Deutsche Solarindustrie: Abbau mit Ansage

Fast keine Woche ohne Hiobsbotschaften von Solarzellenproduzenten in Deutschland: Q-Cells, Solar Millennium, Solarhybrid, Solon und Odersun sind insolvent, Phoenix Solar fliegt aus dem TecDax und mutiert zum Penny-Stock, SolarWorld erreicht mit unter 1,70 Euro sein Aktienkurs-Allzeittief, First Solar schließt im Herbst seine beiden Werk in Frankfurt/Oder, setzt 1200 Mitarbeiter auf die Straße, will nur noch ein 25köpfiges Service-Team in Mainz beschäftigen – jedes Mal gehen zahlreiche Arbeitsplätze, die Hoffnungen auf eine prosperierende Wirtschaft in zumeist strukturschwachen Gebieten und Millionensubventionen verloren.

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Ein neues 7-Megawatt/Peak-Solarkraftwerk am Rhein beim badischen Iffezheim – geplant und gebaut von der „Tauber-Solar System GmbH“ und „Würth Solar“. Raten Sie mal, in welchem Land die Solarmodule produziert wurden – die Auflösung gibt’s weiter unten. (Fotos: W. Messer)

Ist die Ursache für dieses multiple Versagen der deutschen Solarindustrie wirklich nur in der stetig gekürzten staatlichen Förderung für Solaranlagen und die Einspeisung von Solarstrom zu suchen, wie es zum Beispiel dieser Tweet nahelegt – einer von vielen mit ähnlicher Stoßrichtung?

 

Der vergiftete „Dank“ trifft nicht den Kern des Problems. Gerade im komplexen Fall First Solar kann man der öffentlichen Hand kein mangelndes Engagement vorwerfen; im Gegenteil: Das Land Brandenburg subventionierte während der anfänglichen Solar-Euphorie in Deutschland die beiden Produktionsstätten mit insgesamt 67 Millionen Euro. Davon kann der US-Konzern voraussichtlich trotz der geplanten Werksschließungen 45 Millionen völlig legal behalten, obwohl ein großer Teil der Probleme hausgemacht war – etwa durch diverse Managementfehler und die Produktion schwacher Module, die vorzeitig ihre Leistung verloren.

Ähnliche Mängel hatte zwar anfangs auch teilweise die erheblich billigere Konkurrenz aus China. Inzwischen haben die Fernost-Solarzellen (etwa vonYingli Solar) aber enorm aufgeholt, quantitativ und qualitativ. Abzusehen war diese Entwicklung schon vor mindestens zwei Jahren, als etwa der Aktienkurs des deutschen Vorzeigeunternehmens SolarWorld wegen des Preisdrucks am Markt von ursprünglich 48 (2007) auf magere 8 Euro abgestürzt war.

Langfristige Subventionen sind kontraproduktiv

Die staatliche Milliarden-Förderung von privaten und gewerblichen Solarstromanlagen über das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ (EEG) erwies sich schon lange als problematisch. Bereits im März 2010 berichtete der „Spiegel“ über die „Solar-Absahner“, die der Ökobranche schadeten. Seither stieg die Solarzellenfläche in Deutschland unerwartet schnell und stetig weiter, obwohl die Subventionen immer wieder gekürzt wurden.

Die Gewinnspanne für Ökostrom-Erzeuger blieb trotzdem hoch, weil die Modulpreise in ungeahnte Tiefen fielen. Die EEG-Förderung macht schließlich keinen Unterschied zwischen Strom aus teuren Solarzellen deutscher Produktion und dem von billigen Modulen aus chinesischen Fabriken. Ein großer Teil des deutschen Geldes dürfte somit indirekt nach China geflossen sein, während die deutschen Produzenten in den Mond guckten.

Das ist eben die Krux mit solchen Subventionen – vor allem, wenn sie über eine Startphase hinaus zu lange gewährt werden: Sie halten häufig Wirtschaftszweige und Produktionsstandorte am Leben, die sonst im rauen Wind des globalen Marktes nicht bestehen würden, sie können eigentlich notwendige Anpassungen verhindern oder verzögern, Manager „bequem“ machen, Kosten und Preise künstlich erhöhen und letztendlich komplett kontraproduktiv sein, weil das Geld in den falschen Händen landet.

