Birnen-Bullshit-Bingo

Es hat nicht nur Vorteile, wenn Sie sich in einem bestimmten Fachgebiet ein wenig Wissen angeeignet haben. Sie können sich dann nämlich häufig über Veröffentlichungen diverser Massenmedien aus diesem Bereich nur noch wahlweise schwarz ärgern oder totlachen (fragen Sie mal die Kollegen vom „Medien-Doktor“-Blog, denen geht’s vermutlich jeden Tag so). Die Fehlerquote vor allem abseits der klassischen Journalistik-Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport oder „Buntes“ erreicht zum Teil erschreckende Höhen – etwa, wenn es um den sehr langsamen Abschied von der herkömmlichen Glühlampe und die Beschreibung ihrer Nachfolger geht.

60W-Gluehlampe
Eine rundstrahlende „Allgebrauchs-Glühlampe“ – auch „Glühbirne“ genannt. Sie muss – entgegen anders lautender Behauptungen – noch nicht auf die rote Liste der bedrohten Arten.  (Foto: W. Messer)

Mein Anrennen via Blog gegen das Bullshit-Bingo der Medien bei der Berichterstattung über die eher suboptimale EG-Verordnung 244/2009 und ihre Folgen dauert nun schon über drei Jahre und kommt einer Sisyphusarbeit gleich. Es ändert sich nämlich nichts: In jedem Spätsommer wird der gleiche Unsinn über „Glühbirnen-Verkaufsverbote“ in der EU erzählt und dass – mit jährlich angepassten Zahlen – die 100-, 75-, 60-, 40- und 25-Watt-Glühlampen nun endgültig aus den Regalen verschwänden. Kein Wort davon ist wahr.

Nun kann natürlich ein Redakteur –  auch ein Fachredakteur – nicht über jeden Bereich, jeden Aspekt und jedes „Orchideenthema“ der weiten Welt Bescheid wissen. Es schadet aber nichts, sich vor der Veröffentlichung eines Beitrags ausführlich genug zu informieren, um nicht komplette Falschinformationen über ein ziemlich kompliziertes Thema zu verbreiten. Das sollte man vor allem von Mitarbeitern renommierter Sender, Internet-Portale, Zeitschriften und Zeitungen erwarten können.

Das ARD-Morgenmagazin (Link zur Mediathek) verkündete zum Beispiel diese Woche mit unterschwelliger Trauer, dass ab Samstag die 40- und 25-Watt-„Glühbirnen“ in der EU nicht mehr verkauft werden dürften. In Wahrheit gibt es aber nur ein Herstellungs- und Vertriebsverbot – und das gilt höchstens für einen Teil der ineffizienten Stromfresser. Das Verkaufen bleibt weiterhin unbegrenzt erlaubt. Tagesschau.de griff das etwas differenzierter, aber nicht viel korrekter auf:

Tagesschau-Birne 1 neu

Nein, es wird nicht schwierig, „Glühbirnen“ nachzukaufen. Selbst ein Jahr nach dem vermeintlichen Aus für die klaren 60-Watt-Glühlampen gibt es derzeit offensichtlich noch keine Nachschubprobleme. Selbst die seit September 2009 aus der Vertriebskette verbannten 100W-„Birnen“ sind noch zu haben. Zwar darf ein Hersteller solche Lampen nicht mehr an Großhändler und diese wiederum nicht an Einzelhändler ausliefern. Das Zentrallager etwa einer Baumarkt- oder Discounterkette dürfte aber weiterhin seine einzelnen Märkte mit den „verbotenen“ Lampen beliefern – bleibt ja im eigenen Unternehmen und ist somit kein Vertrieb im Sinn der EU-Regelung.

Das erfundene „Verkaufsverbot“ sorgte nicht nur bei Tagesschau.de für Theater. Beispiele gefällig? Bitte:

Focus-Birne
(Focus.de)

Bild-Birne
(Bild.de)

Augsburger-Birne
(Augsburger Allgemeine)

Wiener Zeitung-Birne
(Wiener Zeitung)

Die Reihe ließe sich fast beliebig fortsetzen – ich will Sie aber nicht langweilen.

Vollends abenteuerlich wird die Berichterstattung, wenn es um die möglichen Alternativen zur Glühlampe geht. Fast durchweg wird der Begriff „Energiesparlampe“ mit „Kompaktleuchtstofflampe“ gleichgesetzt (Sie wissen schon: Die Dinger, die wegen ihres Quecksilbergehalts für Schlagzeilen, unausgegorene TV-Dokus und Panikattacken gesorgt haben). Nun darf sich aber nicht jede Leuchtstofflampe „Energiesparlampe“ nennen und eine Energiesparlampe ist nicht zwingend auch eine Leuchtstofflampe.

