Schadet LED-Licht den alten Meistern? (Update 2.2.)

„Warnung vor LED-Leisten – Licht verfärbt Gemälde von van Gogh“ (* siehe unten) titelte „Spiegel Online“ Anfang des Monats. Im Beitrag wurde berichtet, dass sich das „Lieblings-Gelb“ des niederländischen Malers auf einigen Bildern in unansehnliches Braun und Grün verwandelt habe. Forscher hätten „die verheerende chemische Reaktion dahinter entschlüsselt“ und LED-Leuchten in Museen als Schuldige entlarvt. Was steckt hinter dieser Schlagzeile?

Van Gogh Dünen
„Landschaft mit Dünen“ – eines der gefährdeten van-Gogh-Meisterwerke aus dem 19. Jahrhundert mit hohem Gelb-Anteil. (Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Bisher war die Sache eigentlich klar: Ordentliches LED-Licht geht besonders schonend mit Gemälden, Tapeten, Wandbehängen, Textilien, Fotos oder Dokumenten um, weil es im Gegensatz zu sonstigem Kunst- oder Tageslicht normalerweise keine schädlichen Ultraviolett- und Infrarotstrahlen enthält. Laut „Spiegel Online“ habe aber nun ein internationales Forscherteam Museen eindringlich davor gewarnt, etwa Bilder von van Gogh, Cézanne, Gaugin und anderen Malern mit „weißen LED-Leisten“ zu beleuchten. Die seien schon in einigen Kollektionen installiert worden und enthielten unter anderem einen Blau-Anteil, der die besonders empfindlichen Gelbtöne in den Gemälden zerstöre.

Der Hauptbestandteil dieser Ölfarben sei Blei-Chromat (PbCrO4), das unter Lichteinwirkung chemische Veränderungen auslöse. Mit einer Reihe von Experimenten habe man zudem herausgefunden, dass auch „die grünen Bereiche des sichtbaren Lichtspektrums“ das Chrom-Gelb abdunkeln ließen – „von der verheerenden Wirkung von UV-Strahlen ganz zu schweigen.“ Bis hierhin kann man das alles glauben, es hat aber primär nichts mit LED-Beleuchtung zu tun, sondern gilt für die schädlichen Nebenwirkungen von Licht im Allgemeinen (übrigens auch für menschliche Haut und Netzhaut).

Ganz dunkel wär’s am besten

Van Gogh arbeitete bei fehlendem Tageslicht noch im bescheidenen Schein einer Gaslaterne und litt möglicherweise auch weit mehr unter seinen hochgiftigen Ölfarben, als es heutige Museumsdirektoren müssten (der Soundtrack dazu heißt „Vincent“ und stammt von Don McLean). Inzwischen gibt’s nämlich eine viel reichere Palette an Beleuchtungsmöglichkeiten.

Unbestreitbar: Am besten halten sich alte Meister in ständiger, völliger Dunkelheit. Dumm nur, dass sie dann keiner mehr bewundern könnte und allen Museen die Geschäftsgrundlage entzogen wäre. Der Kompromiss: Man beleuchtet die Gemälde nur bei Bedarf und dann mit einem möglichst schonenden Licht. Das geschieht bisher noch meistens mit Halogenlampen und aufgesetzten UV/IR- und Farbfiltern – Effizienz sieht anders aus und Licht-Designer fühlen sich bei Museumsbeleuchtung häufig im luftleeren Raum.

Van-Gogh-Museum
Gefiltertes Licht für alte Meister: Einer der mit Halogen-Deckenstrahlern ausgerüsteten Räume des Van-Gogh-Museums in Amsterdam. (Foto: jankie@Wikimedia Commons, Lizenz: CC-by-sa 2.0)

Das gilt auch für das Van-Gogh-Museum in Amsterdam (das noch bis Ende April wegen Renovierung geschlossen ist und deshalb zur Zeit Teile seiner Exponate in der Eremitage Amsterdam zeigt). Dessen Konservatorin Ella Hendriks denkt laut „Spiegel Online“ darüber nach, das Museumslicht noch weiter zu reduzieren. Das Dilemma: „Gemälde leben nur, wenn man sie zeigt. Und wir brauchen Licht, um die Bilder in ihrer vollen Schönheit wahrzunehmen.“ Eine der Aufgaben sei es nun, die Blau- und Grün-Anteile der künstlichen Beleuchtung herauszufiltern, ohne die korrekte Farbwahrnehmung der Kunstwerke zu beeinträchtigen.

