LED-Helligkeit: Lumen sagen nur die halbe Wahrheit

Die EG-Verordnung 244/2009 schreibt seit einigen Jahren verbindlich vor, dass bei jedem rundstrahlenden Haushalts-Leuchtmittel der Lichtstrom in Lumen angegeben werden muss und setzt strenge Regeln für Leistungsvergleiche mit herkömmlichen Glühlampen. Diese Vorschrift wird immer noch teilweise trickreich unterlaufen; sie bringt jedoch auch nicht in allen Fällen Klarheit über die nutzbare Helligkeit und den möglichen Einsatzbereich einer LED-Lampe. Die Lumen-Angabe lässt nämlich die vom Abstrahlwinkel abhängige Lichtstärke (mit der Einheit „Candela“ oder „cd“) außer Acht und benachteiligt LEDs mit „warmen“ Lichtfarben.

Lumixon-Abstrahlwinkel
Oben die (per Bildbearbeitung stark nachgedunkelte) Ausleuchtungszone eines Zwillings-Downlights mit dimmbaren 4-Watt-„Lumixon“-LED-Spots – ein breiter Abstrahlwinkel von rund 120 Grad und eine geringe Reichweite. Unten links die gleichen Downlights, aber mit dimmbaren 5,5W-Osram-„Superstar“ bestückt – ein enger Abstrahlwinkel von 35 Grad mit großer Reichweite. (Fotos: W. Messer)

Osram-WinkelZugegeben: Ich meckere hier im Blog unermüdlich über fehlende Lumen- bzw. lm-Angaben bei LED-Sonderangeboten in Werbebeilagen und Anzeigen von Discountern, Baumärkten und Warenhausketten. Meistens ist es aber auch nicht der einzige wichtige Wert, der von den Werbeleuten „vergessen“ wird; häufig gibt es selbst in Online-Shops überhaupt keine konkreten Hinweise zu Helligkeit, Farbtemperatur, Farbwiedergabeindex und Abstrahlwinkel einer LED-Leuchte oder -Lampe. Da steht man als Kunde im Dunkeln, muss lange und mühsam recherchieren, wird dann im besten Fall auf mein Blog aufmerksam, wo ich die Angebote regelmäßig unter die Lupe nehme und die Geheimnisse zu lüften versuche.

Wenn es mir gelingt, den Lichtstrom einer LED-Lampe herauszufinden, ist das schon fast die halbe Miete. Dann weiß ich immerhin, wie viel Licht das Teil insgesamt abgibt, das vom menschlichen Auge wahrgenommen werden kann. Gemessen wird dieser an unserer „Sehkurve“ orientierte Lumen-Wert in einer „Ulbricht-Kugel“ – im Wesentlichen ein mit Fotozelle oder kleinem Lichtaustritt bestückter, innen mit diffus reflektierendem Kunststoff beschichteter, runder Hohlraum, in den die Lampe gesteckt wird und zeigen muss, was sie so drauf hat. Richtwirkungen spielen hier keine Rolle.

Fastvoice-Eigen-Banner-04-14

Überdurchschnittlich schneiden hier Leuchtmittel ab, die ordentlich Power im grünen Spektralbereich (Wellenlänge um 555 Nanometer) haben. Das ist nämlich die Farbe, die von uns als am hellsten wahrgenommen wird und deshalb auch hohe Lumen-Werte liefert. Besonders angenehm oder augenfreundlich erscheinen uns diese Lampen nicht; das ist der Lichtstrom-Messung aber egal. Beispielsweise erreichen billige grüne „High Power“-LEDs mit rund einem Watt problemlos 70 Lumen, während gleich starke blaue LEDs (die Basis für weißes LED-Licht) nur 22 Lumen haben.

