Urteil zur Heizkosten-Abrechnung: Nur heiße Luft

Heizkörper
Immer wieder Anlass für juristische Auseinandersetzungen: Die Heizung in der Mietwohnung.  (Foto: W. Messer)

So ein winterliches Hochdruckgebiet mit knackiger Kälte kann ein idealer Nährboden für Panikmache sein. Am besten funktionieren hier natürlich Themen, die irgend was mit „Heizung“ und „Wärme“ zu tun haben – auch heute wieder: Da dürften Millionen von Mietern und Vermietern ziemlich verwirrt über solche Meldungen gewesen sein:

Für Millionen von Mietern hat dieses Urteil Bedeutung: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Vermieter nicht einfach seine Heizkostenpauschale auf die Mieter umlegen darf. (Focus.de)

Ähnlich seltsam und irreführend waren auch die Behauptungen, dass…

… Vermieter die Heizkosten präziser abrechnen müssen. (Spiegel.de)

… Vermieter nur nach tatsächlichem Verbrauch abrechnen dürfen. (Tagesschau.de)

… Vermieter bei den Heizkosten nur den tatsächlichen Verbrauch zu Grunde legen dürfen und pauschale Abschläge nicht zulässig sind. (N24)

… Ihr Vermieter keine Abschlagszahlung in Rechnung stellen darf. (Welt-Online)

Das bedeute in der Konsequenz, …

… dass die Rechte der Mieter gestärkt werden. (N24)

… dass nach Angaben des deutschen Mieterbundes in Millionen von Fällen die Heizkosten nach dem unzulässigen Abflussprinzip berechnet worden sind und damit nun Schluss ist. (Tagesschau)

 

… wenn der Besitzer die Heizkosten für ein Mehrfamilienhaus abrechnet, muss er künftig die Verteilung pro Wohnung genau aufschlüsseln. Pauschal die monatlichen Abschläge auf die Miete aufzuschlagen, gilt nicht mehr. (Spiegel)

Schon die Spiegel-Interpretation lässt erahnen, dass hier eine heiße Partie Bullshit-Bingo gespielt wurde: Nicht der Vermieter, sondern der Mieter ist der Besitzer einer Wohnung – und der wird wohl kaum die Heizkosten für ein Mehrfamilienhaus abrechnen. Gemeint war wohl der Eigentümer des Hauses. Und wenn man sich dann die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe zum Urteil (vom 1. Februar 2012 – Aktenzeichen VIII ZR 156/11) anschaut, wird klar, dass es eigentlich nur um einen Sonderfall und um Selbstverständlichkeiten geht:

Die Klägerin verlangt von den beklagten Mietern die Nachzahlung von Heizkosten für die Jahre 2007 und 2008. Bei den dieser Forderung zugrundeliegenden Heizkostenabrechnungen wurden nach dem sogenannten Abflussprinzip lediglich die im Abrechnungszeitraum geleisteten Zahlungen der Vermieter an das Energieversorgungsunternehmen als entstandene Kosten berücksichtigt. …

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Heizkostenabrechnung nach dem Abflussprinzip den Vorgaben der Heizkostenverordnung nicht entspricht. Gemäß § 7 Abs. 2 HeizkostenV sind die in die Abrechnung einzustellenden Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Abgasanlage insbesondere „die Kosten der verbrauchten Brennstoffe“. Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass nur die Kosten des im Abrechnungszeitraum tatsächlich verbrauchten Brennstoffs abgerechnet werden können (sogenanntes Leistungsprinzip). Dem wird eine Abrechnung nach dem Abflussprinzip nicht gerecht.

Kurz gesagt: Vermieter dürfen nicht einfach eine monatliche Heizkosten-Pauschale auf der Grundlage der Abschlagszahlungen an den Energieversorger erheben und es dabei für alle Zeiten bewenden lassen. Wer sich aber als Mieter auf so einen realitätsfernen und ungerechten Unsinn wie im behandelten Fall eingelassen hat, der ist erstens in der Minderheit und zweitens selbst schuld. Oder, wie etwa Welt-Online korrekt am Ende des Textes schreibt:

In der Praxis sind Abrechnungen nach dem Abflussprinzip jedoch die Ausnahme.

