Energiewende: Nicht mit den „Dinos“

Wissen Sie, wie die „Energiezukunft Deutschlands“ aussieht? Einige Herrschaften glaubten es vergangenen Sommer zu wissen; viele davon meinen vielleicht immer noch, dass Atomkraft dazu gehört. Mal ganz abgesehen von der Katastrophe in Japan und ihren Folgen für die Reaktoren in Fukushima: Schon vor 25 Jahren, als das Kernkraftwerk in Tschernobyl explodierte (das Ereignis jährt sich am 26. April), hätte man entschlossen mit der Energiewende beginnen müssen – kräftig und nachhaltig.

Das ist nicht geschehen, stattdessen agierten die Stromversorger weitestgehend als Oligopol und im Einklang mit der jeweiligen politischen Führung genau so wie vorher. Einzelne Alibi-Projekte in Sachen erneuerbare Energie dienten als ökologisches Deckmäntelchen, der Unternehmensgeist änderte sich bis heute prinzipiell nicht. Zur Zeit liegt der Anteil des von RWE, Eon, EnBW und Vattenfall (die zusammen rund 68 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms liefern) regenerativ erzeugten Stroms bei nur knapp 4 Prozent. Wenn sich das strategische Denken in anderen Branchen ähnlich langsam entwickelt hätte, würden wir heute noch Asbest in Schulhäusern verbauen, den Rhein systematisch zur Giftbrühe machen und müssten noch lange auf eine Errungenschaft namens „Internet“ warten.

Schwarzenbachtalsperre
Man sieht’s ihm nicht an, aber dieser idyllische See ganz in meiner Nähe ist ein Stromspeicher: Die Schwarzenbachtalsperre gehört zu einem Pumpspeicherwerk der EnBW. (Foto: Kuifje@Wikmedia Commons, Lizenz cc-by-sa 3.0)

Jetzt endlich deutet sich eine Wende an – mit vielen Widerständen, unter Mühen, Schmerzen und Wehklagen. Diese Woche hatten zwei der vier größten Stromversorger Deutschlands ihre Jahreshauptversammlungen. Die baden-württembergische EnBW tagte in Karlsruhe und Vorstandschef Hans-Peter Villis erklärte dabei immerhin seine Dialog- und Wandlungsbereitschaft. Dass sein Aufsichtsrat allerdings mittelfristig weiterhin von Leuten dominiert wird, die von der inzwischen abgewählten CDU/FDP-Regierung und den konservativen oberschwäbischen Landkreisen als Vertreter der Mehrheitseigentümer eingesetzt wurden, lässt nicht an einen durchgreifenden Wandel glauben.

Die neue grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg wird es schwer haben, ihre Vorstellungen von der Energiewende zu realisieren und der Bevölkerung glaubhaft zu vermitteln. Eine Zukunft mit Atomkraft-freier Energie wird nur mit der Akzeptanz aller Betroffener funktionieren: Den Naturschützern, die keine neuen Pumpspeicherwerke wollen, den Besorgten, die sich vor Hochspannungsleitungen und Windrädern vor ihrer Haustür ängstigen, den Familien, die sich vor unbezahlbaren Stromrechnungen fürchten. All jene müssen mitgenommen werden auf diesem Weg, EnBW-Chef Villis möglicherweise auch.

Denn der ist im Vergleich zu einigen seiner Kollegen schon fast „grün“ zu nennen. Jürgen Großmann dagegen, der heute als Vorstandschef der RWE bei deren Hauptversammlung antrat, will stur an seinem Atomkurs festhalten – unbeeindruckt von den zahlreichen Kritikern und Protesten. Er hat als einziger der Strom-Manager Klage gegen das Atomkraft-Moratorium der Bundesregierung eingereicht und wird nicht umsonst in Fachkreisen „Dino“ genannt. Und hier sage ich: Nein, Herr Großmann und seine ähnlich denkenden Kollegen sollten auf dem Weg in die Energiezukunft nicht mitgenommen werden. Sie wären nur immer wieder Bremsklötze, weil sie von ihren althergebrachten Denkschemata und der strategischen Verschnarchtheit nicht mehr abzubringen sind.

Was wir jetzt brauchen, sind neue Köpfe und neues Denken. Neben der alltäglichen, mühevollen politischen und wirtschaftlichen Kleinarbeit müssen auch Visionen und zu deren Realisierung der dringend notwendige Enthusiasmus entwickelt werden. Dezentrale Stromversorgung ist so eine Vision. Die könnte das derzeitige Versorger-Oligopol kippen, tausende Kilometer neuer Hochspannungsleitungen ersparen und neue Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung öffnen. Wer als Anlieger bei einer neuen Windkraft- oder Solaranlage, bei einem Pumpspeicher- oder Wasserkraftwerk nicht nur mitbestimmen, sondern auch mitverdienen darf, der hat vermutlich auch weniger Einwände dagegen.

Aber auch nicht direkt Beteiligte müssen für diese Visionen gewonnen werden. Eine grundlegende und schnelle Energiewende braucht die breite gesellschaftliche Begeisterung dafür; ein „Momentum“, das sprichwörtlich Mauern zum Einsturz bringt und Hindernisse aus dem Weg fegt. Das würde auch zwischenzeitliche moderate Strompreiserhöhen akzeptabel machen – wer mosert schon über kleine Opfer, wenn damit ein übergeordnetes (und unverzichtbares) Ziel erreicht werden kann?

Ich zahle als Kunde des Ökostrom-Anbieters Elektrizitätswerke Schönau (EWS) schon seit über einem Jahr 0,5 Cent extra pro Kilowattstunde für regenerative „Neuanlagen in Bürgerhand“ (natürlich zusätzlich zur gesetzlich verordneten EEG-Umlage) – das tut nicht weh und viele andere könnten es sicher auch. Vielleicht kann EWS dann den zur Zeit 95prozentigen Anteil von aus Norwegen importiertem Strom aus Wasserkraft zu Gunsten einheimischer Anlagen vermindern.

Unverzichtbar sind außerdem unzählige private, kommunale und gewerbliche Einzelinvestitionen in Energiespartechnik – allein diese können mehrere Atomkraftwerke überflüssig machen. Der schnelle Umstieg auf stromsparende Beleuchtung ist da nur eine der Möglichkeiten. Das alles kostet erstmal ordentlich Geld, macht sich aber auf lange Sicht dennoch bezahlt. Und die Aussicht, beim nächsten großen Erdbeben am Oberrhein immerhin keine Angst vor einem GAU haben zu müssen, ist sogar unbezahlbar.

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