Von „Schnüfflern“ und „Staatsfunk-Spionen“ (Update 16.12.)

Ab dem 1. Januar 2013 wird eine „Haushaltsabgabe“ die bisherige Rundfunkgebühr ersetzen – wenn bis dahin alle Landesparlamente dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zugestimmt haben (inzwischen geschehen, siehe Update am Ende des Textes). Seit über einem Jahr wird darüber heftig debattiert und regelmäßig auch Falsches oder Halbwahres berichtet. Besonders heftiger Beschuss kommt dabei von Medien, die ohnehin keine große Liebe zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entwickelt haben und sie teils sogar als Bedrohung ihres Geschäftsmodells sehen.

Logisch, dass da jedes Detail, jeder vermeintliche Webfehler des Staatsvertrags gerade recht kommt, um Ängste und Empörung bei den Bürgern zu entfachen oder zu schüren. Dahinter scheint mir häufig der kaum verborgene Wunsch nach Abschaffung des dualen Rundfunksystems und damit der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu stecken. Dann das würde ja bedeuten, dass keine 7,54 Milliarden Euro pro Jahr mehr in die Sender gepumpt würden, dass kein „GEZ-Schnüffler“ mehr vor der Haustür stünde, dass es keine „Zwangsabgaben“ mehr für „seichten Mist und Parteienpropaganda“ gäbe. Und offenbar müssten dann auch nicht mehr „Vermieter für die GEZ schnüffeln“ oder jeder Bürger bei einem Wohnungswechsel einen Grund angeben und somit die Privatsphäre für die GEZ sperrangelweit öffnen.

Solche vorgefassten Ansichten und knallige Schlagzeilen lässt man sich natürlich nicht gerne von Fakten kaputt machen. Zum Beispiel davon, dass es ab 2013 in der Regel nicht mehr notwendig sein wird, dass Beauftragte der Landesrundfunkanstalten (denn „GEZ-Schnüffler“ gab es nie, die GEZ hat keinen Außendienst) an die Tür klopfen und nach angemeldeten TV-Geräten fragen. Da jeder Haushalt – unabhängig von bereitgehaltenen Geräten – die Abgabe entrichten muss und die Haushaltsdaten legal mit den Meldebehörden abgeglichen werden können, entfällt meist eine individuelle Kontrolle.

Netterweise wird das neue Modell für manche sogar billiger, weil die Abgabe nur einmal pro Haushalt anfällt. Bisher müssen zum Beispiel erwachsene Kinder im Haushalt mit eigenem Verdienst auch eigene Rundfunkgebühren bezahlen. Da muss also teils das Zwei- oder Dreifache der künftigen Haushaltsangabe abgeführt werden. Wer als Selbständiger in seiner Wohnung auch eine Betriebsstätte hat, wird bisher zweimal zur Kasse gebeten, künftig nur einmal.

Verschwörungstheoretiker und „Big Brother“-Verängstigte konzentrieren sich aber lieber auf die „monströse Melde- und Kontrollbehörde“ GEZ. Neuester Aufreger: Bei einem Wohnungswechsel müsse man der „zuständigen Rundfunkbehörde“ den Grund mitteilen – Skandal! Tatsache ist aber: Wenn Sie innerhalb Deutschlands Ihre Wohnung wechseln, müssen Sie sich in der Regel weder beim Meldeamt noch bei der GEZ abmelden. Stattdessen genügt eine Ummeldung bzw. Anmeldung am neuen Wohnort – nach weiteren Gründen außer „Umzug“ fragt Sie dabei niemand. Daran wird auch der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nichts ändern.