Die Solar-„Subventionsnomaden“

Solche Erfahrungen hat man zum Beispiel bei der Nokia-Handy-Produktion in Bochum gemacht, wo das finnische Unternehmen eine hochsubventionierte Fabrik dicht machte, die Fertigung nach Rumänien verlagerte, dort wieder Unterstützungen kassierte und nach kurzer Zeit erneut die Reißleine zog. Analog zu den berüchtigten „Mietnomaden“ kann man hier wohl von „Subventionsnomaden“ reden; nichts anderes praktiziert gerade First Solar in Brandenburg und übrigens auch in Malaysia, wo mindestens vier Produktionslinien geschlossen werden: „Danke für die Geschenke, aber wir müssen jetzt wieder gehen.“

Auch China subventionierte seine Solarindustrie von Anfang an, aber anders. Dort erhalten die Unternehmen direkt billige bzw. kostenlose Grundstücke und zinsgünstige Kredite, deren Rückzahlung eher theoretisch stattfindet. Diese weitgehend verdeckten Hilfen kommen also zwingend nur dem chinesischen Markt zugute und sorgen zusammen mit den billigen Arbeitskräften für konkurrenzlos günstige Produktionskosten.

Kein chinesischer Solar-Manager würde auf die Idee kommen, seine Fertigung komplett ins Ausland zu verlagern, kein chinesisches Solarkraftwerk entsteht nur mit Modulen aus Deutschland oder den USA. Inzwischen gilt das übrigens auch für viele deutsche Solaranlagen. Peinlicherweise gibt es sogar hiesige Großanlagenbauer, die einerseits heftig gegen die Senkung der Einspeisevergütung (als EEG-Aufschlag bezahlt von deutschen Stromverbrauchern) protestieren, andererseits aber ohne schlechtes Gewissen ihre Solarzellen ausschließlich in China kaufen.

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Insgesamt 28.710 polykristalline Silizium-Module des chinesischen Konzerns „Trina Solar“ liefern seit Ende 2011 den Strom im 12,5 Hektar großen Solarkraftwerk bei Iffezheim.

Vor Kurzem hat China immerhin etwas ähnliches wie unser EEG eingeführt. 2009 starteten mehrstufige Sondervergütungen für Strom aus Windkraft, die den Normalpreis um mindestens ein sattes Drittel erhöhen. Stromerzeugung aus Sonnenenergie wird allerdings erst seit August 2011 extra belohnt; mit umgerechnet rund 12 Eurocent pro Kilowattstunde, was etwa 45 Prozent über dem Preis für konventionell erzeugten Strom liegt. Bis dahin hatten die wenigen chinesischen Solarkraftwerksbetreiber erhebliche Rentabilitätsprobleme, weil sie völlig ohne Subventionen auskommen mussten.

Folgerichtig wurden dort zum Beispiel im Jahr 2010 neue Solaranlagen mit insgesamt weniger als einem Gigawatt Nennleistung installiert, während im gleichen Zeitraum Solarmodule für über zehn Gigawatt die Fabrikhallen verließen. Dieses Verhältnis war politisch und planwirtschaftlich gewollt, denn so konnten 90 Prozent der Inlandsproduktion auf dem Weltmarkt landen und dort die Position der chinesischen Exporteure ausbauen. Der den Chinesen historisch nachgesagte Expansionsdrang ist kein Vorurteil, sondern zumindest in der globalen Wirtschaft eine gelebte Tatsache.

„Mutti“ kann nichts dafür

Kein europäisches, regelgerechtes Subventionssystem wäre in der Lage, so konsequent und nachhaltig einheimische Unternehmen zu stützen und Produktionsstandorte zu erhalten, wie es in China möglich ist. Unsere Textil- und Elektronikindustrie hat das schon vor Jahrzehnten erfahren müssen.

Für deutsche Firmen bleiben allenfalls Nischen oder sehr spezielle Branchen, die sich für die Chinesen nicht lohnen. Und falls dann doch mal ein deutscher Spezialanbieter störend oder betörend genug erscheint, wird er eben gekauft – wie gerade der Aichtaler Betonpumpenhersteller Putzmeister.

Weder unsere Bundeskanzlerin noch unser Bundeswirtschaftsminister können prinzipiell und aktuell haftbar gemacht werden, wenn deutsche Solararbeitsplätze verloren gehen. Beide haben nicht die Mittel, Managementfehler von deutschen Unternehmen oder eines US-Konzerns wie First Solar zu korrigieren, die aggressive Preispolitik der Fernost-Produzenten zu konterkarieren oder gar deutsche Solarpark-Erbauer am Kauf chinesischer Module zu hindern.

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, müssen wir uns wohl in Deutschland mittelfristig komplett von der Massenfertigung von Solarmodulen verabschieden. Höhere Einspeisevergütungen für Solarstrom könnten das nicht verhindern – im Gegenteil: Sie waren wohl zu einem guten Teil mit schuld an dieser Entwicklung.