Eine kurze Geschichte vom Kopieren und Kapieren

Häufig wird derzeit wieder von der „Zukunft des Urheberrechts im Internet-Zeitalter“ gesprochen. Dabei geht es eigentlich nicht um das Urheberrecht oder das Internet an sich, sondern um die Kopier- und Verfügbarkeit von Daten und wie man mit den technischen Möglichkeiten vernünftig umgeht; ein Thema, das die Unterhaltungsindustrie schon seit über einem halben Jahrhundert weitgehend verschlafen hat.

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Das erste digitale Massenmedium: Vor 30 Jahren begann die Serienproduktion von Audio-CDs. (Foto: Wikimedia Commons, Public Domain)

Es war nur eine homöopathische Mini-Markteinführung damals, im Jahr 1982: Im August startete die erste Serienfertigung einer LPCM-kodierten, digitalen Musik-CD, im Oktober die des ersten CD-Players. Noch bei der offiziellen „europaweiten Einführung“ der „Compact-Disc“ am 1. März 1983 gab es insgesamt nur etwa 250 Musik-CD-Titel und im deutschen Einzelhandel gerade mal knapp 1000 Abspielgeräte – verteilt auf rund ein halbes Dutzend Modelle der CD-Erfinder Philips und Sony sowie von Hitachi. Von „Massenmarkt“ noch keine Spur; die digitalen Tonträger waren eine Sache für finanzkräftige Audiophile, denen rund 1.800 D-Mark für einen CD-Player nicht zuviel waren.

Die damals im „Deutschen High-Fidelity-Institut“ (DHFI) organisierten Hersteller von Unterhaltungselektronik versprachen sich 1983 von der CD dennoch eine „Revolutionierung des Musikmarkts“. Bis 1993 sollte die neue Technologie die schwarzen Vinyl-Schallplatten und herkömmliche Plattenspieler verdrängt haben. Tatsächlich wurden bereits 1991 in Deutschland fast fünf mal so viele CD-Alben wie Langspielplatten verkauft. Die wahre Revolution war aber eine andere und ihre Wurzeln reichen noch viel weiter zurück.

Das Digitalzeitalter ist älter als wir

Schon 1926, als viele noch das Federspannwerk ihrer Schelllackplatten-bestückten Grammophone ankurbelten, wurde in den USA das erste Patent für eine „PCM-Verschlüsselung“ erteilt. Die „Puls-Code-Modulation“ erlaubte das digitale Kodieren eines analogen Signals, das anschließend ohne Qualitätsverlust kopiert werden konnte. Analoge Datenkopien degenieren dagegen mit jeder Kopiergeneration. Die digitale Technik wurde in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelt, bis 1962 in den USA das erste PCM-Übertragungssystem in Betrieb ging und japanische Unternehmen bereits serienfertige Analog/Digital-Konverter auf PCM-Basis entwickelt hatten.

Vor 50 Jahren gab es also bereits die technischen – wenn auch eher theoretischen – Voraussetzungen für das, was heute vielfach als „Raubkopie“ bezeichnet wird: Das von der Existenz eines physischen Datenträgers unabhängige, digitale Duplizieren von Schallereignissen, die vom Empfänger wieder in ein hörbares, analoges Signal zurück verwandelt werden können. Alles, was seither an neuen Entwicklungen dazu kam, stellte eigentlich nur eine quantitative, aber keine grundlegende qualitative Revolution dar. Visionäre konnten schon nach Erfindung der „Laserdisc“ 1958 oder bei der Vorstellung der „Videodisc“ 1972 ahnen, dass der Musik- und Filmmarkt der Zukunft nicht auf den tradierten Geschäftsmodellen der Vergangenheit beruhen konnte.

Sterbehilfen ohne Todesfolge

Weitere Zwischenschritte auf dem Weg in die Demokratisierung des Digitalen waren die „CD-Rekorder“ (erste Prototypen 1988, Consumer-Modelle ab 1995), mit denen jeder Besitzer aus speziellen Rohlingen und einer Original-CD selbst Audio- oder Daten-CDs herstellen konnte, die Verbreitung des Internets bzw. „World Wide Web“ und die stetig fallenden Preise für Festplatten-Speicherplatz. Noch bis in die 1990er-Jahre schien der Musikindustrie allerdings die analoge Kopie der größte Feind zu sein – vor allem durch den seit Ende der 1960er-Jahre andauernden Siegeszug der Compact Cassette“. So genannte „Leercassetten“ dienten Musikkonsumenten weltweit als Standardmedium für fast kostenlose Kopien von Songs aus dem Radio oder von Schallplatten bzw. später von CDs.

