Stirb lieber langsam…

…wenn’s dein Radiosender oder deine Tageszeitung noch mitbekommen soll: Der Tod des ehemaligen Pop-Königs Michael Jackson mitten in unserer mitteleuropäischen Sommerzeit-Nacht zum 26. Juni geschah zur denkbar ungünstigsten Zeit für einige deutsche Medien. Die meisten Tageszeitungen erschienen an diesem Tag ohne die Meldung und viele private Radiostationen konnten auch erst zu Beginn ihrer Morning-Shows darauf reagieren. Ersteres liegt natürlich am frühen Redaktionsschluss, Letzteres an der Abwesenheit von menschlichen Lebewesen zu nächtlicher Stunde, wo häufig aus Sparsamkeitsgründen nur eine Automation für das Programm sorgt.

Aber vielleicht stimmt diese Einschätzung ja überhaupt nicht, vielleicht denken private Sender ja einfach länger nach als öffentlich-rechtliche, bevor sie einen Todes- oder ernsthaften Krankheitsfall vermelden. Das jedenfalls lässt diese Einschätzung der Programmchefin von Antenne Bayern vermuten. Dort wurde der erste Michael-Jackson-Titel also erst nach 5 Uhr gespielt, während zum Beispiel im Programm meines Hauptauftraggebers SWR 1 bereits ab Mitternacht stündlich zwei Titel mit den jeweils aktualisierten Meldungen liefen. Und die sprachen nicht erst um 4.30 Uhr zweifelsfrei von Jacksons Ableben, sondern schon drei Stunden zuvor.

Bereits eine halbe Stunde vor Mitternacht unserer Zeit war offiziell bekannt, dass Michael Jackson mit schweren Gesundheitsproblemen in ein Krankenhaus in Los Angeles eingeliefert worden war (zu diesem Zeitpunkt hatten die Ärzte allerdings in Wahrheit schon den Tod festgestellt). Das allein hatte meines Erachtens schon einen hohen Nachrichtenwert, fiel aber offenbar mangels körperlich und geistig anwesendenem Personal bei vielen privaten Radio- und TV-Sendern durch den Rost.

Dass selbst deutsche TV-„Nachrichten“- und „Musik“-Sender Opfer dieses unerwarteten Todes waren, ist fast noch schlimmer als der Todesfall selbst. Und wenn Sie nun einwenden, dass es nun wirklich keine Rolle spiele, ob der Tod eines Pop-Weltstars zwei oder drei Stunden früher oder später vermeldet wird, dann glauben Sie bloß nicht, dass das zum Beispiel beim Tod eines deutschen Regierungsmitgliedes anders ablaufen würde. Spätestens seit dem 11. September 2001 will ich nach dem Einschalten des Radios oder TV-Gerätes zu jeder Tages- oder Nachtzeit wissen, ob – sinnbildlich gesprochen – „die Welt noch steht“. Bei zahlreichen Sendern wird dieser Anspruch nicht (mehr) erfüllt, bei der Tageszeitung kann ich es in dieser schnelllebigen Zeit ohnehin nicht mehr erwarten.

Das erste Medium, das Michael Jacksons Tod meldete, war die Internet-Promigerüchteplattform tmz.com in den USA, die aktuellsten und ausführlichsten Meldungen über die Proteste gegen die unglaubhaften Wahlergebnisse im Iran liefen via youtube und Twitter – sind das jetzt die Informationsquellen, auf die wir uns heutzutage verlassen müssen? Nein, nicht ausschließlich, aber beunruhigenderweise immer häufiger.

2 Gedanken zu „Stirb lieber langsam…

  1. Ja am besten wäre vermutlich gewesen alle Zeitungen hätten den Tod schon um 23:49 deutscher Zeit vermeldet um dann um 5 Uhr ein Dementi hinterherzuschicken. Ich möchte nur so an Fälle wie Patrick Swazye oder Jeff Goldblum(gerade auch aktuell am 26. Juni) erinnern. Da sind doch wirklich Tote wieder auferstanden. Also mir sind späte richtige Nachrichten lieber als frühe falsche.

    Das die Meldungen über die Proteste aus dem Iran über Twitter und Youtube kammen hatte ganz andere Gründe. Das hier alles zusammen zu vermischen ist meiner Ansicht nach einfach nur Stimmungsmache.

  2. Ich habe keinerlei Kritik an den gedruckten Tageszeitungen geübt; einige haben den (bestätigten) Tod sogar trotz Redaktionsschluss noch vermelden können. Meine Zielrichtung ist der teils immer armseligere Rundfunk.

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