hat als vorher erwartet.
Nach Ansicht der R+V müsste der Wagen aber bereits 3mal 25.000 = 75.000 km gelaufen sein. Auf telefonische Nachfrage erklärte mir ein hörbar entnervter Mitarbeiter, dass dieser Wert automatisiert durch eine „Dreisatz-Rechnung“ (Interpolation Extrapolation eines kurzen Zeitraums auf das Vertragsjahr) ermittelt worden sei und er nun ständig Anrufe von empörten Kunden wegen solcher Briefe bekomme. Er selbst habe das nicht erfunden; die standardisierte Neuberechnung (oder wohl besser Schätzung) der Jahresfahrleistung sei seit Neuestem „von oben verordnet“ ins System eingespeist worden.
Nun ist es nichts Neues, dass Autoversicherungen manchmal seltsame Auffassungen von Jahreslaufleistungen haben. So kann eine Klage vor Gericht notwendig sein, wenn nach einem Unfall festgestellt wird, dass Sie von beispielsweise vereinbarten und auch eingehaltenen 15.000 km pro Vertragsjahr den Großteil in nur wenigen Wochen gefahren sind und deshalb die Versicherung weniger oder nichts bezahlen will. Manche Versicherer haben dieses rechtswidrige und damit ungültige Überraschungs-Ei als Verbrauchertäuschung kleingedruckt in ihren Klauseln versteckt.
Wenn aber die Interpolation Extrapolation von kurzen Zeiträumen auf die gesamte Vertragszeit nun sogar als Standard-Grundlage für die Berechnung und Forderung höherer Versicherungsprämien dienen soll, dann hört der Spaß endgültig auf. Wenn Ihnen das auch passiert, sollten Sie die Konsequenzen ziehen: Als Kunde haben Sie bei jeder Beitragserhöhung ein vierwöchiges Sonderkündigungsrecht (gerechnet ab Eingang des Schreibens) – unabhängig von den sonst vereinbarten Kündigungsfristen.
(Update 19.8.: Schon am Tag nach diesem Ankündigungsschreiben erhielt ich heute einen Nachtrag zum Versicherungsschein mit 25.000 km Jahreslaufleistung und der darauf basierenden Nachzahlungsrechnung von rund 136 Euro. Bereits gestern wurde dieser Betrag per Lastschrift meinem Konto belastet. Ein Sonderkündigungsrecht besteht nach Auskunft der R+V nicht, weil es sich nicht um eine Beitragserhöhung handelt, sondern um einen Nachtrag mit korrigierten Basisdaten. Immerhin: Ich konnte die Herrschaften davon überzeugen, dass rund 16.000 km Jahreslaufleistung der Wahrheit näher kommt und werde einen Großteil des abgebuchten Geldes nächste Woche wieder zurück überwiesen bekommen.)
Diese Art des Dreisatzes nennt man Extrapolation und die ist im Vergleich zur Interpolation „ggf. mit einer großen Unsicherheit behaftet“*.
(* Zitat aus dem Wikipedia-Artikel)
Schönen Dank, Frank, für die Korrektur! Ich habe das im Artikel geändert.
Hallo, ich hab ähnliche Probleme: Angegeben 6000 km. Auto angemeldet am 28/04/15, Kilometerstand 90.000 – aktueller Stand 103.000 (03/08/2016).
Versicherung will von mir 855,00 €. Ich weiß nicht was ich machen soll.
Kann jemand helfen??
Ich würde dem Laden pünktlich zum Standardkündigungsmonat (Oktober November, also nicht mehr soooo lange hin) ADIOS sagen!