Wie beim heutigen Internet-„Filesharing“ konnte das Ursprungsprodukt dupliziert werden, ohne es zu beschädigen oder gar zu entwenden. Schon damals kursierten kopierte Cassetten in ungenehmigten, kommerziell verwerteten Massenauflagen („Bootlegs“). Allerdings litten diese Analogkopien unter teils heftigen Qualitätseinbußen; die Ersparnis gegenüber dem Erwerb des Originalprodukts musste mit mehr oder weniger lautem Rauschen und starken Einschränkungen von Frequenzgang und Dynamik bezahlt werden. Vermutlich war das auch einer der Gründe, warum die „Compact Cassette“ – allen Befürchtungen zum Trotz – nicht zum Tod der Plattenindustrie führte.

Der hätte eigentlich schon durch eine Ende der 1980er eingeführte neue Sterbehilfe eintreten müssen: Das „Digital Audio Tape“, kurz DAT, ermöglichte nicht nur die digitale Aufnahme von analogen Quellen, sondern auch die direkte und verlustfreie Aufzeichnung von digital codiertem Audio unter Umgehung eines Digital/Analog-Konverters. Das mit 44,1 kHz abgetastete PCM-Signal einer CD landete genau so auf einem Magnetband und konnte problemlos als „Master“ für eine unbegrenzte Anzahl weiterer Kopien verwendet werden. Die meisten Modelle verhinderten allerdings auf Wunsch der Musikindustrie durch eine Schutz-Software (SCMS) eine direkte Digitalkopie von einem DAT-Recorder zu einem anderen.

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War mal eine unschlagbare Kombination für’s digitale Kopieren von Musik: CD-Player (oben) und DAT-Recorder (unten). Foto: W. Messer

Die anfängliche Euphorie der Geräteindustrie verwandelte sich schnell in Ernüchterung: Der „normale“ Konsument sparte sich die ziemlich happige vierstellige Investition – inzwischen wohl entnervt vom ständigen Wechsel und Wandel der Technologien und Normen sowie von den lästigen, meist unausgegorenen Kopierschutzmaßnahmen. Das gleiche Schicksal ereilte einige Jahre später auch die digitalen, datenkomprimierten „Mini-Discs“ (MD, ab 1991) und „Digital Compact Cassetten“ (ab 1992). DAT und MD überlebten jeweils eine Zeitlang immerhin als Quasi-Standard-Datenträger im Tonstudio- und Rundfunkbereich, wurden aber vom Massenmarkt ignoriert.

Plattenindustrie und Verwertungsgesellschaften schienen noch mal davon gekommen zu sein, hatten jedoch bis dahin die zahlreichen technologischen Warnschüsse nur als Anlass für Kassandrarufe genommen und nicht für eine umfassende Reform ihrer Geschäftsmodelle genutzt, obwohl sie akut zu scheitern drohten. Schließlich handelten sie hauptsächlich mit Daten und Lizenzen, die sich zunehmend von gegenständlichen Datenträgern abkoppelten und immer massenhafter und unbeschränkter verfügbar waren.

Die Zauberformeln „MP3“, „DSL“ und „Flatrate“

Das Internet schien per se noch nicht mal die größte Gefahr für die Geschäftsmodelle zu sein; jedenfalls nicht, so lange noch Anschlüsse mit maximalen Datenraten von 128 Kilobit pro Sekunde (zwei ISDN-B-Kanäle) als Luxus galten, die Provider ausschließlich begrenzte Zeit- oder Datenvolumentarife anboten und weltweit nur rund drei Millionen Computer Internetanschluss hatten (1994). Aber da begann sich schon das Zeitfenster zu schließen, in dem man die Entwicklung noch nachhaltig hätte beeinflussen können.