Die schlechte Nachricht: Wer bestimmte Farbanteile aus Kunstlicht herausfiltert, lässt meistens die Farbtreue in den Keller rauschen. Schönes Beispiel: Während Glühlampen mit ihrem breitbandigen, vollen Spektrum den idealen Farbwiedergabeindex Ra/CRI 100 erreichen, schaffen manche Billig-Leuchtstofflampen mit ihren schmalbandigen „Peaks“ noch nicht mal 70. Schädlich für Gemälde sind aber beide – jedes auf seine Art.

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Und was ist mit den gefährlichen „weißen LED-Leisten“? Die kann es tatsächlich geben – wenn man sich als Museums-Lichtplaner besonders blöd anstellt. Bekanntlich sind die für Beleuchtungszwecke verwendeten „weißen“ LED-Chips in Wirklichkeit blaue bzw. „königsblaue“ LEDs, deren Licht durch eine Phosphor-Konversionsschicht umgewandelt wird. Die chemische Zusammensetzung und Körnung dieser Schicht bestimmt die Farbtemperatur, Farbtreue und Energieeffizienz des Chips.

Auf die Farbtemperatur kommt’s an

Um LED-Licht „kälter“ oder weißer zu machen, werden mehr Blauanteile durchgelassen. Das ist laut den von „Spiegel Online“ zitierten Forschern genau der Spektralbereich um 450 Nanometer Wellenlänge, der den Chrom-Gelb-Ölfarben van Goghs am meisten zusetze. Will man also nicht haben im Museum.

Auch laut einer exemplarischen Untersuchung des österreichischen Lichtspezialisten Zumtobel – mit dem hauseigenen „Arcos“-LED-Strahler und dem Picasso-Gemälde „Harlekin“ im Stadtmuseum Lindau (pdf-Download) – ist das Schädigungspotenzial von LED-Licht nur dann höher als das von gedimmtem und gefiltertem Halogen-Museumslicht (2150 Kelvin), wenn die LED-Farbtemperatur deutlich über ca. 3250 K liegt. Grob gesagt: Je kälter, desto schlechter.
Zumtobel-Arcos 3
Der „Arcos 3“-LED-Strahler von Zumtobel mit „Tunable White“-Funktion. Lichtfarbe und Helligkeit lassen sich über ein DALI-Steuersystem zwischen 2.700 bis 6.500 K stufenlos einstellen – eine gute Wahl für Museumsbeleuchtung. (Foto: Zumtobel-PR)

Die gute Nachricht: Kälteres Licht mit mehr Blau drin brauchen wir gar nicht für den Kunstgenuss. Laut der Zumtobel-Studie ist nämlich die Farbtreue der LED-Leuchten im warm-weißen „Wohlfühl“-Bereich (um 3000 Kelvin) mit bis zu Ra 94 weitaus besser als etwa bei kalt-weißen 6000 Kelvin (Ra 84).

Mit klug ausgewählten und speziell „getunten“ LED-Leuchten erzielt der Fachmann im Museum auch ganz ohne Filter einen ordentlichen Kompromiss aus Farbtreue und Schädigungspotenzial. Abhängig von Tageszeit, Naturlichteinfall und Besucherfrequenz kann mit intelligenter Steuerungselektronik die Farbtemperatur und Lichtstrom bzw. Lichtstärke der LED-Beleuchtung dynamisch und stufenlos verändert werden. Das darf so weit gehen, dass einzelne Strahler zeitweise komplett heruntergedimmt werden – wenn gerade keiner guckt, muss ja auch nichts leuchten. Dazu kommt die bessere Fokussierbarkeit von LED-Strahlern mit weniger Streulicht als Halogen-Reflektoren.

Osram-Shed-Leuchten
Individuell steuerbare Osram-Multi-LED-Leuchten in der „Städtischen Galerie im Lenbachhaus“ in München. Nach der Wiedereröffnung im Mai 2013 sollen sie die Kunstwerke ins richtige Licht setzen. (Foto: Osram-PR)

Dank mehrfarbiger Multi-LED-Module und angepasster Steuerelektronik ist es sogar möglich, für jedes Gemälde individuelles Licht zu mischen. Sollte eine spezielle historische Ölfarbe etwa besonders allergisch auf grüne Wellenlängen reagieren, könnte dieser Anteil gezielt herunter geregelt werden. Versuchen Sie das mal mit traditionellem Kunstlicht – der Aufwand wäre enorm und das Schädigungspotenzial bliebe dennoch höher als mit LED-Beleuchtung.

Ein modernes LED-Lichtkonzept erfreut nicht nur alte Meister wie van Gogh, auch immer mehr Museums- und Galerie-Chefs haben dafür ein offenes Ohr. Denn die anfänglichen Investitionskosten sind zwar happig, amortisieren sich aber nach ein paar Jahren locker durch den bis zu 90 Prozent geringeren Stromverbrauch.

