Koffein-Spiegel

Wissenschafts- und Technikredakteur Christian Wüst schreibt im aktuellen „Spiegel“ (Nr. 45, Seite 154) zu Beginn eines Beitrags über „Car-Sharing“:

Ein Gerät, das man nur wenige Minuten am Tag braucht, auch gleich zu kaufen, erscheint nicht schlau. Und doch hat der Mensch meist keine Alternative. Wer vermietet schon Kaffeemaschinen oder Rasierapparate?

Kaffemaschine

Hallo, Herr Wüst? Sie sind Journalist und brauchen eine Kaffeemaschine nur „wenige Minuten am Tag“? Ist das nicht ein Widerspruch in sich, ein Oxymoron? Wie dieser alte Witz „Zwei Musiker gehen an einer Kneipe vorbei“? In den gut 30 Jahren, die ich in diversen Redaktionen gearbeitet habe, liefen die Kaffeemaschinen über’s Jahr gesehen deutlich länger als etwa Bildfunkgerät, DFÜ-Modem, Telefax, Nadeldrucker, Handtuchspender im WC oder der alte Bobtail des Leiters unserer Kulturredaktion damals.

Anfangs waren das solche Blubber-Dinger mit Filter, die nie so schnell Kaffee kochen konnten wie die teils zweifelhafte Brühe getrunken wurde, später kamen die segensreichen Vollautomaten mit Mahlwerk, die große Teile des Arbeitstages in Betrieb waren und unverständlicherweise noch nicht ins Weltkulturerbe des Journalismus aufgenommen wurden. Schon mal probiert, so rund 20 Jahre lang frühmorgens, spätabends oder nachts Radiosendungen ohne Kaffee zu moderieren? Unmöglich.

Und selbst heutzutage, wo ich nur ab und zu mal das Hirn zum Verfassen diverser Blogbeiträge einschalte, wäre das ohne die Einhaltung eines gewissen Koffein-„Spiegels“ (sic!) undenkbar. Weil’s ja in Ihrem Artikel um Autos geht, Herr Wüst: An zahlreichen Tagen des Jahres ist mein Subaru null Minuten in Betrieb, während die „Melitta“ (Bild, stilgerecht mit Dampfschwaden über der SWR-1-Redaktionstasse, Foto: W. Messer) mindestens eine Nettostunde vor sich hin raspelt und röchelt. Und jetzt multiplizieren Sie das beispielsweise mit 15 (geschätzte Anzahl der Redaktionsmitarbeiter, die sich eine Kaffeemaschine teilen müssen).

Diese zwingende Symbiose aus Röstkaffee und redaktioneller Arbeit ist definitiv kein Dinosaurier-Relikt von uns alten Bleisatz-Zöglingen (damals genossen wir in der Redaktion zum Kaffee auch noch das Zigarettchen und der Kulturredakteur hatte schon bei der 14-Uhr-Konferenz leichte Artikulationsprobleme [nicht wegen des Kaffees, aber das ist eine andere Geschichte]), sondern durchaus auch bei jüngeren Journalisten anerkannt.

Übrigens: Zu Ihrer Frage, Herr Wüst, wer denn schon Kaffeemaschinen vermiete, liefert Tante Gugel immerhin über 7000 Antworten. Die artgerechte Haltung von wahren Journalisten erfordert allerdings zwingend den Kauf einer Maschine – ein Mietgerät käme bei der extensiven Benutzung einfach zu teuer.

Ein Gedanke zu „Koffein-Spiegel

  1. Also ich kann es auch kaum glauben, dass ein Journalist angeblich seine Kaffeemaschine kaum nutzt.
    Ich schreibe nun auch Tag für Tag sehr viel und ohne meine Koffeindosis komme ich auch nicht aus.

    Viele Grüße aus Dresden

    Sammy

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