Das in Deutschland entwickelte MP3-Format zur Datenkomprimierung von Audiodateien war Mitte der 1990er schon in vielen PCs im Einsatz, um auch mit schmalbandigen Internetanschlüssen relativ zügig vor allem Musik austauschen zu können – meist unter Umgehung des Urheberrechts. Ein Blinder mit Krückstock hätte sehen können, dass die Einführung von schnellen DSL-Anschlüssen und Internet-„Flatrates“ diese Praxis der kostenlosen Mediennutzung in den darauf folgenden Jahren zum unkontrollierbaren Massenphänomen machen würde – letztendlich bis hin zu kompletten Kinofilmen.

Verpasste Chancen

Die Lösung wäre – lange vorher – das bekannte Motto „if you can’t beat them, join them“ gewesen. Statt eine Technologie oder geübte Praxis mit politischer Lobbyarbeit, seltsamen Einschränkungen (SCMS- und DRM-Kopierschutz, Regionalcodes etc.) und wenig wirksamen Reglementierungen zu bekämpfen, hätte die Medienproduktions- und Verwertungsindustrie versuchen müssen, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Wenn meine Kunden so gerne „downloaden“, dann sollen sie das auch tun dürfen – aber bitte bei mir, auf nutzerfreundlichen Plattformen mit fairen und einfachen Bezahlsystemen, bei denen die sinkenden Herstellungs- und Vertriebskosten als günstige Preise und großzügige Nutzungslizenzen an die Konsumenten weitergegeben werden.

Eine so von Anfang an umgarnte, nicht von vornherein kriminalisierte Kundschaft und ihre Kinder wären vermutlich seltener auf den Gedanken gekommen, „peer to peer“-Tauschbörsen oder dubiose Streaming- und Download-Webseiten für ihren Medienkonsum zu nutzen und sich damit eventuell strafbar zu machen. Viel zu spät entstanden legale Portale wie der Apple-„iTunes Music Store“ – keines der wirklich erfolgreichen wurde und wird von der Musik-, Filmindustrie oder gar von Verwertungsgesellschaften betrieben. Inzwischen – wo mal wieder eine heftige Diskussion über Urheber- und Nutzungsrechte im Digitalzeitalter tobt (die wievielte eigentlich in den letzten 30 Jahren?), ist das Kind nicht nur in den Brunnen gefallen, sondern schon längst eine Wachsleiche.

Kein (Urheber-, Nutzungs-, Lizenz-, Leistungsschutz-, Anti-Produktpiraterie-)Recht der Welt – und sei es auch noch so neu und genial konstruiert – wird die Zeit komplett zurück drehen können. Es wird allenfalls noch notdürftig ein paar Wunden verbinden und Brüche schienen, aber nichts mehr wirklich heilen. Möglicherweise richtet es stattdessen sogar neuen Schaden an. Viele Chancen vertan und wenig kapiert, schon lange.

