by Wolfgang Messer | 2.1.2014 17:25
Was bedeuten die Begriffe „elektrischer Leistungsfaktor“ oder „Scheinleistung“ bei LED-Lampen? Und wieso sollten Sie einen Dimmer nicht bis zur Maximallast mit vielen LED-Leuchtmitteln im Stromkreis ausreizen?
Vereinfachte Addition mit verwirrenden Begriffen: Die Scheinleistung[1] muss nicht mit Geldscheinen bezahlt werden – nur die Wirkleistung[2], die auch von Ihrem Stromzähler gemessen wird. (Foto: W. Messer)
Seit September 2013 müssen LED-Anbieter jede Menge Daten ihrer Leuchtmittel veröffentlichen[3]. Dazu gehört auch der „elektrische Leistungsfaktor“. Meistens lesen Sie da Zahlen zwischen „0,50“ und „0,95“; mein Messgerät hat bei Lampentests[4] auch schon „1,0“ angezeigt[5]. Der österreichische LED-Retrofit[6]-Spezialist LEDON schreibt dazu auf einer neuen Info-Seite[7]:
„Der Leistungsfaktor (Power Factor) drückt das Verhältnis zwischen der tatsächlichen Leistung des Leuchtmittels (Wirkleistung) und der aus dem Netz entnommenen Leistung (Scheinleistung) aus. Das sich daraus ergebende Verhältnis drückt den Wirkungsgrad des Leuchtmittels aus. Ein hoher Leistungsfaktor steht somit für eine effiziente Nutzung der Energie.“
Heißt das also, dass Sie für eine 230 Volt/10-Watt-LED-Lampe mit Faktor 0,9 weniger Strom bezahlen müssen als für eine gleich starke mit beispielsweise 0,7? Nein, für Ihre Stromrechnung spielt das keine Rolle, und mit der Lichtstrom-/Leistung-Relation oder Lumen/Watt-Effizienz[8] hat das auch nichts zu tun.
Tatsächlich sind Wechselstrom-geeignete Retrofit-LED-Lampen mit ihrer Vorschaltelektronik aber prinzipiell ein anderer „Gegner“ für’s Stromnetz als die alten Glüh- und Halogenleuchtmittel. Mit ihrer kapazitiven[9] (Kondensatoren) bzw. nichtlinearen[10] Last addieren sie geometrisch zur Wirkleistung (Einheit: Watt) noch eine Blindleistung[11] (Einheit: Var[12]). Die existiert auch bei vielen anderen elektronischen Geräten und ist keine LED-Spezialität. Außerdem gibt’s noch jede Menge Verbraucher in Haushalt und Gewerbe mit induktiver Last[13] – beispielsweise Elektromotoren.
Für Ihren Stromversorger heißt das: Er muss die Belastungsfähigkeit seiner Netze mindestens für die gesamte mögliche Scheinleistung (Einheit: Voltampère/VA[14]) auslegen, berechnet Ihnen aber dennoch nur die Wirkleistung und der Stromzähler muss für die Blindleistung blind bleiben. Alles klar soweit?
Der Leistungsfaktor eines LED-Leuchtmittels ist ohnehin keine feste, statische Größe. Er kann sich etwa nach längerer Leuchtdauer verbessern oder (bei Niedervolt-Lampen) durch von Ihnen vorgeschaltete Transformatoren und Treiber verschlechtern. Ob die Wirkleistung nur 50 (Leistungsfaktor 0,5) oder 90 Prozent der Scheinleistung (Faktor 0,9) beträgt – über die Qualität einer Lampe sagt das wenig aus.
Wenn der Hersteller auf seinem EU-Ökolabel ehrliche Angaben über den Kilowattstunden-Verbrauch pro 1000 Stunden Betrieb gemacht hat (im Bild rechts der Packungsaufdruck einer 5-Watt-LEDON-„Kerze“[15]), zahlen Sie auch nur diese kWh – plus eventuell den Eigenverbrauch eines Trafos, der bei 12-Volt-Leuchtmitteln jedoch ohnehin schon laut EU-Vorgabe[16] mit 10 Prozent eingerechnet werden muss.
Update 03.01.: Warum bei Niedervolt/Gleichspannungs-LED-Lampen trotz entsprechender EU-Vorschrift kein seriöser Leistungsfaktor angegeben werden kann, steht jetzt in diesem Beitrag[17].
Wieso raten aber viele Hersteller bei dimmbaren LED-Lampen, die Maximallast eines Dimmers nur zu 20 oder gar 10 Prozent auszureizen[18]? Das würde ja bedeuten, dass Sie an einem 400-Watt-Dimmer (Detailbild links) beispielsweise höchstens fünf 7-Watt-LED-Spots betreiben dürften. So was kann doch nichts mit der relativ geringen Blindleistung zu tun haben! Stimmt, das liegt an einem anderen Effekt.
Wie viele andere elektrische und elektronische Geräte haben LED-Leuchtmittel nämlich einen hohen Einschaltstrom[19]. Sie belasten also das Netz für einen Sekundenbruchteil viel mehr als die offizielle Leistungsangabe – theoretisch kann das über das Zehnfache sein. Auch das ist kein „Fehler“ der LED-Technik. Traditionelle Glüh- und Halogenlampen schaffen als „metallische Kaltleiter“[20] teils sogar 15fache Einschaltströme.
So gesehen, hätten Sie an Ihren 400-Watt-Dimmer bisher niemals eine „Glühbirne“ mit 60 Watt anschließen dürfen. Haben Sie aber doch – wahrscheinlich sogar noch mehr, ohne dass was passiert ist. In der Praxis ist beispielsweise bei mir erst dann die Dimmer-Sicherung durchgebrannt, als ich 14 Hochvolt-Halogenspots à 25 Watt (insgesamt 350 W) bei hellster Voreinstellung einschaltete. Jetzt sind LED-Spots mit 5 bis 7 W drin – insgesamt rund 90 W.
Das wäre laut Hersteller-Warnungen immer noch deutlich zu viel, funktioniert aber mit den relativ trägen Dimmer-Sicherungen trotzdem problemlos. Seit der LED-Umrüstung hat bei mir jedenfalls keine den Dienst quittiert. Mein Tipp: Wenn Sie die Maximallast Ihres Dimmers bis zu etwa einem Viertel mit LED-Nennleistung ausnutzen und rund 75% „Headroom“ lassen, dürften Sie auf der sicheren Seite sein.
Häufig ist ja eher die Mindestlast ein größeres Problem bei der Zusammenarbeit zwischen Dimmern und dimmbaren LED-Lampen – aber das ist wieder eine andere Baustelle[21].
Blog-Leserfrage (16): Schummeln LED-Hersteller bei den Watt-Zahlen?[22]
Blog-Leserfrage (17): Kontaktprobleme – zu viel Lötzinn am LED-Lampensockel?[23]
Spannend: Schneller LED-Tod wegen zu viel Volt im Stromnetz?[24]
Ärger mit Dimmer-LED-Lampen? Justieren kann helfen[25]
LED-Lampe und Dimmer: Immer noch kein Traumpaar[26]
Source URL: http://fastvoice.net/2014/01/02/wie-led-lampen-das-stromnetz-belasten/
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