Update 16.1.: Siehe dazu auch den gerade erschienenen „mondo*arc“-Beitrag „Study wrongly blames LED for van Gogh masterpiece damage“.

Cermax-Xenon-LampeUpdate 2.2.: Inzwischen haben die Forscher um Letizia Monico von der Universität Perugia offiziell bestätigt, dass bei der im „SpOn“-Artikel genannten Untersuchung überhaupt keine LED-Leuchten getestet wurden, sondern nur eine – vor allem im medizinischen Bereich weit verbreitete – 175 Watt starke „Cermax“-Xenon-Lampe (PR-Bild rechts: Excelitas Technologies) mit vier verschiedenen Filtern. Direkte Rückschlüsse auf die Auswirkungen von LED-Licht auf Gemälde sind auf dieser Grundlage natürlich nicht möglich; jede entsprechende Berichterstattung darf meines Erachtens mindestens als grob irreführend bezeichnet werden.

Eine jetzt veröffentlichte Studie von internationalen Lichtforschern um Prof. Dr. Tran Quoc Kahnh und Dr. Peter Bodrogi (Technische Universität Darmstadt) kam zu einem völlig gegensätzlichen Ergebnis (pdf-Download der Kurzfassung). Sie untersuchte das Spektrum von insgesamt 118 Leuchten (LEDs, Kompaktleuchtstofflampen, Glühlampen sowie Tageslicht) – vor allem im blauen Bereich von 335 bis 525 Nanometer und im Ultraviolett-Spektrum von 240 bis 400 Nanometer.

Licht-Spektrum
(Grafik: Horst Frank@Wikimedia Commons, bearbeitet, Lizenz: GNU)

Die Wissenschaftler konnten dabei nach eigenen Angaben belegen, dass weiße LEDs im Gegensatz zu den anderen untersuchten Lichtquellen keinen signifikanten UV- und keinen höheren blauen Strahlungsanteil haben. Der Anteil im blauen Farbspektrum liege bei der weißen LED sogar deutlich unter dem von natürlichem Tageslicht. Dazu sei das Maximum des Blauanteils von LEDs mit ca. 450-460 nm in einem langwelligeren Teil des Spektrums als das von anderen Leuchtentypen (je nach Technik „Peaks“ bei 404 bis 437 nm, also näher am UV-Bereich) und somit ungefährlicher.

Damit sei bewiesen, dass die kommerziell vertriebenen weißen LEDs in Museumsbeleuchtung das Altern von gelben Farbpigmenten der Gemälde in weitaus geringem Maß beschleunigten als andere Lichtquellen – inklusive Leuchtstofflampen und Tageslicht.

* Die URL des „SpOn“-Artikels verrät noch die ursprüngliche Headline „LED-Licht schadet Gelbtönen auf van-Gogh-Gemälden“ – völlig absurd und grottenfalsch.

Mehr zum Thema:

Flexibles LED-Licht für’s Museum in rund 100 Nuancen

“LED 4 ART”: Neues Osram-Licht für Sixtinische Kapelle

Gastbeitrag: Netzhaut-Risiko “blue hazard” bei LED-Licht

8 Gedanken zu „Schadet LED-Licht den alten Meistern? (Update 2.2.)

  1. @ Wolfgang:
    Wurde der Artikel möglicherweise von der Glühlampen-Lobby mitunterstützt (oder zumindest gern gesehen)…?
    Genaugenommen entwickeln doch auch Halogenlampen UV-Strahlung, es steht ja jedesmal in der Produktbeschreibung, dass da ein UV-Schutzglas davor sei. Ob dieses Glas bei intensiver Anstrahlung jahrelang im Museum nun die komplette UV-Strahlung zurückhält, wäre die Frage.
    Und ob die Blitzgeräte der Betrachter (herrscht da normal nicht Fotografierverbot?) im obigen Bild nicht auch noch ihren Teil dazu beigetragen haben 😉

  2. @Johannes: Steht ja bereits im Beitrag, dass jedes andere Kunstlicht UV produziert – natürlich gehört auch Halogen dazu. Zum Schutzglas steht auch noch was in der verlinkten Zumtobel-Studie.
    Das Bild aus Amsterdam entstand während einer von „Wiki Loves Art Netherlands“ mit dem Museum organisierten exklusiven Foto-Session 2009 – geblitzt wurde da sicher nicht.

