DKV: Tarife mit Fallstricken (Update 14.1.2012)

Nein, privat Krankenversicherte sind nicht unbedingt reiche Leute. In vielen Fällen sind sie sogar ziemlich arme Kleinunternehmer oder Selbständige im Ruhestand, die trotzdem jeden Monat bis zu vierstellige Prämien zahlen müssen, deshalb zum Sozialfall werden können und kaum eine Möglichkeit haben, in die wesentlich billigere gesetzliche Versicherung zu flüchten. Ein „Schnäppchen“ sind Privatversicherungen nur für junge Leute. Sie müssen als „Gesetzlicher“ also keinen übertriebenen Neid auf die „Privaten“ entwickeln, zumal denen regelmäßig im November oder Dezember Mitteilungen über saftige Beitragserhöhungen für’s kommende Jahr ins Haus flattern – teils um bis zu 40 Prozent.

DKV-Card
Teuer erkauft: Die „DKV-Card“ für privat Krankenversicherte. (Foto: DKV-Presse)

Zumindest theoretisch gibt’s nun die Möglichkeit, diese Steigerungen abzumildern; etwa über die Erhöhung der jährlichen Selbstbeteiligung oder durch den Wechsel in günstigere Einzeltarife für ambulante Leistungen, Zahnbehandlungen, stationäre Krankenhausaufenthalte oder beim Krankentagegeld. Günstigere Tarife bedeuten natürlich in der Regel auch geringere Leistungen der Versicherung und die können später meist nur nach einer erneuten Gesundheitsprüfung oder oft auch überhaupt nicht mehr höher versichert werden.

Was diese geringeren Versicherungsleistungen aber im Einzelfall bedeuten können, das dürfte das Vorstellungsvermögen der meisten Kunden übersteigen, weil sie sich teils jeder Logik entziehen. Mal angenommen, Sie liebäugeln wie ich aus Kostengründen mit einem Tarif, der im Krankenhaus nur die Unterbringung in einem „Mehrbettzimmer“ statt einem Doppel- oder Einzelzimmer abdeckt. Bei der Deutschen Krankenversicherung (DKV), einem Unternehmen der ERGO-Gruppe, könnten das zum Beispiel die Tarife „SM7“ (mit Privatarzt) oder „SD3“ (ohne Privatarzt) sein.

In den Tarifbeschreibungen finden Sie allerdings einen Passus, der Sie mindestens mal stutzig machen sollte:

Die erstattungsfähigen Aufwendungen werden zu 100% ersetzt. Nach SM 7 ist jedoch die Erstattung für wahlärztliche und belegärztliche Leistungen bei Inanspruchnahme gesondert berechenbarer Unterkunft im Zwei- oder Einbettzimmer auf 40% begrenzt; der Unterkunftszuschlag ist nicht erstattungsfähig.

Das Gleiche steht entsprechend auch in der „SD3“-Tarifbeschreibung. Wie mir insgesamt vier DKV-Berater telefonisch bestätigt haben, bedeutet das aber in der Praxis: Wenn Sie mal ausnahmsweise für einen kurzen Krankenhausaufenthalt in einem Einbettzimmer liegen wollen und deshalb die Differenz zu einem Mehrbettzimmer höchstselbst und direkt an das Krankenhaus bezahlen, wird Ihnen die DKV trotzdem nur 40 Prozent der ärztlichen Leistungen erstatten, obwohl der Versicherung keine höheren Kosten für die Unterbringung entstehen.

Nach den Gründen für diese absurde Regelung befragt, bekam ich von den DKV-Beratern sowohl die Auskunft „keine Ahnung, warum das so ist, den Tarif gibt’s aber schon lange“ als auch den Hinweis „wenn Sie in einem Einbettzimmer sind, bekommen wir vom Krankenhaus eine andere Abrechnung, deshalb ziehen wir das bei den Arztkosten ab“ oder die lapidare Feststellung „sie müssen ja nicht in diesen Tarif wechseln, wenn er Ihnen nicht gefällt, wir haben ja Vertragsfreiheit in Deutschland – also entweder nehmen Sie den oder Sie lassen’s halt bleiben“. Letzteres klang fast wie ein Ultimatum im arroganten Ton eines Erpressers gegenüber seinem Opfer.

Die Rechnungsstelle des hiesigen Krankenhausverbunds „Klinikum Mittelbaden“ teilte mir jedoch auf Anfrage mit, dass die DKV-Angabe einer „anderen Abrechnung“ falsch sei. Tatsächlich schreibe man zwar der Versicherung die Art der Unterbringung; wenn der Zuschlag für das Einzelzimmer aber vom Patienten direkt bezahlt wurde, habe das keinen Einfluss auf die mit der Versicherung abgerechnete Summe, die im Übrigen normalerweise der auch bei gesetzlich Versicherten angewandten DRG-Fallpauschale entspreche.

Die DKV müsse also nicht mehr bezahlen, als wenn der Patient in einem Mehrbettzimmer gelegen habe; die ärztlichen Kosten seien ohnehin in beiden Fällen gleich. Ein Passus in den Versicherungsbedingungen, laut dem dann aber nur 40% dieser Arztkosten erstattet werden, benachteilige deshalb grundlos und massiv den Kunden.

Meiner Ansicht nach dürften die wenigsten DKV-Kunden die überraschende Tragweite dieser Eigenbeteiligungs-Regelungen kennen; eine versicherungsmathematische oder gar von Laien begreifbare Logik steckt ohnehin nicht dahinter. Möglicherweise finden Sie ähnliche Regelungen auch bei anderen privaten Krankenversicherungen. Ich habe deshalb bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz BaFin, in ihr ist seit 2002 auch das frühere Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen aufgegangen) schriftlich nachgefragt, ob solche Vertragsbestandteile überhaupt zulässig oder eventuell sogar sittenwidrig sind. Bis zu einem Resultat vergehen bei der BaFin erfahrungsgemäß mindestens drei Monate.