18 Gedanken zu „Eine kurze Geschichte vom Kopieren und Kapieren

  1. Pingback: Volker König » Blog Archiv » Gedankenspiel zur “Content-Industrie” (Update)

  2. Das Problem ist für mich eigentlich kein Problem, das wurklich mit der Technik zu tun hat, sondern mit dem Denken der Menschen. Das ist seit einigen JAhrezehnten (ich behaupte mal ganz dreist: seit dem Zusammenbruch des Kommunismus als Gegensystem zum Kapitalismus) immer stärker auf Leistung, Geiz und Gewinnmaximierung gepolt. Es geht in unserer Gesellschaft darum möglichst viel zu haben und dafür möglichst wenig zu geben. Das gilt in allen Bereichen der Gesellschaft.
    Hier diskutieren wir das Urheberrecht. Der „Konsument“, also ich und du und du, nicht mehr bereit, dür ein Produkt zu bezahlen, das er gerne haben möchte. Also zieht er es sich umsonst aus dem Netz. Gleichzeitig sagt er: ja, wenn Du, werte Musikindustrie, mir vorher ein System angeboten hättest, mit dem ich wesentlich günstiger und mit viel weitreichenderen Rechten als zuvor (mir stellt sich dabei immer wieder die Frage, wieviel an Rechten ich eigentlich noch benötige, denn für mich darf ich CDs ja ohnehin beliebig kopieren), mir die Musik hätte herunterladen können, dann wäre ich jetzt nicht gezwungen, mir die Musik umsonst zu holen, den Kinofilm umsonst downzuloaden, etc.
    Mir scheint, das ist eine konsequente Usetzung dessen, was ich im allgemeinen als neoliberale FDP-Denke bezeichne. Wenn Du lieber Arbeiter nicht bereit bist, hier nur noch einen Hungerlohn für mich zu arbeiten, dann gehe ich halt nach Ungarn/Malaysia/China…
    Für mich geht es bei dieser Urheberrechts-/ Copyrightdebatte inzwischen auch ganz massiv darum: Wollen wir dieses Geiz ist geil und ich will alles fer umme eigentlich? Was ist uns die Arbeit anderer Menschen eigentlich wert? Wieviel Respekt bringen wir der Arbeit anderer Menschen gegenüber? Und für die allermeisten von uns dürfte sich in dem Zusammenhang dann auch die Frage stellen: Möchte ich für meine Arbeit auch angemessen bezahlt werden?
    Das sind die eigentlichen Diskussionspunkte. Nicht, ob Universal die Einführung von irgendeinem Shop zu Zeitpunkt X verpennt hat.

  3. @mat: Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass ich (selbst auch Urheber) der „Geiz ist geil“- oder „FDP-Denke“ relativ unverdächtig bin. Siehe hier oder dort.

    Und, nein, wir diskutieren hier erstmal nicht über das Urheberrecht im juristischen Sinn, wir diskutieren über das, was im wirklichen Leben an Nutzungsrechten und Lizenzen überhaupt noch praktikabel und durchsetzbar ist. Ich habe dabei auch dazugelernt und vertrete nicht unbedingt alle Positionen, die ich vor Jahren vertreten habe.

    Unter anderem möchte ich nicht alle Internet-Nutzer unter den Schmarotzer-Generalverdacht stellen, das bringt uns nicht weiter.

  4. @met „wenn Du, werte Musikindustrie, mir vorher ein System angeboten hättest, mit dem ich wesentlich günstiger und mit viel weitreichenderen Rechten als zuvor (mir stellt sich dabei immer wieder die Frage, wieviel an Rechten ich eigentlich noch benötige, denn für mich darf ich CDs ja ohnehin beliebig kopieren), mir die Musik hätte herunterladen können, dann wäre ich jetzt nicht gezwungen, mir die Musik umsonst zu holen, den Kinofilm umsonst downzuloaden, etc.“

    Leider stellt sich die Realität aber folgendermaßen dar, nämlich, dass das gewünschte Produkt auf legalem Wege gar nicht oder nur höchst kompliziert zu beschaffen ist:

    Legal: 1x pro Woche wird eine Folge einer inzwischen 3 Jahre alten 4. Staffel in (kritikwürdiger) deutscher Synchronsprache ausgestrahlt.
    (mit Glück kann ich – sobald die Geschäfte wieder öffnen – die 3. Staffel auf DVD kaufen.)

    Real: Ich streame mir wann und wo ich möchte die komplette aktuelle 8. Staffel in Originalsprache.

    Nicht möglich: Die 5.6.7.8. Staffel legal auf DVD, download etc. zu beziehen.
    => Was wird also der geneigte Anwender tun?

  5. @mat
    „möchte ich für meine Arbeit auch angemessen bezahlt werden?“

    ersetze „angemessen“ durch „fair“ – so wird ein Schuh draus. Wie willst du einem Kind erklären, dass ein Gehalt von 35mio im Jahr (Beyonce) „fair“ ist. Warum hat Apple’s MusicStore soviel Erfolg (2011 1,4 mrd Dollar Umsatz – ich weiß Umsatz ist nicht gleich Gewinn…)? Bestimmt nicht, wegen der Usability der iTunes-Software und des DRM desgleichen. Wenn mit illegalen Content wie Kinofilm-Streaming laut Branche ein milliarden Geschäft gemacht werden kann, warum kann es dann die Filmbranche nicht?