  3. Schöner Artikel, auch wenn das „brauchen“ von kaltweißem Licht natürlich relativ ist – manche Bilder sollen halt aussehen wie an Tageslicht und dann braucht man natürlich auch kaltweißes Licht. Unsere Lenbachhaus-Leuchte hat ja auch bei höheren Farbtemperaturen einen CRI von 95 und mehr (Ende des Werbeblocks). Aber Du hast recht, weniger schädigen tun grundsätzlich wärmere Lichtfarben. Ich hab mich letzte Woche ja sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt. Und es ist sehr spannend, wie man Schädigung errechnet und wie verschiedene Lichtquellen so abschneiden. Eine Energiesparlampe mit 2500 Kelvin zum Beispiel sehr gut (allerdings bei weniger guter Farbwiedergabe), einige Leuchtstofflampen mit 4000 K und sehr guter Farbwiedergabe immernoch in etwa so wie die Halogenlampe. Panik ist aber in jedem Fall unangebracht, weil auch die Versicherungen für Bilder wie die von van Gogh genaue Vorgaben machen.

    @Johannes: Wenn mit Glühlampen-Lobby Firmen wir wir gemeint sind (ich bin Pressesprecher bei Osram) kann ich das verneinen. Panik hilft ja keinem – s. die Diskussion um Energiesparlampen. Zudem machen die großen Hersteller ja alle auch LED. Und das Gerede über die Lobby in diesem Bereich ist ohnehin krass. Irgendwie scheinen Leute zu glauben, bei uns würden Hunderte von Leuten daran arbeiten, die Politiker zu bearbeiten. Bei uns kümmert sich eine Person um Politikerfragen bei „Glühlampenverboten“ weltweit. Da muss er vor allem Grundlagen der Lichttechnik erklären – also fast das, was Wolfgang hier manchmal macht.

    Ich denke, es ist einfach ein Rand-Bereich, den ein General Interest Medium wie Spiegel Online schwerlich ganz überblicken kann. Die Restauratoren und Museumsleute, mit denen ich letzte Woche gesprochen habe, sagten jeden Falls, dass solche Themen immer mal wieder kommen. Und letztlich wird der Durchbruch der LED das verstärken. Denn bislang konnten Wissenschaftler zwar solche Zusammenhänge ermitteln – aber die Lampen waren quasi unveränderbar. Man konnte als wenig Konsequenzen daraus ziehen. Die LED lassen sich ja sehr präzise steuern. Sobald also jemand den Zusammenhang entdeckt, kann man direkt reagieren. Insofern haben solche Studien einen direkten Nutzwert.

    So, nun adiere ich mal 5 und 4 und schicke den Kommentar ab 🙂

  4. @Christian: Klar, die Farbwiedergabewerte stammen ja nur vom Zumtobel-Strahler aus der Studie – bei anderen Leuchten kann das anders aussehen.
    Tut mir leid mit diesen doofen Additionsaufgaben – aber ohne diese kleine Hürde hatte ich täglich Dutzende Spam-Kommentare zu löschen.

  5. Das mit dem Addieren ist absolut ok. Beim Autolichtblog hatten wir es erst ohne versucht – aber das ist tatsächlich nicht handhabbar. So lang auch Leute mit NRW-Abi wie ich das lösen können, ist doch alles prima.

  6. @ Christian Bölling:
    Danke für die Infos. Ich habe da mit der Glühlampenlobby auch nicht euch speziell gemeint, da – wie du erwähntest – alle großen Hersteller auch LED machen.
    Aber es gibt einfach auch noch unter Privatkunden schon welche, die da noch sehr LED-ablehnend sind (ist ja Sinn und Zweck dieses Blogs – dort gegenzusteuern). Ich kann mich zB. an einen in einer amazon Kundendiskussion erinnern, der erfahren hat, dass bei der Philips Master LED E27 12W hinter der gelben Abdeckung blaue, also UV-LEDs sein sollen und die Lampe daher schädlich sei – da nutzte alles gute Zureden nichts mehr, es war und blieb einfach eine UV-Lampe.
    .
    Bezüglich den auszustellenden und zu beleuchtenden Bildern wird es wohl auch unabhängig der Beleuchtungsart so sein, dass diese sowieso in gewissen Abständen eine Renovierung oder Auffrischung benötigen (wie von Wolfgang ja auch erwähnt mit ‚ganz dunkel wär’s am besten…).
    Ob dieser ‚Service‘ nun 1-2 Jahre früher oder später gemacht werden muss, ist irgendwie dann wieder dasselbe, ob ich mein Haus außen alle 10 oder 15 Jahre neu streiche.

  7. Kommentar eines „MagLED“ wegen erfundener, ungültiger E-Mail-Adresse, unnötigem externen Link und unsinnigem Inhalt gelöscht. Der Blog-Chef.

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