Anders sieht es bei einer Abmeldung aus, wenn Sie also aus irgendeinem Grund keine Haushaltsabgabe mehr bezahlen wollen. Hier sieht der Staatsvertrag ziemlich umfassende Auskunftspflichten vor; neben den auch bei einer Anmeldung üblichen:

1. Vor- und Familienname sowie früherer Namen, unter denen eine Anmeldung bestand,
2. Tag der Geburt,
3. Vor- und Familienname oder Firma und Anschrift des Beitragsschuldners und seines gesetzlichen Vertreters,
4. gegenwärtige Anschrift jeder Betriebsstätte und jeder Wohnung, einschließlich aller vorhandenen Angaben zur Lage der Wohnung,
5. letzte der Landesrundfunkanstalt gemeldete Anschrift des Beitragsschuldners,
6. vollständige Bezeichnung des Inhabers der Betriebsstätte,
7. Anzahl der Beschäftigten der Betriebsstätte,
8. Beitragsnummer,
9. Datum des Beginns des Innehabens der Wohnung, der Betriebsstätte oder des
beitragspflichtigen Kraftfahrzeugs,
10. Zugehörigkeit zu den Branchen und Einrichtungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1,
11. Anzahl der beitragspflichtigen Hotel- und Gästezimmer und Ferienwohnungen
und
12. Anzahl der beitragspflichtigen Kraftfahrzeuge.

Bis hierhin unterscheidet sich das nicht von den auch bisher geforderten Angaben, es sind nur die zur Erhebung der Abgabe notwendigen Daten. Bei einer Abmeldung seien aber „zusätzlich folgende Daten mitzuteilen und auf Verlangen nachzuweisen:“

1. Datum des Endes des Innehabens der Wohnung, der Betriebsstätte oder des
beitragspflichtigen Kraftfahrzeugs,
2. der die Abmeldung begründende Lebenssachverhalt und
3. die Beitragsnummer des für die neue Wohnung in Anspruch genommenen Beitragsschuldners.

Und hier geht die Aufregung los: „Die wollen uns ausspionieren!“, „Anschlag auf die grundgesetzlich garantierte Freizügigkeit!“, „das Grundrecht auf freie Wahl des Wohnortes wird dem höheren Recht des Staatsfunks auf totale Kontrolle des Bundesbeitragsschuldners geopfert!“ Dabei sind selbst diese Zusatzangaben nichts Neues. Schon bisher wurde auf dem Abmeldeformular der GEZ nach den Gründen der Abmeldung gefragt. Kreative Geister bewiesen beim Ausfüllen immer wieder erstaunliche Phantasie, so richtig kontrollieren konnte die Richtigkeit der Angaben ja ohnehin keiner. Klar ist, dass künftig ein „Grund“ nicht mehr zum Tragen kommt: Das mutwillige Zerstören von Rundfunkempfangsgeräten führt nicht zur Befreiung von der Haushaltsabgabe, denn die wird ja Geräte-unabhängig sein.

Glasklare Abmeldegründe sind dagegen etwa der Tod des Zahlers, ein Umzug ins Ausland oder eine Heirat, nach der man anderswo einen gemeinsamen Haushalt führt, in dem nur noch einer die Abgabe bezahlen muss. Deshalb der dritte Punkt („Beitragsschuldner“ in der neuen Wohnung). All diese Angaben sind keine Geheimnisse, sie liegen auch der Meldebehörde vor, die ihre aktuellen Daten völlig legal und mit Einverständnis des Bundesdatenschutzbeauftragten an die GEZ weiterleiten darf. Auch da unterscheidet sich die künftige Praxis generell nicht von der bisherigen. Einen „Anschlag auf die Freizügigkeit“ oder auf das Grundrecht der freien Wohnortwahl kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen.

Wäre da noch die Sache mit den Vermietern. Im Paragraph 9, Absatz 1, des Staatsvertrags ist zu lesen:

Die zuständige Landesrundfunkanstalt kann von jedem Beitragsschuldner oder von Personen oder Rechtsträgern, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie Beitragsschuldner sind und dies nicht oder nicht umfassend angezeigt haben, Auskunft über die in § 8 Abs. 4 genannten Daten verlangen. Kann die zuständige Landesrundfunkanstalt den Inhaber einer Wohnung oder einer Betriebsstätte nicht feststellen, ist der Eigentümer oder der vergleichbar dinglich Berechtigte der Wohnung oder des Grundstücks, auf dem sich die Betriebsstätte befindet, verpflichtet, der Landesrundfunkanstalt Auskunft über den tatsächlichen Inhaber der Wohnung oder der Betriebsstätte zu erteilen. Bei Wohnungseigentumsgemeinschaften kann die Auskunft auch vom Verwalter verlangt werden. Die Landesrundfunkanstalt kann mit ihrem Auskunftsverlangen neben den in § 8 Abs. 4 und 5 genannten Daten im Einzelfall weitere Daten erheben, soweit dies nach Satz 1 erforderlich ist; § 11 Abs. 5 gilt entsprechend. Die Landesrundfunkanstalt kann für die Tatsachen nach Satz 1 und die Daten nach Satz 4 Nachweise fordern. Der Anspruch auf Auskunft und Nachweise kann im Verwaltungszwangsverfahren durchgesetzt werden.

