Absturz: Eher „pilot error“ als Sabotage

Über zwei Monate später als angekündigt hat jetzt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) ihren Untersuchungsbericht über einen Absturz im Herbst 2010 in der Nähe der polnischen Grenzstadt Gubin ins Netz gestellt. Damals waren ein 49jähriger Baden-Badener Geschäftsmann und Kommunalpolitiker sowie seine Frau in einem einmotorigen Piper-Privatflugzeug ums Leben gekommen; wegen einer juristisch relevanten Vorgeschichte und Gerüchten über ein Bedrohungsszenario war zuerst Sabotage als Absturzursache nicht ausgeschlossen worden.

Piper PA 46 Hauptwrack
Das „Hauptwrack“ der Piper PA 46-350P (Kennzeichen D-EXTA) am Absturzort nahe Gubin. (Fotos mit freundlicher Genehmigung der BFU)

Im bereits Anfang 2011 veröffentlichten „Statusbericht“ der BFU (alle Details dazu habe ich bereits im Juni beschrieben) gab es dazu jedoch keine konkreten Indizien, stattdessen aber Beweise für einen irregulären Anflug der Piper “Malibu Mirage” auf den Flugplatz Cottbus-Drewitz. Der jetzt vorliegende Untersuchungsbericht bestätigt dies noch einmal und liefert ergänzende Informationen, auch über die dramatischen letzten Sekunden im Cockpit (kursive Anmerkungen von mir):

„Nach dem Start (vom Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden [FKB]) flog das Flugzeug bis zum Einkurven auf den Endanflugkurs oberhalb der tiefen Bewölkung (Obergrenze bei ca. 750 Meter über NN). Mit großer Wahrscheinlichkeit tauchte das Flugzeug zu Beginn der Kurve in die Bewölkung ein. Aufgrund der Wetterdaten war es nicht sichergestellt, ob die Wolkenuntergrenze (etwa 120 Meter über NN) ausreichen würde, eine Landung in Cottbus-Drewitz (etwa 84 Meter über NN) durchzuführen. …

Die Radardaten zeigten eine auffällig hohe Geschwindigkeit während des Landeanfluges. Die aufgezeichneten Geschwindigkeitsdaten lagen deutlich über den üblicherweise zu fliegenden Geschwindigkeiten für einen solchen Anflug mit dem Flugzeugmuster PA 46. Die hohe Geschwindigkeit beim Einkurven in den Endanflugkurs bedingte ein manuelles Steuern des Flugzeugs ohne Sicht nach außen, um den Endanflugkurs nicht zu überfliegen. Der Autopilot konnte die hierfür benötigte hohe Schräglage nicht mehr einsteuern. Die bis zur Kurve aufgezeichnete Flugspur lässt vermuten, dass bis zum Einkurven die Flugsteuerung durch den Autopiloten erfolgte.

Neben dem Steuern des Flugzeugs von Hand hätte der Pilot vor der Landung das Luftfahrzeug noch umkonfigurieren müssen, d.h. die Geschwindigkeit hätte reduziert, die Landeklappen gesetzt und das Fahrwerk ausgefahren werden müssen. Weiterhin hätte ein Durchstarten (Missed Approach) vorbereitet werden müssen, da nach den vorliegenden und dem Piloten übermittelten Wetterdaten die Landung nicht sichergestellt war.

Aus Sicht der BFU ist es sehr wahrscheinlich, dass es in der Kurve im Landeanflug, in einer Flugphase mit erhöhter Arbeitsbelastung, für den Piloten zu einer Desorientierung kam. Darauf wurde die Kontrolle über das Luftfahrzeug verloren. Dass kein Notruf aufgezeichnet wurde, wird von der BFU als ein Indiz dafür interpretiert, dass wahrscheinlich kein technischer Defekt vorlag.“

Tatsächlich war die Abweichung von der üblichen Anflug-Geschwindigkeit erheblich: Statt den vom Bundeswehr-Radar aufgezeichneten 190 bis 200 Knoten (rund 370 km/h) hätten es anfangs nur 130 sein dürfen, in der Kurve selbst 120 und im Endanflug 100 bis 110 Knoten. Der zuvor noch aktivierte Autopilot hätte das Flugzeug bis zu einer Schräglage von 22 Grad unter Kontrolle halten können, die für einen Kurvenflug mit 190 Knoten nötige Schräglage wäre aber rund 30 Grad gewesen und somit nur manuell steuerbar. Die BFU-Untersuchung kommt deshalb zu dem Schluss:

„Der Flugunfall ist darauf zurückzuführen, dass das Flugzeug im Landeanflug aus Sichtflugbedingungen in Instrumentenflugbedingungen einflog und es dabei zu einem Kontrollverlust kam.

Beigetragen haben:

  • der Sichtverlust nach außen in der Kurve
  • der Wechsel von der automatischen zur manuellen Flugsteuerung in Schräglage
  • die permanent hohe Fluggeschwindigkeit im Landeanflug“

Die mit einem 350 PS starken Lycoming-Motor ausgerüstete Piper geriet offensichtlich durch diesen „Kontrollverlust“ (auch „pilot error“ genannt) in einen Strömungsabriss und anschließend in einen schnellen Sturzflug, der nicht mehr abzufangen war. Die BFU stellt dazu fest:

„Der Aufschlag erfolgte im steilen Winkel mit hoher Geschwindigkeit. Die hierbei aufgetretenen Kräfte waren von beiden Personen nicht überlebbar.“

Beim Auftreffen auf den Boden explodierten offenbar die (geschätzt) noch rund 300 Liter Flugbenzin und setzten die Flugzeugteile in Brand. Nach Beobachtungen und Messungen der BFU bot sich an der Absturzstelle folgendes Bild:

„Entlang der Wrackverteilung gab es insgesamt vier Brandbereiche auf der Brachwiese: im Bereich der ersten Bodenberührung, nach ca. 16 m im Bereich von Wrackteilen der rechten Tragfläche, beim Hauptwrack und an einem östlich entfernt stehenden kleinen Baum. Der Brand des Hauptwracks hatte große Teile der Kabine und des Instrumentenbretts aufgezehrt.“

Piper-Absturz 2
Die Brandverteilung über rund 60 Meter von der ersten Aufschlagstelle (Vordergrund) bis zum Hauptwrack (hinten).

Es ist also laut BFU-Untersuchung nicht davon auszugehen, dass das Flugzeug bereits vor dem Aufschlag wegen eines technischen Defekts oder eines anderen Ereignisses brannte. Damit gibt es auch keine Indizien für eine Sabotage als direkte oder indirekte Absturzursache.

Ob der Pilot gesundheitliche Probleme hatte, konnte nicht mit letzter Sicherheit ermittelt werden, da eine Obduktion nicht mehr möglich war. Eine Untersuchung auf Alkohol im Blut blieb nach Angaben der BFU ohne Befund. Außerdem sei die medizinische Vorgeschichte des Piloten überprüft worden, aus der sich ebenfalls keine Hinweise auf eine mögliche Unfallursache ergeben hätten. Nicht erwähnt  wird im Untersuchungsbericht dabei eine „in den nächsten Tagen geplante Operation“, von der der Baden-Badener Oberbürgermeisters Wolfgang Gerstner am 12. November 2010 bei der Trauerfeier für das Ehepaar gesprochen hatte.

Klargestellt werden muss allerdings, dass die BFU mit ihren Beobachtungen und Erkenntnissen keinerlei Schuldzuweisungen vornimmt. Nach deren allgemeinen Anmerkungen dient „die Untersuchung … nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen“, sondern allein „der Verhütung künftiger Unfälle und Störungen.“

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