Auf Nimmer-Wiederfernsehen

Da ich selbst massive Defizite beim romantischen Blick auf technische Gerätschaften aufweise und entsorgten Altlasten selten nachtrauere, gibt’s hier nun nach langer Pause mal wieder einen sehr emotionalen Gastbeitrag meiner lieben Freundin und Kollegin Christiane Renye:

Röhren-TV
Fernseh-Nostalgie: So oder ähnlich sahen bis vor ein paar Jahren noch unsere TV-Kisten aus. (Foto: Pilz@Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Du, kleiner Fernseher, Du. Ich habe mich von Dir verabschiedet, ohne Dir noch einmal auf den Deckel zu klopfen. Und das tut mir Leid. Ich hab Dich mitleidlos auf die Mülldeponie gefahren, gefragt, wo der Elektromüll hin muss, und dort habe ich Dich abgestellt, in der sengenden Sonne. Den netten russischen Mann, der die Deponie beaufsichtigt und sagt, wo alles hin muss, habe ich drauf hingewiesen, das Du noch funktionierst – aber der hat nur müde gelächelt und auf den Container gezeigt. Und dort habe ich Dich abgestellt, ohne dass mein Herz eine Regung zeigte.

Jetzt, Tage später, geht mir auf, was ich da getan habe. Verrat habe ich geübt, an einem treuen Freund.

Gekauft habe ich Dich ungefähr im Jahr 1992. Bei Aldi. Für 299 Deutschmark. Die gab es damals noch… Ich habe Dich stolz nach Hause transportiert und ausgepackt und im Schlafzimmer aufgestellt. Ja, Du warst ein Kleiner – immer die Nummer zwei, ein NoName-Produkt, das meinem großen Loewe-Fernseher im Wohnzimmer nie das Wasser reichen konnte. Und trotzdem hast Du all die Jahre treue Dienste geleistet. Auf Dir habe ich jeden Abend beim Zubettgehen M.A.S.H. gesehen und „Harrys wundersames Strafgericht“ und manchmal, Samstagnachmittags, auch „21 Jump Street“ mit Johnny Depp, bevor er so richtig berühmt wurde. Ich habe viel gelacht mit Dir und viel Spaß gehabt. Du bist in drei Wohnungen mit mir umgezogen – und Du warst immer bei mir im Schlafzimmer. Immer die Nummer zwei. Und trotzdem habe ich Dich, irgendwie, geliebt.

Auch zu Zeiten, als es die ersten TFT-Bildschirme gab, HDTV und all den anderen hochmodernen Hightech-Fernseh-Luxus. Naja, irgendwann war Dein Bild auch nicht mehr so schön, das Alter hat Dir zugesetzt. Es hat ein bisschen gewackelt, nicht wahr. Und so arg scharf war es auch nicht mehr. Aber ich habe Dir die Treue gehalten. Denn funktioniert hast Du immer und zuverlässig. Wir haben zusammen tolle Filme gesehen, von „Armageddon“ bis „Zurück in die Zukunft“. Auf dem WDR „Zimmer frei“ und in der ARD „Harald Schmidt“.

Doch, wie der Mensch so ist, wuchs auch in mir der Wunsch nach einem schicken TFT-Bildschirm.
So einen besitze ich jetzt. Mein Freund ist er noch nicht. Er sieht zwar gut aus, kann aber nicht so gut sprechen, weshalb er die Unterstützung von zwei HiFi-Lautsprechern braucht. Das Bild ist natürlich schon schön. Und vielleicht hat mich die Freude darüber ein bisschen geblendet. Denn ich habe Dich einfach genommen und auf die Mülldeponie gefahren.

Da stehst Du jetzt wahrscheinlich immer noch, tagsüber in der sengenden Sonne, bibbernd in kalten Nächten, und morgens mit Tautropfen bedeckt, die Dein Inneres rosten lassen. Und ich habe Dir zum Abschied nicht mal auf den Deckel geklopft. Das tut mir Leid und ich möchte mich dafür entschuldigen. Und Dir danke sagen für fast 20 Jahre Fernsehfreude. Mach´s gut, mein Kleiner. Ich hoffe, wenigstens Deine Platinen werden noch jemandem nützlich sein!

Christiane Renye

(Guckbefehl von mir dazu: Arte hat vor einiger Zeit zum Thema „geplante Obsoleszenz“ eine sehr erhellende Dokumentation namens „Kaufen für die Müllhalde“ gesendet, kann man hier noch mal komplett anschauen)

Ein Gedanke zu „Auf Nimmer-Wiederfernsehen

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