Wenn sich der stellvertretende Leiter einer Polizeidirektion und Chef der Kriminalpolizei nach fünf Jahren im Amt einem Disziplinarverfahren stellen muss und von seinen Aufgaben entbunden wird, dann ist das keine Petitesse. Noch spannender wird die Angelegenheit, wenn es sich um den Lörracher Kripo-Chef handelt und die Suspendierung knapp drei Wochen nach einem Aufsehen erregenden Amoklauf erfolgt.
Der 53jährige Kriminaloberrat Engelbert Brüstle ist zur Zeit krank geschrieben und wird nach Auskunft des Regierungspräsidiums Freiburg wohl nicht mehr an seine Dienststelle zurückkehren. Ihm wird ein Verstoß gegen die „internen Verhaltensgrundsätze der Polizei“ zur Last gelegt. Das sei nicht strafrechtlich relevant, aber Anlass für ein Disziplinarverfahren. Details wurden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht genannt; das Spektrum der in Frage kommenden Verfehlungen ist sehr breit.
Natürlich ist es reine Spekulation, aber ich werfe mal eine Möglichkeit in den Ring: Die Weitergabe von Informationen an Medienvertreter (ohne Genehmigung durch die ermittelnde Staatsanwaltschaft) nach einem Verbrechen wäre zum Beispiel ein solcher Verstoß. Das Durchsickern von (zum Teil falschen) Detailangaben zum Amoklauf der Lörracher Rechtsanwältin in den ersten Stunden nach der Tat könnte ein Indiz dafür sein. Vieles, was in diversen Medien damals zu hören und zu lesen war, stand nicht in den offiziellen Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft und Polizeidirektion.
Bei solchen Detailinformationen jenseits der offiziellen Kanäle werden von den Medien gerne „Polizeikreise“ als Quelle genannt. In jeder Polizeidirektion finden sich in der Regel einige mitteilungsfreudige Beamte oder Mitarbeiter, die unter der Hand mit Pressevertretern kooperieren. Die Motive dafür sind vielfältig und reichen von persönlicher Sympathie bis zu Geltungsbedürfnis. In einzelnen Fällen sollen auch schon „Informationshonorare“ gezahlt worden sein, was bei Beamten allerdings unter Umständen strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Solche finanziellen Zuwendungen sind deshalb auch eher bei nicht verbeamteten Mitarbeitern von Feuerwehren und Rettungsdiensten verbreitet.
Wichtig ist dabei immer, dass die verdeckte Zusammenarbeit nicht als Leck in der Dienststelle enttarnt wird. Im Fall des Lörracher Kripo-Chefs sollen die Hinweise auf mögliche Verfehlungen aus der Polizeidirektion selbst gekommen sein. Auch das würde für meine Theorie sprechen, denn kein Medienvertreter würde freiwillig seine geheime Quelle „verbrennen“ (und könnte dazu wegen des Informantenschutzes auch nicht gezwungen werden).
Ein Trostpflaster bleibt allerdings für Brüstle: Das baden-württembergische Innenministerium will ihm offenbar seinen Beamtenstatus nicht entziehen und prüft schon „neue Einsatzmöglichkeiten“ für ihn.
Update 13.10.: Bisher sind – nach mir aktuell zugetragenen Informationen – noch keine Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen Amoklauf und Suspendierung an regionale Medien gedrungen.