  6. Ich finde den Text zur Geschichte des Kopierens sehr interessant, vielen Dank dafür, lieber Wolfgang Messer. Allerdings sind die politischen (und impliziten) Schlussfolgerungen für mich fragwürdig. (Es sei mal dahingestellt, ob es sich um FDP-Positionen handelt oder nicht, das ist für die Debatte auch egal.)
    Was im Text als „Demokratisierung des Digitalen“ beschrieben wird, ist eine (geschickte, implizite) Um-Widmung: Denn hier wird etwas zu einem Allgemeingut erklärt, das es vorher nicht war. Man kann dieses Rechtskonstrukt mit dem legal geschützten Werk zwar für falsch halten, das soll man dann aber auch sagen. Um es zu überspitzen: Darf ich mir dann auch das Auto/Fahrrad meines Nachbarn einfach nehmen, weil’s gerade verfügbar ist? Besser noch: Darf ich es mir nehmen, wenn ich daran mitgebaut habe? Ich sage: nein. Und ebenso ist es im Sinne von Rechte-Inhabern schlicht illegal, sie ihrer Verwertungsrechte zu berauben, nur weil es möglich ist. Alle möglichen anderen Vergehen, seien sie nun schlimmer oder auch nicht, bleiben auch in der Welt, obwohl sie sanktioniert sind. Aber deshalb hebt man doch noch lange nicht das Verbot auf!
    Es gibt diese Rechte, ob einem das nun gefällt oder nicht, aufgrund von gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen. Tatsächlich zu sagen, weil so viele etwas (illegales) tun, muss die Norm abgeschafft werden, ist eine sehr schwache, wenn nicht offene Flanke in der Urheberrechts- und Kopierdebatte, die auch nicht damit wegzudiskutieren ist, dass da jemand so viel Geld mit verdient oder in der Vergangenheit verdient hat. Nennen wir es beim Namen: Es geht dann letztlich um die Forderung nach einer allgemeinen (oder billigeren) Verfügbarkeit eines Gutes, das einfach mal (eher willkürlich) bestimmt wird. Warum sollen Gartenbücher einfacher und billiger zu haben sein als Papiertaschentücher, besser noch Borot, das ich sogar dringend benötige? Ich will übrigens gar nicht sagen, dass man das Urheberrecht und alles was dort dranhängt nicht reformieren sollte, mir erscheinen aber einige der im Text und in den Kommentaren (und in vielen Ecken des Netzes) vorgebrachte Argumente dafür nicht ausreichend, bzw. auch falsch.

  7. @m.schnei: „Demokratisierung des Digitalen“ beziehe ich nur darauf, dass die Mittel zur Digitalisierung, des verlustfreien Kopierens und allgemein für die Nutzung digitaler Medien für die breite Masse erschwinglich wurden und kein Privileg einer „Elite“ blieben. Demokratie heißt nicht „alles kostenlos für alle“. Das wäre wohl eher Sozialismus oder Kommunismus, aber nicht mal das würde exakt zutreffen.
    Deshalb plädiere ich auch an keiner Stelle des Textes für die Abschaffung des Urheberrechts, höchstens für einen pragmatischen Ansatz bei dessen Umsetzung und eventueller Modifikation. Patentrezepte habe ich dafür auch nicht.

  8. Hallo!

    Ich will mich mat (zumindets im Grundsatz) anschließen: Nicht so sehr die technischen Möglichkeiten, sondern die Geisteshaltung der Nutzer ist entscheidend, finde ich.

    Ein Gedankenexperiment: Wenn jeder, der sich von Rapidshare oder sonstwo unbezahlt etwas heruntergeladen hat, danach -aus Respekt vor den Urhebern, den ausführenden Künstlern und den Vertrieben- selbigen Geld zukommen ließe, dann hätten wir eine ganz andere, sicherlich entspanntere Diskussion.
    Der Punkt ist der: Viele wollen nicht zahlen, weil sie es aufgrund der technischen Möglichkeiten nicht müssen. Diese „nicht-zahlen-wollen“-Mentalität ist meines Erachtens der wichtige Punkt.

    Unwichtig finde ich da die Frage, seit wann (prinzipiell) die frühesten Möglichkeiten der digitalen Kopie zur Verfügung standen.

