Zahlreiche Blogs befassen sich heute – am jährlichen Blog Action Day – weltweit mit dem Thema „Wasser“; weit überwiegend mit dem Ziel, das Sparen in den Industriestaaten als oberste Bürgerpflicht zu propagieren, weil ja anderswo große Teile der Weltbevölkerung keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Gut gemeint, aber leider hat das Eine mit dem Anderen nichts zu tun.
„Wasser“ ist heute das Thema beim weltweiten „Blog Action Day 2010“ (Foto: Noodle snacks@Wikimedia Commons, Lizenz: GNU FDL 1.2)
Wenn Sie in Ihrer Toilettenspülung eine Spartaste und in Ihren Wasserhähnen Spareinsätze haben, wenn Sie ausschließlich duschen statt baden, dann verringern Sie zwar Ihre Wasser- und Abwasserkosten, verhelfen aber keinem Afrikaner zu mehr Trinkwasser. Wie sollte das in Deutschland gesparte Wasser denn auch in weit entfernte Regionen gelangen? Solche Transporte sind schon bei Energie (Strom, Öl) äußerst schwierig, bei größeren Wassermengen wären sie unmöglich, weil das Wasser nach einigen hundert Kilometern in einer Leitung ungenießbar und sogar giftig wäre. Tankschiffe sind ebenfalls nur eine Lösung für kürzere Entfernungen, wenn zum Beispiel Spanien vom Festland aus die zeitweise wasserarmen Ferieninseln versorgt.
Es führt also leider kein Weg daran vorbei, Trinkwasser dort zu erzeugen, wo es auch gebraucht wird. Das ist in den wasserarmen Gegenden der Welt meist nur mit erheblichem technischen Aufwand machbar, aber immerhin möglich – etwa durch Meerwasser-Entsalzungsanlagen, Tiefbrunnen oder Kondensatoren. Und selbstverständlich müssen auch dort die größten Sparanstrengungen unternommen werden. Das gilt bereits für die durch den Klimawandel zunehmend trockeneren südeuropäischen Regionen (zum Beispiel die Mitte und den Süden Spaniens), wo im Sommer in völliger Unvernunft riesige Obstplantagen und Golfplätze bewässert, Hotels und Ferienanlagen versorgt werden, während drumherum das Land zur Wüste wird und die Bevölkerung das Wasser streng rationieren muss.
Der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkwasser (ohne Industrie) lag 2009 in Deutschland nur noch bei etwa 122 Liter pro Tag (1991 waren es noch 144 Liter). Andere Industrieländer liegen deutlich darüber, in den USA zum Beispiel rund 2,5 Mal so hoch. Das sehr erfolgreiche Sparen in unserem wasserreichen Land hat aber Risiken und Nebenwirkungen.
Der stark zurückgegangene Wasserverbrauch macht die Kubikmeterpreise für Wasser und Abwasser teurer, weil nicht der Rohstoff selbst den größten Kostenanteil darstellt, sondern die Infrastruktur. Durch ungenügende Durchspülung der Leitungen und geringen Zufluss bei Kläranlagen steigen diese Kosten sogar überproportional. Das, was Sie zuhause an Frischwasser sparen, muss von den Stadt- und Gemeindewerken häufig schubweise ins Abwassernetz gekippt werden; meist mehrere hunderttausend Liter. In kleinerem Maßstab kann das auch Hausbesitzer betreffen, wenn sich Abwasserleitungen bei geringer Nutzung nach und nach zusetzen. Die Erfahrung zeigt: Je mehr wir sparen, desto teurer werden die Wasser- und Abwassergebühren.
Keinen Gefallen tun sich in der Regel auch Bauherren mit dem Einbau oder der Nachrüstung einer Warmwasser-Zirkulation. Diese soll verhindern, dass Sie erst unnütz mehrere Liter kaltes Wasser aus dem Warmwasserhahn zapfen müssen, bevor tatsächlich warmes Wasser kommt. Die Zirkulation spart zwar tatsächlich Wasser, verbraucht aber durch die ständige Vorhaltung von warmem Wasser im Hausnetz zusätzliche Heizenergie und vergrößert das Risiko der Keimbildung. Deshalb fällt die Kosten-Nutzen-Relation negativ aus – das verbrauchte Öl oder Gas ist teurer als der Ausgleich durch das gesparte Wasser. Die Warmwasser-Zirkulation muss eher als Komfortmerkmal denn als Mittel zum Wassersparen gesehen werden.
Die Lösungsansätze für die Versorgung wasserarmer Gebiete der Erde liegen letztendlich also nicht beim Wassersparen im deutschen Privathaushalt, sondern im globalen politischen, wirtschaftlichen und technischen Bereich. Als Verbraucher können Sie diese unter anderem durch das Sparen von Strom und Brennstoff unterstützen. Das schont einerseits das Klima und setzt andererseits Ressourcen und Finanzmittel frei, die sinnvoller investiert werden können.
Und weil wir’s schon von den bewässerten Obstplantagen in Spanien hatten: Die gehören zu unserem persönlichen Verbrauch von „virtuellem Wasser“, also der Wassermenge, die für ein erzeugtes Produkt insgesamt benötigt wird. Die liegt in Deutschland nicht bei 122 Litern pro Kopf und Tag, sondern bei unfassbaren 4000 Litern. Dort steckt das wahre Sparpotenzial, und zwar überwiegend in unserem Verbraucherverhalten hier in den Industrieländern. Denken Sie mal daran, wenn Sie im Winter Südfrüchte im Supermarkt kaufen oder irgendwann und irgendwo eines der Produkte aus dieser Tabelle:
Anklicken für größere Darstellung (Grafik: Mindestens@Wikimedia Commons, Lizenz: GNU FDL 1.2)
Pingback: Fastvoice-Blog » Blog Archive » Panta rhei …*
Pingback: Fastvoice-Blog » Blog Archive » Wie Reis zu Kaviar wird