Frauengold, die Emanzipation und das ZDF

Mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen: Im März 2007 sendete das ZDF-Magazin „Frontal 21“ einen Satirebeitrag über das Frauenbild in der Werbung der 1950er- und 1960er-Jahre; unter anderem mit Werbespot-Ausschnitten von „Frauengold“. Das brachte einen anonymen Autor dazu, einen noch sehr dünnen Wikipedia-Artikel über dieses „Stärkungsmittel“ zu schreiben, der wegen Inhaltsarmut und Quellenlosigkeit allerdings akut von der Löschung bedroht war.

Als damals noch sehr aktiver Wikipedia-Mitarbeiter nahm ich – eher zufällig – die Herausforderung an, den Artikel durch massiven Ausbau zu „retten“. Dabei fand ich die soziologischen und gesundheitlichen Ansatzpunkte besonders spannend. Da hatte sich doch ein Unternehmen die von alltäglicher Unterwerfung und Dienstleistung gestressten Hausfrauen und weiblichen Angestellten des Wirtschaftswunder-Deutschlands zur Zielgruppe erkoren und versorgte sie mit einer dubiosen Mischung aus Alkohol und teils giftigen Pflanzenstoffen – man mag es heutzutage kaum noch glauben.

„Frauengold“ und ähnliche Produkte der damaligen Zeit wurden als „Medizin“ verbrämt, obwohl sie eigentlich zu den süchtig machenden „Mother’s little helper“ gehörten – den mehr oder weniger legalen Drogen, deren Konsum bei Frauen gesellschaftlich akzeptiert war. Für die Männer hatte das den erwünschten Effekt, dass die Ehefrau, Sekretärin etc. sozusagen sediert wurde, nicht ungehörig aufmuckte und immer bei bester Laune war. „Frauengold macht Frauen hold“, wäre ein passender Claim gewesen; der tatsächlich verwendete Slogan „“Frauengold schafft Wohlbehagen, wohlgemerkt –an allen Tagen““ war aber – Menstruations-bezogen – auch schon sehr gelungen. Natürlich dienten diese Produkte deshalb als beliebte Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke.

„Frauengold“ wurde 1981 wegen der toxischen Inhaltsstoffe verboten, geriet aber offenbar nicht in Vergessenheit. Erst jetzt wieder, in der neuesten Ausgabe der ZDF-Satiresendung „heute-show“, wurde ein Werbespot des Schnäpsleins aus den 1960er-Jahren zur Illustration des aktuellen Empanzipationsstreits zwischen Alice Schwarzer und CDU-Familienministerin Kristina Schröder verwendet:

Frauengold-Werbung
Werbespot-Screenshot aus der ZDF-„heute-show“ – den betreffenden Teil der Sendung gibt’s hier in der ZDF-Mediathek.

Erstaunlicherweise hält sich der „Frauengold“-Mythos auch Jahrzehnte nach dem Verbot; noch 2001 wurde ein ungestützter Bekanntheitsgrad von immerhin 8 Prozent in der Gesamtbevölkerung ermittelt. Und es gibt immer noch einen Markt für solche „Stärkungsmittel“ – zum Beispiel für das bereits 1919 erfundene, ebenfalls alkoholhaltige und jährlich mehrere Millionen Mal verkaufte „Doppelherz-Tonikum“. Jenes stammt vom Unternehmen Queisser Pharma, das das „Frauengold“-Nachfolgeprodukt „Galama“ sowie „Doppelherz“ herstellt. Die Werbung für „Galama“ und „Doppelherz“ war und ist selbstverständlich zielgruppengerecht häufig auch im ZDF zu bewundern.

P. S.: Queisser Pharma ist immer noch Inhaber der 1975 eingetragenen „Frauengold“-Markenrechte, könnte also bei Bedarf jederzeit wieder ein Produkt dieses Namens auf den Markt bringen.

3 Gedanken zu „Frauengold, die Emanzipation und das ZDF

  1. Mehr als in dem verlinkten Wikipedia-Artikel steht, weiß ich leider nicht, sorry. Die damaligen Vorschriften zur Angabe der Inhaltsstoffe waren wohl auch deutlich laxer als heutzutage.

  2. Pingback: Fastvoice-Blog » Blog Archive » Vor einem Jahr …

Kommentare sind geschlossen.