Das Fußball-„Live“-R-lebnis (Update 30.6.)

Große Aufregung gab’s noch bis zum Sonntag in zahlreichen Medien über einen Videoschnipsel während der Live-Übertragung des EM-Fußballspiels Deutschland-Niederlande am vergangenen Mittwoch. Die vom europäischen Fußballverband UEFA beauftragten Produzenten des TV-„Weltbildes“ hatten eine Szene eingespielt, in der Bundestrainer Joachim Löw einem jungen Helfer scherzhaft den Ball aus der Armbeuge boxte.

Löw-Balljunge ZDF

Die Zuschauer mussten anhand der Einblendung oben links glauben, dass diese lässige Aktion in der 22. Minute des Spiels geschah – erstaunlich angesichts der Anspannung in dieser Phase des Spiels. Später wurde allerdings bekannt, dass die Szene etwa 20 Minuten vor der Partie aufgezeichnet und ohne weitere Kennzeichnung in die Live-Übertragung „geschnitten“ worden war.

Auch das ZDF fand das als übertragende Anstalt kritikwürdig. Die UEFA redete sich damit heraus, dass sie – als Auftraggeber der Produktionsfirma! – das aktuell nicht kontrollieren und steuern könne. Ganz was Neues, dass derjenige, der zahlt, keinen Einfluss auf das Produkt ausgeübt haben will. In Wirklichkeit beschränkt die UEFA nämlich das „Weltbild“-Angebot sehr konsequent.

Nun sind ja „nonlineare“ Videoschnittsysteme an sich was Wundervolles. Während einer Übertragung oder Aufzeichnung können „Locator“ (Markierungs)- oder „Cue“ (Schnitt)-Punkte gesetzt, später bei Bedarf in Windeseile angesteuert werden, um dann gewünschte Sequenzen beliebig lang und oft zu wiederholen. Langweilige Phasen einer Live-Sendung können so etwas aufgelockert oder -gefüttert, spannende Szenen und Torschüsse sofort aus verschiedenen Winkeln wiederholt werden.

Auch in anderen Sportarten ist so was üblich, aber mit einem kleinen Unterschied – wie zum Beispiel am Wochenende bei der „Eurosport“-Übertragung vom 24-Stunden-Rennen in Le Mans zu sehen war. Eine schwere Kollision von zwei Rennwagen und deren Entstehung wurde mehrfach wiederholt und mit der deutlichen Einblendung „Replay“ versehen:

Le Mans Unfall

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, eine Wiederholungs-Sequenz so zu „labeln“, dass sie auch für weniger aufmerksame und fachkundige TV-Zuschauer als „nicht live“ erkennbar ist. Ist das beim Fußball etwa unmöglich? Doch, natürlich geht es. Schauen wir mal kurz ins WM-Finale 1974, als ebenfalls Deutschland gegen die Niederlande spielte (und auch gewann, aber das ist ja ohnehin klar):

D-NED 1974

Ein großes „R“ für Replay – so riesig muss es natürlich bei den heute üblichen großen Flachbildschirmen nicht sein, aber so ein kleines Zeichen in der Ecke wäre doch nett und kein großer Aufwand, oder? Wobei für vermeintliche „Live“-Szenen, die – wie der Balljungen-Spaß mit Löw – in Wirklichkeit bereits lange vor dem Spiel stattgefunden haben, wohl eher ein „A“ für „Archiv“ angebracht wäre.

P. S.: Die UEFA glaubt inzwischen, eine bessere Lösung gefunden zu haben. Sie will künftig – so berichtete es heute Abend das Medienmagazin DWDL.de – keine „irritierenden Einspielungen“ mehr während der Live-Übertragungen zeigen.

Update 30.6.: Es waren leere Versprechungen der UEFA – sie haben’s beim Halbfinalspiel Deutschland-Italien schon wieder getan.