Update 10.12.:  Heute bekam ich einen Brief von der BaFin, in der sie mir mitteilt, dass sie meine Eingabe an die DKV übermitteln und den Vorstand auffordern werde, dazu Stellung zu nehmen.

Update 7.1.2012: Jetzt – nach etwa einem Monat  – gab es per Post eine erste Reaktion der DKV auf meine Anfrage. Der „Vertragsservice Gesundheit“ schrieb mir:

… Bitte entschuldigen Sie vorab die lange Bearbeitungszeit. Der Tarif SM7 wurde Anfang der Siebzigerjahre eingeführt. Bei der Kalkulation wurde davon ausgegangen, dass Patienten im Mehrbettzimmer nur sehr selten vom Chefarzt behandelt werden. Daher wurden auch nur geringe ärztliche Leistungen in die Beiträge eingerechnet.

Wenn nun jemand nach Tarif SM7 versichert ist, aber dennoch das Ein- oder Zweitbettzimmer wählt (und dabei die zusätzlichen Unterkunftskosten selbst trägt), dann hat er ungleich bessere Voraussetzungen, sich vom Chefarzt behandeln zu lassen, als wenn er im Mehrbettzimmer liegen würde. Wenn die dadurch entstehenden Kosten für privatärztliche Behandlungen aus dem Tarif SM7 voll erstattet würden, dann würde sich das auf die Beiträge im Tarif SM7 auswirken mit der Folge, dass die Beiträge deutlich erhöht werden müssten.

Es ist richtig, dass wir keinen Tarif anbieten, der in der beschriebenen Kalkulation die ärztlichen Leistungen voll erstatten könnte.

Es tut mir leid, aber diese Stromberg-Versicherungslogik leuchtet mir nicht ein. Wenn ich einen Tarif habe, der die Chefarztbehandlung einschließt, dann kann es dem Krankenhaus oder dem Arzt doch völlig wurscht sein, ob ich in einem Drei- oder Zweibettzimmer liege. Kriegen Chefärzte bei Visiten in Zimmern mit mehr als zwei Betten vielleicht Magenverstimmungen, Krätze, Läuse und Pickel? Die ärztlichen Leistungen können in jedem Fall voll abgerechnet werden und für die Krankenversicherung sollte das auch keinen Unterschied machen.

Inzwischen hat sich als Reaktion auf meinen ursprünglichen Blogbeitrag auch eine DKV-Kundin bei mir gemeldet, die mit dem Tarif SM7 offenbar kräftig auf die Nase gefallen ist. Sie schrieb mir Ende Dezember 2011 unter anderem:

Genau in diese Falle bin ich in diesem Herbst getappt, was mich ca. € 3000,– kosten könnte. Seit 28 Jahren bin ich bei der DKV und habe diesen SM7-Tarif, bisher ohne Probleme. Durch ein Missverständnis war ich jetzt zweimal in einem Privatzimmer untergebracht, was ich als solches nicht wahrgenommen hatte. Ok., mein Problem, diese Differenz muss ich wohl zahlen. Da die DKV diese Unterbringung aber registriert hatte, hat sie auch die chefärztlichen Leistungen tatsächlich auf 40 % gekürzt.

Bei meinen Anrufen dort, bei denen ich nach dem Sinn dieser Regelung fragte, war die erste Aussage auch: „Ja, verstehe ich eigentlich auch nicht“. Beim nächsten Mal hatte ich aber dann einen sehr forschen jungen Mann dran, der mir eindeutig erzählte, dass dieser Tarif natürlich sehr unerwünscht für die Versicherung wäre und sie lieber den Tarif mit Versicherung des 1 und 2-Bettzimmers verkaufen würden. So würde Ihnen ja über Jahre (bei mir immerhin 28) dieses Geld entgehen. Dass er damit gleichzeitig auch zugab, dass dieser Tarif dann eigentlich zu teuer ist und man billiger davonkäme, wenn man die Privatzimmerdifferenz immer selber zahlte, schien ihn nicht zu stören.

Dieser … Zusatz („Bei Inanspruchnahme…“) scheint also eine Absicherung oder auch Abschreckung zu sein. Erstmal versuche ich jetzt über die Kulanzschiene etwas zu erreichen, war aber sehr erfreut, jetzt gerade passend etwas in Ihrem Blog zu lesen.

Die hier von der langjährigen DKV-Kundin wiedergegebene Begründung eines „sehr forschen jungen Mannes“ für die seltsame Klausel erscheint mir weitaus logischer als die wolkige Pseudo-Erklärung im Schreiben des DKV-„Vertragsservice Gesundheit“.

Bis heute warte ich übrigens vergeblich auf ein schriftliches Angebot für einen besseren und günstigeren Tarif, den mir Mitte Dezember ein verständnisvoller DKV-Mitarbeiter am Telefon in Aussicht gestellt hatte. Stattdessen buchte die Versicherung Anfang des Monats pünktlich den zum Jahreswechsel um rund 60 Euro erhöhten Beitrag für den bisherigen Tarif ab – satte 514 Euro.

Update 14.1.2012: Sensationell schnell kam bereits jetzt die Stellungnahme der BaFin – hier ausführlich beschrieben.

Ein Gedanke zu „DKV: Tarife mit Fallstricken (Update 14.1.2012)

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