    „Statt eine Technologie oder geübte Praxis […] zu bekämpfen, hätte die Medienproduktions- und Verwertungsindustrie versuchen müssen, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen.“ Solche Formulierungen unterschlagen, dass es auch eine andere Seite gibt: die Seite derjenigen, die schlichtweg nicht zahlen wollen. Der „Industrie“ alleine den Schwarzen Peter zuzuschieben, finde ich in dieser Hinsicht ungerecht.

    Die Schwarzweiß-Malerei im Wort „Medienproduktions- und Verwertungsindustrie“ stört mich ebenso.
    Damit werden alle möglichen Plattenfirmen, Vertriebspartner, Verlage über einen Kamm geschoren; egal, wie groß oder klein, wie künstlerisch oder finanziell interessiert sie jeweils sind.
    Eine solche undifferenzierte Betrachtungsweise hat was von Kampfbegriff, nicht von Diskussionsbeitrag.

  9. @Thomas N.: Diejenigen, die prinzipiell nie und überhaupt nichts bezahlen wollen, kriegst Du wohl mit keinem Gesetz der Welt zum Bezahlen, so lange sie nur irgend ein Hintertürchen zum kostenlosen Zugang finden (und diese Türchen wird man auch nie ganz schließen können). Ich glaube aber, dass solche Schmarotzer bei Weitem nicht die Mehrheit der Konsumenten darstellen. Bin ich zu optimistisch?

    Kleine Labels und Vertriebe würde ich nicht als „Industrie“ bezeichnen; mir geht’s schon um die „Majors“ und Konzerne. Und denen muss ich keinen „schwarzen Peter“ zuschieben, das haben sie bereits selbst getan.

    Mein Punkt ist ein psychologischer: Wenn ich als Anbieter die Konsumenten frühzeitig an etwas gewöhne, kann ich langfristig deren Einstellung bzw. Verhalten in eine gewünschte Richtung beeinflussen. Wenn ich’s aber verpasse, dann muss ich mich nicht wundern, wenn das Gegenteil passiert. Deshalb der Ausflug in die Geschichte der verpassten Chancen.

  10. @Thomas N.: Hier muss ich Wolfgang beipflichten: Menschen, die für nichts bezahlen wollen, wird es immer ein paar geben. Wenn man sich aber beispielsweise die Verkaufszahlen des Humble Indie Bundle (ein Paket von OpenSource-Spielen, das nach dem Konzept „bezahl soviel, wie es dir wert ist“ verkauft wird) ansieht, dann stellt man fest, dass Linux-User (wissenschon, die die nichts für ihr Betriebssystem bezahlen wollen) verglichen mit Windows-Nutzern überdurchschnittlich viel dafür bezahlen.

    Ich denke, dass die meisten Menschen durchaus bereit sind, für das zu bezahlen, was sie bekommen. Nur machen sich immer mehr Menschen auch gedanken darüber, ob das, was sie kaufen auch das wert ist, was sie bezahlen sollen. Warum soll ich für ein eBook, das außer ein paar Bits auf dem Datenträger keine materielle Entsprechung hat und das ich nicht kopieren oder weitergeben darf, genauso viel (teilweise sogar mehr — Ironie) bezahlen, als für das gleiche Papierbuch, das neben dem Informationsgehalt auch einen reinen Materialwert hat und mit dem ich nach dem Kauf alles machen kann, was ich will (und wenn ich es nur zum Heizen benutze, weil der Inhalt so mies ist). Ich unterstelle, dass die meisten Menschen bereit sind, für etwas (mehr) zu bezahlen, wenn sie auch einen entsprechenden Mehrwert dafür erhalten.

    Das Problem, das Wolfgang anspricht ist, dass die großen Produktionsfirmen lange Zeit das Monopol auf „perfekte“ Kopien hatten, das sie sich entsprechend bezahlen lassen konnten. Seitdem jeder mit Hausmitteln perfekte Kopien erstellen kann, funktioniert dieses Modell nicht mehr.

