VOC: Der (un-)heimliche Feind der LED

Was der „Tatort“-Spurensicherung hilft, kann einen LED-Chip in kurzer Zeit lahmlegen: Flüchtige organische Verbindungen, wie sie beispielsweise Sekundenkleber mit Cyanoacrylat ausdampfen. Zahlreiche Produktmischungen und Stoffe sind nach Untersuchungen des US-Herstellers „Cree“ mit blauen und „weißen“ LEDs nicht „chemisch kompatibel“ und führen schon nach wenigen Wochen zu drastischen Verfärbungen und Lichteinbußen.

LED/Sekundenkleber
Mit so einem Sekundenkleber-Fläschchen können Sie LED-Chips (links ein Modul von LEDON) „erschießen“ – schuld ist eine heimtückische chemische Reaktion in der Silikonhülle. (Foto: W. Messer)

Reden wir mal über Detektivarbeit: Ein mutmaßlicher Mörder hat am Tatort wahrscheinlich Fingerabdrücke hinterlassen, die sind aber leider unsichtbar. Was tut die allseits beliebte „Spusi“? Sie erhitzt an den in Frage kommenden Stellen etwas Cyanoacrylat. Die dabei entstehenden Dämpfe schlagen sich an Spuren mit Restfeuchte nieder und lassen sie wie von Zauberhand als weißes Muster erscheinen. Alles klar, Herr Kommissar – der Fall wäre schon fast gelöst.

Wie unangenehm es bei dieser kriminaltechnischen Arbeit riecht, können Sie zuhause problemlos nachvollziehen: Schnüffeln Sie einfach mal an einer geöffneten Tube Sekundenkleber – aber bitte nur kurz. Auch da ist nämlich meistens Cyanoacrylat drin. Was dessen Dämpfe und die von anderen chemischen Erzeugnissen bei LED-Chips anrichten können, haben die Ingenieure von „Cree“ in den USA in mühseliger Detektivarbeit ermittelt (pdf-Download des „Support Document“).

Lange Liste verdächtiger Produkte

„VOC“ heißt das Kürzel für Stoffe mit teils erschreckenden Auswirkungen auf die Performance von blauen und den mittels Phosphorschicht zu „weißen“ modifizierten Leuchtdioden. Es steht für „volatile organic compound“ – auf Deutsch: „Flüchtige organische Verbindung“. Die gibt’s in vielen Klebstoffen, Nagellack-Entfernern, Kontaktsprays, Bleichmitteln, Schraubensicherungslacken, Schmiermitteln, Schutzbeschichtungen etc. – die Liste der von „Cree“ getesteten Produkte ist abendfüllend und wird mit Kundenhilfe ständig erweitert.

Vor allem in luftdicht eingeschlossenen LED-Modulen können selbst kleinste Mengen von einigen dieser Verbindungen bei höheren Temperaturen unheilvolle chemische Reaktionen auslösen. Besonders hartnäckige VOCs diffundieren sogar von außen durch das „Globe Top“ über einem LED-Chip. Das Resultat schon nach rund hundert Leuchtstunden: Die LED verfärbt sich und liefert nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Lichtstroms. Nicht betroffen von feindlichen VOCs sind übrigens bernsteinfarbene, grüne und rote LED-Chips, weil sie längere und energieärmere Lichtwellen emittieren.

Fastvoice-Eigenwerbung neu

In einem Fall ermittelten die „Cree“-Experten in einer Deckenleuchte mit mehreren integrierten weißen LEDs die kleinen, runden Dichtungen, in die die Module eingepasst waren, als Verursacher von drastischen Farb- und Helligkeitsveränderungen. Bei längerer Leuchtdauer stieg natürlich die Temperatur in der Leuchte und die direkt an den LED-Linsen liegenden Dichtungen „gasten aus“. Obwohl die Leuchtenkonstruktion nicht komplett luftdicht war, gelang es den flüchtigen organischen Verbindungen, die Linse des Chips zu durchdringen, sich in der Silikonhülle einzunisten und sie dadurch halbwegs „erblinden“ zu lassen.

