Osram-Idee: Dynamische LEDs als Tageslicht-Ergänzung

Die bereits tot geglaubte „Rot/Grün/Blau“(RGB)-Mischung bei der LED-„Allgemeinbeleuchtung“ scheint nicht nur bei Cree und Philips eine Renaissance zu erfahren: Osram arbeitet an einer Umsetzung dieses Prinzips als Werkzeug für ein dynamisches, an der Natur orientiertes Licht am Arbeitsplatz.

Großraumbüro
So sieht es in vielen Großraumbüros aus: Kalt-weiße Leuchtstoffröhren sorgen Tag und Nacht für eine gleichbleibend ungemütliche, aber vermeintlich leistungsfördernde Lichtstimmung. Osram will, dass das nicht so bleibt. (Foto: Larsinio@Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Flexible Lichtsteuerung mit RGB-LED-Leuchtmitteln scheint „the next big thing“ zu sein – beispielsweise schon von Philips mit „LivingColors“ und „hue“ umgesetzt und vom US-Marktführer Cree mit neuen Multicolor-LED-Modulen befeuert. Auch die bisherige Siemens-Konzerntochter Osram, die 2013 selbstständig werden soll, bietet flexibles „Deko-Licht“ im Consumer-Bereich an. Für die Profis gibt’s aufwendigere LED-Lösungen mit verschiedenen Farben oder Weißtönen, die mit Lichtmanagement-Systemen gesteuert werden können. Sowohl für Privathaushalte als auch für Gewerbekunden ist das von Osram mitentwickelte „Ledotron“-System gedacht, bei dem Lampen und Leuchten mit Digitalsignalen über die Stromleitung angesprochen werden.

Einen Schritt weiter geht aber eine neue Idee unter dem Motto „Osram bringt die Sonne ins Büro“: Künstlich erzeugtes Licht, das nicht nach „Kunstlicht“ aussieht, sondern automatisch der wechselnden Farbtemperatur und dem Spektrum des Tageslichts folgt. Je nach Sonnenstand ändert sich nämlich dessen Energieverteilung über die sichtbaren Wellenlängen: Während bei Sonnenauf- und -untergang die Rot-Anteile dominieren, sind es tagsüber eher die weiß-blauen Töne. Im Lauf eines Jahres ändern sich zudem Einfallswinkel und Dauer der Sonneneinstrahlung.

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Tageslicht nach innen holen

Diese wechselnden Lichtverhältnisse haben einen direkten Einfluss auf unsere biologische Uhr und steuern den Schlaf-/Wach-Rhythmus. Der Effekt ist jedoch nur an wenigen Arbeitsplätzen spürbar, weil das Tageslicht selten als alleinige Beleuchtung ausreicht und stattdessen statisches Kunstlicht eingesetzt werden muss. Das hat aber leider wenig mit dem natürlichen Licht zu tun und beeinträchtigt messbar Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Dr. Lori Brock, Abteilungsleiterin im Osram-Forschungszentrum in Massachusetts/USA, erklärt im Umkehrschluss:

„Die positiven Auswirkungen von Tageslicht auf Gesundheit und Arbeitsproduktivität sind durch viele Studien belegt.“

Ideal wäre also eine Umsetzung der Lichtverhältnisse außen auf die künstliche Beleuchtung innen. Das soll künftig mit einer intelligenten Steuerung erreicht werden, die nicht nur – wie bisherige Regelungen – höchstens die Helligkeit verändert. Osram arbeitet nach eigenen Angaben an einem System, bei dem – abhängig von Tages- und Jahreszeit, Position im Gebäude und aktuellem Wetter – sowohl die Helligkeit als auch die Lichtfarbe berechnet würden, mit der LED-Beleuchtung das natürlich einstrahlende Licht am Arbeitsplatz perfekt ergänzen könne. Für die Außenmessungen gebe es verschiedene Sensorvarianten; beispielsweise ein Bildverarbeitungssystem, bei dem eine Kamera mit 360-Grad-Rundumblick auf dem Dach des Bürogebäudes ständig den Himmel beobachte.