Das heißt erstmal nur, dass die Landesrundfunkanstalt das Recht hat, einen Vermieter oder Verwalter in strittigen Fällen über den Inhaber einer Wohnung (vulgo Mieter) zu befragen. Es heißt aber nicht, dass der Vermieter diese Fragen auch beantworten muss; eine rechtliche Auskunftspflicht besteht allenfalls gegenüber Behörden (und Anstalten sind keine Behörden, auch wenn das böse Zungen immer wieder behaupten). Erst durch die Einleitung eines Zwangsverfahrens kann der Vermieter bei weiterer Verweigerung eine Ordnungswidrigkeit begehen. Hier liegen allerdings die datenschutzrechtlichen und juristischen Hürden der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Ertrag so hoch, dass es kaum zu einem solchen Verfahren kommen würde oder der betreffende Passus möglicherweise schon vor dem Inkrafttreten des Staatsvertrags gestrichen wird.

Fazit: Viel Wind um Nichts oder Kleinkram – aber die mehrfach verbreiteten Falschmeldungen einiger Print- und Online-Medien werden wohl bei vielen haften bleiben, die sowieso glauben, sie bekämen ihr RTL, Sat.1 oder Pro7 gratis und die Rundfunkgebühr/Haushaltsabgabe sei ‚rausgeschmissenes Geld für „seichten Mist und Parteienpropaganda“.

Update 16.12.: Als letztes Landesparlament hat jetzt das schleswig-holsteinische Plenum den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ratifiziert. Damit kann der Rundfunkbeitrag planmäßig zum 1. Januar 2013 eingeführt werden.

(Disclaimer: Ich verdanke seit einigen Jahren den Großteil meiner Einnahmen der Existenz des öffentlich-rechtlichen Systems, war allerdings den weit überwiegenden Teil meiner Medienlaufbahn für private Verlage und Sender tätig)

7 Gedanken zu „Von „Schnüfflern“ und „Staatsfunk-Spionen“ (Update 16.12.)

  1. Herr Messer,

    sie haben einen schwerwiegenden Fehler begangen:
    „Meldebehörde (…), die ihre aktuellen Daten völlig legal und mit Einverständnis des Bundesdatenschutzbeauftragten an die GEZ weiterleiten darf“.

    Dazu verweisen Sie auch noch auf: „http://www.ardzdf.de/www/FAQ“

    Warum ist die ganze Argumentation aber jetzt falsch?

    In den FAQ steht zur Frage
    „Wird auch in der Zukunft noch an der Tür geklingelt, um die Beitragspflicht festzustellen?“
    folgendes:
    „regelmäßig (einen) Abgleich mit Daten der Meldeämter, die den Rundfunkanstalten auf gesetzlicher Grundlage übermittelt werden.“

    1. Das ist nur ein sog. „Gemeinplatz“.
    Denn:
    Was ist die gesetzliche Grundlage? Paragraph(en)?
    Ja sogar der Name eines Gesetzes fehlt völlig.

    Die Übertragung der Daten tangiert das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
    Als personenbezogenes Datum (siehe §3 (1) BDSG) sei hier der Wohnort anzusehen.

    2.
    Vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung lässt sich auch ein Widerspruchsrecht für die Weitergabe von Daten aus Beständen von Meldebehörden ableiten.
    So sehen die Meldegesetze der Bundesländer explizit Widerspruchsrechte auf Seiten der Bürger und Informationspflichten auf Seiten der Behörden vor.
    Entsprechendes regelt auch das MRRG, insb. §§17-22.