Die gute Nachricht: Dieser Prozess ist meistens umkehrbar. Wenn Sie die VOC-Quelle entfernen, für ausreichende Belüftung des Chips sorgen und die LED ununterbrochen weiterarbeiten lassen, gewinnt sie in der Regel nach etwa einem Tag ihre volle Leuchtkraft zurück. Die Silikonhülle „erholt“ sich wieder durch Diffusion der feindlichen Verbindungen. Das kam zumindest bei ausführlichen „Cree“-Testreihen heraus (ich hätte dazu gerne ein paar höchst interessante Fotos und Diagramme gezeigt, habe aber dafür leider keine Freigabe von „Cree“ erhalten. Bei der Vorstellung neuer Module oder Laborrekorde hat das Unternehmen dagegen kein Problem mit der Veröffentlichung von Bildern – das nenne ich mal „selektive Pressearbeit“).

Material-Test-Kits für Kunden

Um die Datenbasis kontinuierlich zu erweitern, stellt das Unternehmen seiner gewerblichen Kundschaft Material-Test-Sets mit „XLamp XP-C“– oder „XP-E“-LEDs zur Verfügung. An „lebenden Objekten“ kann hier unter Luftabschluss die chemische Verträglichkeit verdächtiger Stoffe untersucht werden.

Die Ingenieure empfehlen eine etwas höhere Stromzufuhr und maximale Arbeitstemperatur als beim geplanten Leuchtmittel. Ohne die unter Normalbedingungen übliche Hitzeableitung wird der Testablauf erheblich beschleunigt. Deutliche Verfärbungen und Lichtstrom-Einbußen der Chips durch inkompatible Produkte sind so im Dauerbetrieb nach spätestens sechs Testwochen zu beobachten, erste Auswirkungen häufig bereits nach einer Woche.

Zielkonflikt für Konstrukteure

Für LED-Lampen- und Leuchten-Konstrukteure ergeben sich aus diesen Erkenntnissen spannende Herausforderungen: Einerseits schützt ein luftdichter Abschluss die Module vor schädigenden Umwelteinflüssen. Andererseits könnte eine ordentliche Luftzirkulation flüchtige organische Verbindungen weitgehend von den Chips fern halten und außerdem zu hohe Temperaturen verhindern, die wiederum das Ausgasen dieser VOCs aus problematischen Produkten begünstigen würden.

In diesem Zusammenhang interessant: Silikontropfen als LED-Überzug werden bei den großen Herstellern erst seit etwa 2004 flächendeckend verwendet. Zuvor war es meist Epoxidharz, das zwar schneller vergilbt als Silikon, aber eine höhere Gasdichte aufweist. Verunreinigungen, respektive VOCs, hatten also früher kaum eine Chance, bis zum eigentlichen Chip vorzudringen.

Amateurbastler wie ich sollten beispielsweise den Einsatz von Sekundenkleber in LED-Nähe vermeiden. Der Königsweg wäre wohl eine sorgfältige Auswahl von ausschließlich chemisch kompatiblen Materialien beim Bau der Lampe/Leuchte. Auch hier hat „Cree“ einige Beispiele parat, wovon „Wasser“ und Isopropylalkohol allerdings nicht gerade die gängigsten Produktionsmittel sind. 😉

Mehr zum Thema:

Leiden LED-Lampen durch Dunst, Dampf und Staub?

“Silicon(e) Valley”: LEDs arbeiten mit Silikon und Silizium

LED-„Schlachtbank“ im Fastvoice-Studio

Hier wird’s heiß: Der „Tc-Punkt“ von LED-Lampen

3 Gedanken zu „VOC: Der (un-)heimliche Feind der LED

  1. Hallo,

    sehr interessanter Beitrag mit den VOC`s. Wir messen den Schlamassel zu Hauf in Wohnungen und Arbeitsräumen. Können wir den Beitrag auf unserer Seite platzieren ?

    Viele Grüße Ralf

  2. @Ralf Zimmer: Verlinken (auch verbunden mit der kurzen Text-Einleitung oben) ja, „platzieren“ nein. Danke für’s Nachfragen und das Beachten des Urheberrechts.

Kommentare sind geschlossen.