Also von wegen „Millionen von Mietern“ (Focus.de) oder „Millionen von Fällen“ (Mieterbund-Zitat bei Tagesschau.de). In einem sehr detaillierten Beitrag bei Süddeutsche.de wird Ulrich Ropertz zitiert, Sprecher des Deutschen Mieterbundes. Er kann seltsamerweise nicht mit „Millionen“ dienen:

Wie viele Vermieter nach dem Abflussprinzip abrechnen, dazu hat der Mieterbund keine Zahlen.

Kein Wunder: Bei den allermeisten Mietverhältnissen hat sich die vernünftige Praxis eingebürgert, dass zwar zuerst monatliche Abschläge nach den Erfahrungswerten der Vorjahre bezahlt werden. Am Anfang des darauf folgenden Jahres gibt es dann allerdings eine Ab- bzw. Verrechnung nach dem tatsächlichen Verbrauch – ermittelt anhand der „Brennstoff“-Kosten und nach Quadratmeter-Anteilen der Wohnungen oder den Werten aus den Verdunstungs-Messgeräten an den Heizkörpern.

Je nach Strenge des Winters und persönlichem Wärmebedarf können Sie als Mieter dann mit einer teilweisen Rückzahlung der Abschläge (selten) oder mit Zahlungs-Nachforderungen (meistens) rechnen. Damit ist der im Urteil genannten Heizkostenverordnung auch schon Genüge getan; „präzisere Berechnungen“ werden vom BGH auch in Zukunft nicht gefordert.

Diese Klarstellung gab es bei den hier verlinkten (und vielen anderen) Medienmeldungen nicht. Die Kommentare darunter fielen deshalb meist empört bis ratlos aus; teils gab es sogar völlig grundlose Befürchtungen der Leser, man müsse künftig wohl als Vermieter jeden Monat aktuell die tatsächlichen Kosten ermitteln und könne sie dann erst anteilig dem Mieter in Rechnung stellen:

Wir Vermieter in diesem Land werden immer mehr entrechtet,es ist eine Schande !!

Kommt jetzt mein Vermieter jeden Monat die Heizung ablesen? Toll. Vielen Dank für dieses Urteil! Dann kann er ja gleich hier mit einziehen.

Unklare Formulierungen – Ich interpretiere dies so, dass nicht der individuelle Verbrauch abgerechnet werden muss, sondern dass es auch erlaubt ist, die Heizungskosten pauschal für alle gleich zu berechnen. Man muss nur zeitnah den tatsächlich Gesamtverbrauch erfassen. Also einmal im Monat den Gaszähler ablesen und auf alle entsprechend umlegen

Ist das Urteil rückwirkend wirksam? Wenn keine Zähler an den Heizkörpern sind: wird dann der Öleinkauf angesetzt? Oder auch die Instandhaltungskosten der Heizung? Und nach anteiliger Wohnfläche umgelegt? Der Artikel lässt mehr Fragen offen als er beantwortet …

Das ist noch recht milde formuliert – viele Artikel waren regelrecht irreführend und ließen vermuten, dass die Verfasser das Urteil weder gelesen noch verstanden hatten. Wen wundert’s, dass dann auch die Leser und Kommentatoren im Heizungsdampf herumirren.

Fazit: Was ändert sich durch dieses Urteil bei den Heizkosten-Abrechnungen fast aller Mietverhältnisse? Nichts. Aber vielleicht hat ja die teils „fantastische“ Berichterstattung für den Spareffekt gesorgt, dass sich einige Gemüter vor Aufregung kräftig erhitzt und ihre Heizung deshalb ‚runtergedreht haben.