Osram-Skycam
Der mittels „Skycam“ beobachtete Verlauf der Tageslichtfarben könnte etwa so aussehen wie in diesem Diagramm. Kurzfristige „Ausreißer“ nach oben oder unten würden von für die Berechnung des komplementären Kunstlichts „geglättet“. (Foto/Grafik: Osram-PR)

Aus den „Skycam“-Bildern könnten die Lichtverhältnisse für alle Fenster des Gebäudes berechnet werden; einzelne Sensoren für jedes Fenster seien unnötig. Schnell wechselnde Außenlichtverhältnisse würden nicht abrupt umgesetzt, sondern über die kommende Viertelstunde nach mathematischen Modellen antizipiert und sanft angepasst. Das dafür benötigte Komplementär-Kunstlicht könne dann zum Beispiel mit einzeln angesteuerten roten, grünen und blauen LED-Chips erzeugt werden.

Möglichst automatisiertes System

Die grundsätzliche Funktion der neuen Steuerung sei bereits nachgewiesen. Jetzt konzentriere sich die Arbeit der Osram-Forscher auf die Entwicklung einer nutzerfreundlichen Bedienung. Dr. Lori Brock sieht einen hohen Automatisierungsgrad als wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz:

„Im besten Fall werden die Menschen das System gar nicht bemerken und daher auch nicht als störend empfinden.

Diese unterschwellige Beeinflussung des Befindens am Arbeitsplatz via Licht wirft natürlich einige Fragen auf. Kein Unternehmer dürfte beispielsweise ein Interesse daran haben, dass seine Mitarbeiter jetzt im Herbst und Winter schon kurz nach 16 Uhr proportional zur untergehenden Sonne müde werden, wenn die Arbeitszeit noch lange nicht zu Ende ist – oder sogar mitten am Tag bei Regenwetter. Nacht- und Frühschichten können sich natürlich ebenso wenig am natürlichen Licht orientieren – es ist ja meistens während oder zu Beginn der Arbeit stockdunkel draußen.

Die Versuchung ist deshalb groß, mit der LED-Simulation eines helllichten Tages auch Nachtarbeiter zu mehr Konzentration und Leistung zu verhelfen. Spätestens hier wird’s physiologisch fragwürdig, weil das der „Biokurve“ mit einem tiefen Tal zwischen 2 und 4 Uhr morgens völlig zuwiderläuft und die innere Uhr durcheinander bringt. Als vieljähriger Radio-Nachtmoderator weiß ich, wovon ich rede.

Totale Abkopplung vom Tag-/Nacht-Rhythmus

Bei negativen Beispielen für eine gewollte 24-Stunden-Abkopplung der künstlichen Beleuchtung von den Außenwelt-Lichtverhältnissen denke ich spontan an die Casinos in Las Vegas und anderswo, die ihre Kundschaft möglichst lange an die Geräte und Spieltische fesseln und sie nicht spüren lassen wollen, wie in der „wirklichen Welt“ die Zeit vergeht. Ähnliches gilt für Kaufhäuser und „Shopping Malls“. Auch hier soll die Beleuchtung rund um die Uhr möglichst statisch sein; das Interesse an einer dynamischen Lichtsteuerung dürfte sich deshalb in sehr engen Grenzen halten.

Wo und wie würden Sie einen idealen Einsatzbereich für die Osram-Idee mit der „Skycam“ und der RGB-LED-Beleuchtung sehen? Schreiben Sie’s mir bitte per E-Mail oder unten ins Kommentarfeld!

Update 17.12.: Auch die NASA plant jetzt den testweisen Einsatz von mehrfarbigen LEDs. Sie sollen in der Internationalen Raumstation ISS mit flexibler Steuerung einen Tag-Nacht-Rhythmus simulieren.

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