  11. Hallo!

    @Wolfgang Messer, 3. April, 15.32 Uhr:

    Was die Frage nach dem Optimismus angeht: Also…sooo optimistisch bin ich da nicht. Der Erfolg von Rapidshare, Megaupload und Konsorten hängt (gefühlt) _nicht_ nur damit zusammen, dass dort ausschließlich selbstkomponierte Lieder und belanglose Bilder vom Nachbarshund hochgeladen worden sind.
    Außerdem gibt’s ja diverse Foren, in denen sich über Raubkopier-URLs (wa skriegt man wo auf Rapidshare, wer hat was wann wo hochgeladen) ausgetauscht wird.
    Kurzum: Da gibt‘ schon einiges an Energie, die zum Raubkopieren aufgewandt wird.

    Was die kleinen Plattenfirmen angeht:
    Ich befürchte, dass vor allem diese unter der oben beschriebenen Geisteshaltung leiden. Größere Plattenfirmen haben das ein oder andere Zugpferd, können vielleicht sogar Verluste über längere Zeit aushalten – kleine Plattenfirmen haben meist kein Zugpferd und nicht die Rücklagen, sowas (=unehrliche Hörer) längere Zeit auszuhalten.
    Gerade die kleinen Platenfirmen sind mit Herzblut dabei – und gerade die leiden unter unehrlichen Hörern noch stärker als die großen Firmen. Auch wenn man sie nicht zur „Industrie“ zählt – sie spüren die Auswirkungen dieser Geisteshaltung erst recht, bis hin zur Pleite.

    Der Schwarze Peter:
    man wirft den großen Plattenfirmen vor, dass sie nur aufs Geld schauen, aber die Kunst und die Künstler vernachlässigen.
    Was machen Raubkopierer? Dasselbe: Sie schauen aufs Geld (sie wollen _nichts_ bezahlen) und interessieren sich auch nicht unbedingt für das Wohlergehen der Künstler.
    Wo ist da der Unterschied?

    Die Angebote:
    Einige Plattenfirmen haben vor Jahren die Kunden mit CD-Kopierschutz oder schwierigen Online-Angeboten genervt – das stimmt.
    Mittlerweile sieht das anders aus. Die Kopierschutz-Geschichten sind zu Ende erzählt, die Online-Angebote haben sich verbessert (denke ich).
    Mit anderen Worten: Da werden alte Kamellen ausgepackt, um das Feindbild „Musikindustrie“ weiterhin bedienen zu können.

    Der psychologische Effekt hat meines Erachtens nicht einfach etwas mit Angeboten seitens der Plattenfirmen zu tun.
    Es geht da auch um die schon erwähnte Geisteshaltung (Geiz ist geil, Gewinnmaximierung auch im privaten Bereich), der man mit übersichtlich strukturierten Online-Angeboten nicht beikommt.

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  15. Eine kleine geschichtliche Korrektur: Während DAT tatsächlich außerhalb von Studios (sowie als Backup-Medium für Daten…) niemals große Verbreitung erlangen konnte, war die MiniDisc eine Zeit lang (so um die Jahrtausend-Wende herum) — hauptsächlich als Medium für unterwegs — durchaus auch im Massenmarkt halbwegs erfolgreich. (Laut Wikipedia wohl insbesondere in Japan.)

    Bei Aufnahmen oder Kopien im stationären Gebrauch konnte die MiniDisc zwar als Ersatz für die Compact-Cassette nie so richtig Fuß fassen, da das Brennen von CDs bereits stark im kommen war; unterwegs konnten hingegen die bereits länger verbreiteten tragbaren CD-Player die Compact-Cassette nur teilweise verdrängen, da sie unhandlich waren — die MiniDisc bot sich als bessere Alternative zu beiden, und konnte in diesem Bereich einen recht steilen Anstieg verzeichnen.

    Das änderte sind dann aber vorzeitig und recht schlagartig mit dem Siegeszug der MP3-Player…

    • Danke für den Einwand – ich bin halt von den hiesigen Verhältnissen damals ausgegangen und da waren die MDs auch als Mobilgeräte nicht sehr verbreitet. Wir haben sie – hauptsächlich als weiteres Zuspielgerät für Soundbits oder Jingles – stationär im Studio genutzt; unter anderem auch bei „RPR eins“.

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