Lichtspektrum-Maximum
Das Spektrum des von uns sichtbaren Lichts – der schwarze Punkt markiert den Bereich mit der maximalen Helligkeits-Wahrnehmung. Traditionelle Glühlampen leuchten ziemlich gleichmäßig über den gesamten Spektralbereich, LED-Lampen dagegen mit mehr oder weniger ausgeprägten Spitzen bei verschiedenen Wellenlängen. (Grafik: Horst Frank@Wikimedia, Lizenz: CC by-sa 3.0)

So kann es durchaus passieren, dass eine sorgfältig als „Retrofit“-Glühlampenersatz entworfene, sehr teure LED-Lampe mit hochwertigen Bauteilen, einer angenehmen Farbtemperatur und hoher Farbtreue beim Lichtstrom-Test schlechter abschneidet als ein Hongkong-Hinterhof-Billigheimer mit der gleichen Wattzahl. Wer nicht farbenblind ist, sieht sofort, woran das liegt: Die Geizkragen-Birne mogelt sich mit sehr inhomogener Spektralverteilung und augenkrebsverdächtiger Grün-Gelb-Überbetonung auf einen hohen Lumen-Wert.

Casalux-Winkel
Die nachträglich abgedunkelte Ausleuchtungszone einer von ALDI vertriebenen „Casalux“-LED-Leuchte mit rund 6 Watt Leistungsaufnahme und einem Abstrahlwinkel von ca. 120 Grad. Das Foto gibt die seltsame grün-gelbe Lichtfarbe dieser Billigleuchte recht gut wieder.

LED-Lampen mit einem wärmeren, rötlicheren Ton sind also bei der Lichtstrom-Messung prinzipiell im Nachteil und können außerdem nach der „Papierform“ häufig nicht mit dem stromfressenden „Glühobst“ mithalten, das sie eigentlich ersetzen sollen. Die EU-Verordnung 244/2009 fordert nämlich von LED-Leuchtmitteln einen Lichtstrom, der etwa 14 % über dem Lumenwert einer entsprechenden Standard-Glühlampe liegt. Bei einer herkömmlichen 60-Watt-„Birne“ muss das LED-Äquivalent beispielsweise 806 lm liefern.

Trotzdem halten einige Hersteller in diesem Fall schon rund 600 Lumen starke LED-Lampen für ausreichend. Dass sie es in der Praxis auch meistens sind, liegt an der speziellen Abstrahlcharakteristik und Bauform. Während Glühlampen fast 360-Grad-Rundstrahler darstellen (abgesehen von dem kleinen Bereich unter dem Sockel), ist der Abstrahlwinkel bei LED-Lampen in Birnen- oder „Globe“-Form enger – meist zwischen 180 und 270 Grad. Das insgesamt erzeugte Licht wird also nicht so breit gestreut und kann deshalb in Teilen des Raumes sogar heller sein als das einer entsprechenden Glühlampe ohne Reflektor.

LED-Gluehlampen-Lichtverteilung
Das Ergebnis eines LEDON-Laborversuchs zur Lichtverteilung einer 60-Watt-Glühlampe (rote Linie) und einer 10-Watt-LED-„Birne“ (grüne Linie) von der Decke (oben) in den Raum. Deutlich wird die erheblich höhere Lichtstärke der LED-Lampe nach unten, obwohl sie insgesamt weniger Lichtstrom liefert. Subjektiv wird sie dadurch als heller wahrgenommen. (Grafik: LEDON-PR, Ausschnitt)

Voilà – jetzt sind wir bei den ominösen „Candela“, auch als „cd“ abgekürzt. Das ist nämlich die Einheit für den Lichtstrom pro Raumwinkeleinheit, genannt „Lichtstärke“. Die findet man in vielen Produktbeschreibungen; bevorzugt bei LED-Spots mit sehr engem Abstrahlwinkel auch anstelle des Lumenwerts, manchmal als „mcd“ (Milli-Candela, also das Tausendstel eines Candelas) angegeben. Wahre Traumzahlen können Sie da teilweise lesen: Zum Beispiel 550 cd für einen 3-Watt-Strahler! Oder sogar „550.000 mcd“. Das klingt saumäßig hell, relativiert sich allerdings bei einem Abstrahlwinkel von nur 15 Grad.

Die grobe Umrechnung von Lichtstärke zu Lichtstrom (ohne Berücksichtigung des Streulichts) ergibt in diesem Fall gerade mal rund 30 Lumen, etwa die Gesamthelligkeit von drei Haushaltskerzen. Da aber der Lichtstrom beim LED-Spot stark gebündelt ist, wird tatsächlich ein sehr kleiner Teil des Raums – zumindest auf kurze Entfernung – ziemlich hell angestrahlt. Als Akzent- oder Effektbeleuchtung ist das okay, als wirklich nutzbares Licht zum Lesen oder Arbeiten jedoch nicht.