Da kommt’s nämlich laut EU-Regelung ausschließlich auf die Energieeffizienz (Lumen pro Watt) an. Hier schneiden die LED-Lampen im Vergleich aller Leuchtmitteltypen besonders gut ab, fallen tatsächlich in die beste Effizienzklasse A und dürfen sich deshalb durchweg „Energiesparlampen“ nennen. Womit wir bei den nächsten Märchen von tagesschau.de wären:

Tagesschau-Birne 2
Osram-LED-Kerze B25
Das ist schon die überarbeitete Textversion vom Nachmittag. In der ersten am Vormittag stand dort noch, dass „die meisten LED-Lampen 40 Euro und mehr“ kosten. Aktuell ist das Preisniveau aber deutlich niedriger. Gute Markenlampen gibt’s schon für knapp unter 10 Euro, selbst die „Testsieger der Markenhersteller“ sind für unter 20 Euro zu bekommen (im PR-Bild rechts die Gewinner-„Kerze“ des neuesten LED-Vergleichs von „Stiftung Warentest“, die Osram-„LED Superstar Classic B25“), und der Großteil der insgesamt angebotenen LED-„Retrofits“ kostet deutlich weniger als 30 Euro – Tendenz stark fallend. Extrem leistungsstarke oder mit besonderen Merkmalen ausgestattete LED-Lampen können natürlich durchaus um oder über 40 Euro kosten. Aber wer käme analog auf die Idee, das Preisniveau der Ferrari-Modellpalette als Maßstab für den gesamten Automarkt zu nehmen?

Unsinnig ist auch die vorgebliche „Lebensdauer bis zu 25.000 Stunden“. Der Nicht-Fachmann könnte glauben, dass LED-Lampen höchstens 25.000 Stunden leuchten, bis sie den Geist aufgeben. Tatsächlich müssen die Hersteller nach intensiven Tests und entsprechenden EU-Vorgaben eine Mindestleuchtdauer angeben, bis zu der die Lampen noch 70 Prozent ihrer ursprünglichen Helligkeit (Lichtstrom in Lumen) haben. Danach können sie aber durchaus noch viele weitere tausend Stunden leuchten.

Solche und ähnliche Falschmeldungen sind ein gefundenes Fressen für alle hartnäckigen Glühlampen-Fans und Verschwörungstheoretiker, die sich in den Kommentarspalten und Foren als machtlose Opfer der „EU-Regelungswut“ darstellen (und dabei vergessen, dass es solche Regelungen auch außerhalb der EU gibt). Sie verunsichern aber auch viele unvoreingenommene Verbraucher, die sich laut einer aktuellen „forsa“-Umfrage teils informierter fühlen, als sie tatsächlich sind. Satte 37 Prozent wissen zum Beispiel noch nicht, dass es schon seit Jahren LED-Lampen mit traditionellen E27- und E14-Schraubsockeln für den problemlosen Ersatz von Glüh-”Birnen” und -”Kerzen” gibt.

Und was bietet uns Welt-Online zum Auffüllen dieser Wissenslücken an?

Welt-Birne

„Bis zu 50.000 Stunden“ kommt der Wahrheit zwar schon näher, ist jedoch trotzdem nicht korrekt, wie Sie inzwischen wissen. Der dickste Klops sitzt aber im Satz davor: Hochleistungs-LEDs wandeln nämlich immer noch 70 bis 75 Prozent der eingesetzten Energie (die schönen, teuren Watt) in Wärme um und nicht in Licht. Leute von „Welt“, das war ein „Kalter“. Und das müsst Ihr Euch von einem LED-Fan und Ökostrom-Bezieher erklären lassen, dem die umgekehrte Relation viel besser gefallen würde – wenn sie denn wahr wäre.

P. S.: Dass es durchaus möglich ist, das komplexe Thema in der reduzierten Form eines kurzen TV-Beitrags korrekt aufzubereiten, bewies die Abendschau/Rundschau-Redaktion des Bayerischen Rundfunks am Freitag (Link zur Mediathek). Die für den Verbraucher wichtigsten Infos sind drin und auch noch fehlerlos. Gut gemacht, Eva-Maria Herbert!