    3. Missachtung des Widerspruchs
    Bei der An- und Ummeldung eines Wohnsitzes bei den Einwohnermeldeämtern kann man die „Weitergabe der Daten an Dritte“ untersagen.
    (1. gefundener Link dazu: http://www.fdp-fraktion-bayern.de/Datenweitergabe-beim-Einwohnermeldeamt-aktiv-widersprechen/4699c5424i1p1536/index.html )

    Die GEZ als nicht rechtsfähige ö.-r. Verwaltungseinheit ist als Datenhändler bzw. -verwalter anzusehen.
    Daher findet das Begriffskonstrukt „weitere Dritte“ als Untereinheit der oben genannten „Dritten“ auch bei der GEZ Anwendung.

    Untersagt man aktiv der Datenweitergabe, ist die Übermittlung somit nicht rechtmäßig.

    Damit darf die „Meldebehörde (…) ihre aktuellen Daten völlig legal (…) an die GEZ“ NICHT weiterleiten, wenn der Datenweitergabe widersprochen wurde!

    Um es nochmal zu sagen:
    Die Übermittlung ist illegal!

    Mit freundlichen Grüßen,
    Florian Huber

  2. Wenn ich das richtig verstehe, ist nach derzeitiger Rechtsprechung die Weitergabe meiner Daten von der Meldebehörde an die GEZ bzw. die Landesrunkfunkanstalten nur dann illegal, wenn ich vorher der Weitergabe widersprochen habe. Richtig? Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung dürfte nämlich nicht widersprochen haben.

  3. Pingback: Fastvoice-Blog » Blog Archive » Die Rundfunk-Haushaltsabgabe braucht eine neue Legitimation

  4. Falschmelden können Sie aber auch gut:
    – Der Abmeldegrund erfolgt nach den Kommentaren zum Staatsvertrag typisiert, d.h. es gibt vorgefertigte Gründe, die man auswählt (z.B. Tod, Umzug ins Ausland, etc.)
    – Die GEZ wird es lt. GEZ weiter geben und sogar kurzfristig kräftig aufgestockt, um die ganzen neuen Daten erheben zu können.
    – „Der Eigentümer … ist verpflichtet…“ Was soll daran nicht verpflichtend sein? Welche Glaskugel läßt vermuten, dass der Passus mit der Durchsetzung gestrichen werden soll? Das wäre unlogisch, dann kann man die Verpflichtung auch gleich streichen.

    Ich wußte gar nicht, dass Fahrzeuge beitragspflichtig sind, es geht doch dann nur noch nach Wohnungen/Betriebsstätten.

    Aber unglaublich, was man der GEZ alles melden soll, bevor es zu einer Abmeldung kommt. Klar, dass die nicht freiwillig Ihre Posten freigeben wollen. Abzocke.

  5. @Kakai: Wo sehen Sie hier Falschmeldungen?

    1. Bisher gibt es keine typisierten Gründe bei der Abmeldung, nichts anderes habe ich hier geschrieben. Das mit den künftigen Kreuzchen hatte ich bereits an anderer Stelle erwähnt und hier nicht nochmal aufgeführt.

    2. Wo lesen Sie bei mir, dass es keine GEZ mehr geben wird? Dies habe ich nur als Folge der hypothetischen Auflösung der öffentlich-rechtlichen Anstalten genannt.

    3. Nach der derzeitigen Rechtslage kann ein Vermieter nicht zu Auskünften gegenüber nichtstaatlichen Stellen gezwungen werden. Das würde durch solch einen Passus radikal geändert, der vermutlich auch noch grundgesetzwidrig ist. Siehe dazu auch die Stellungnahme des Deutschen Anwaltverein vom vergangenen Jahr. Das ist meine Glaskugel und natürlich müsste der komplette § 9, Absatz 1, rausgeworfen oder umgeschrieben werden.

    4. Von Fahrzeugen schrieb ich hier nichts, es stimmt aber, dass dienstlich genutzte Autos von Selbständigen, Freiberuflern etc. mit rund einem Drittel einer Haushaltsabgabe belegt werden sollen, was in etwa auch der derzeitigen Beitragshöhe entspricht (nur Radiogebühr). Privatfahrzeuge sind davon nicht betroffen, die sind in der Haushaltsabgabe eingeschlossen.

  6. Pingback: GEZ will tiefer schnüffeln

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