Ledino-WinkelDa darf’s doch gerne ein bisschen mehr sein. Rechts sehen Sie die nachträglich abgedunkelte Ausleuchtungszone eines 7 Watt starken Philips-„Ledino“-Moduls der ersten Baureihe mit 270 Lumen und 24 Grad Abstrahlwinkel. Klingt nicht sonderlich spektakulär, sorgt aber für eine massive Lichtstärke von rund 2000 Candela. Damit können Sie von der Decke aus einen kleinen Esstisch taghell erleuchten. Die aktuelle „Ledino“-Serie hat übrigens bei gleicher Leistungsaufnahme ca. 350 Lumen und 40 Grad. Sie erhellt eine größere Fläche, erreicht aber deshalb trotz des höheren Lichtstroms weniger Lichtstärke: Knapp 925 Candela.

Zur Orientierung: Ein Osram „Halopar“-35-Watt-Halogenspot schafft bei einem Abstrahlwinkel von 35 Grad nur 570 cd. Das können Sie auch locker mit einem hochwertigen 5-Watt-35-Grad-LED-Strahler erzielen, weil er zwar einen deutlich geringeren Lumenwert hat, aber viel weniger diffuses Streulicht produziert. Der Lichtkegel ist deshalb auch stärker abgegrenzt, der Hell-Dunkel-Übergang also schärfer als bei Halogenstrahlern. Es gibt allerdings noch keine EU-Regelung für vergleichende Leistungsangaben von LED-Richtstrahlern mit traditionellen Spots (Update 12/2012: Inzwischen gibt’s eine EU-„Ökodesign“-Ergänzungsverordnung, die am 1. September 2013 in Kraft tritt und auch Lampen/Leuchten mit Richtwirkung einschließt).

Solche Fein- und Besonderheiten erfordern neben einer gut gefüllten Brieftasche auch ein wenig Grips bei der Lichtplanung – vor allem, wenn Sie Ihre komplette Beleuchtung auf LED-Technik umstellen wollen. Wo brauchen Sie enge Lichtkegel? Wie hell sollen sie sein? Welche Farbtemperaturen mögen Sie an verschiedenen Stellen Ihrer Wohnung? Darf’s zum Beispiel am Schreibtisch etwas „kälteres“ Licht sein als in der Kuschelecke? Wo ist eher flächiges, breit streuendes Licht erforderlich? Wie ordnen Sie die Leuchten an und welche Spots brauchen Sie, damit Sie – etwa beim Fernsehschauen oder Treppensteigen – nicht geblendet werden? Wo brauchen Sie extra helles „Putzlicht“? Wie „farbtreu“ sollte Ihre Beleuchtung sein?

Sie werden vermutlich mehr einzelne Lichtquellen und verschiedene Typen brauchen als mit Ihren herkömmlichen Lampen und Leuchten, können dafür aber auch exakter auf Ihre Bedürfnisse eingehen. Die Lumenwerte der gekauften Produkte können dabei eine Rolle spielen, sie sind aber – wie Sie jetzt wissen – nicht die einzig entscheidenden Daten.

Wenn ein Hersteller oder Händler sich weigert, Ihnen auch die anderen wichtigen Merkmale und Werte seiner LED-Produkte glaubhaft und nachvollziehbar mitzuteilen, lassen Sie ihn links liegen und kaufen Sie woanders. Sie werden sonst nicht glücklich bei Ihrem Umstieg in eine „leuchtende“ Zukunft mit stromsparender Technologie.

Mehr zum Thema:

LED-Lampen und das „Winkel-Dilemma“

Die Lumen-Falle: Wie Lichtstrom-Werte hinter’s Licht führen

Blog-Leserfrage (15): Lumen, Lux und Candela mit der Gartenbrause erklären?

Farbkonsistenz, MacAdam, SDCM: Wie unterschiedlich leuchten LEDs?

Was sagt uns ein LED-Farbspektrum?