Strom-Zahlenspiele mit E.ON und Greenpeace

Wie viel Strom verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr? Und was sagt der Energiekonzern „E.ON“ zur Zukunft der Stromerzeugung? Wenn man der aktuellen Werbekampagne von „E.ON“ glauben darf, heißen die Antworten darauf „1600 Kilowattstunden“ und „wir bauen die erneuerbaren Energien konsequent aus“:

Eon-Anzeige
Ausschnitt einer Zeitschriftenanzeige aus der aktuellen „e.on“-Kampagne.

Der von mir berechnete Verbrauchswert ergibt sich aus den beeindruckenden Zahlen in der Anzeige: „8 Milliarden kWh“! „5 Millionen Menschen“! Das klingt gewaltig, heißt aber leider nur, dass „E.ON“ gerade mal rund 913 Megawatt (MW) Durchschnittsleistung mit seinen Windkraft-, Wasserkraft-, Solar- und Biogasanlagen in Deutschland schafft, die damit über’s Jahr 8 Terawattstunden (TWh) liefern. Zum Vergleich: Der gesamte Brutto-Stromverbrauch in Deutschland betrug 2010 rund 608 TWh, die Stromerzeugung ca. 621 TWh.

Der weitaus größte Teil davon wird von Industrie, Gewerbe, Verkehr etc. verbraucht. „E.ON“ selbst kalkuliert bei seiner Kampagne (wenn Sie 5 Millionen Menschen und deren Stromkonsum auf 82 Millionen Bundesbürger hochrechnen) den Verbrauch von Privathaushalten mit gut 131 TWh. Die „E.ON“-Werbe-Messgröße „5 Millionen Menschen“ bezieht sich ausschließlich auf diesen privaten Konsum und lässt die erheblich größere Infrastruktur und Peripherie außer Acht, ohne die diese fünf Millionen nicht leben, Bahn fahren, einkaufen oder arbeiten könnten. Bezogen auf den gesamten Stromverbrauch – die Dimension, von der der bekannte „Pro-Kopf-Verbrauch“ abgeleitet wird und der in Deutschland bei etwa 7200 kWh jährlich liegt – dürfte „E.ON“ also nur von etwas mehr als einer Million der 82 Millionen Menschen in Deutschland schreiben, für die das Unternehmen Strom aus regenerativen Quellen liefern kann.

Windrotor
Windkraftanlagen wie diese in Niedersachsen sind mit insgesamt rund 37 Terawattstunden pro Jahr die Hauptlieferanten von erneuerbaren Energien in Deutschland. (Foto: Philip May@Wikimedia Commons, Lizenz: CC by-sa 3.0)

Rund 20 Prozent des insgesamt in Deutschland erzeugten Stroms stammen aktuell schon aus erneuerbaren Energien; der entsprechende Anteil beim deutschen „E.ON“-Strom liegt bei nur ca. 10 Prozent. Dieser enorme Rückstand resultiert aus der ausdauernden Beharrung des Konzerns auf die renditestarke Atomkraft und der im Umkehrschluss lange Zeit mangelnden Investitionsbereitschaft in andere Formen der Stromerzeugung. Immerhin – das Unternehmen gelobt auf seiner Website Besserung:

„Im Jahr 2030 werden wir 36 Prozent unseres Stroms in Erneuerbare-Energien-Anlagen produzieren. Das bedeutet auch: Die Hälfte unseres Stromes erzeugen wir CO2-frei. Für die andere Hälfte senken wir die Emissionen drastisch. Bereits ab 2015 stehen uns über 10.000 Megawatt Windkraftkapazitäten zur Verfügung.“

10.000 Megawatt klingen wieder gewaltig, sind aber erstens nur die Maximal-(„Peak“-)Leistung der Rotoren und summieren sich selbst unter Idealbedingungen nur auf etwa 20 Terawattstunden Stromerzeugung pro Jahr. Wie viele Personen oder Haushalte damit versorgt werden könnten, ist nun wiederum eine Sache des „kreativen“ Rechnens, weil es sehr darauf ankommt, welche Verbrauchswerte Sie als Basis nehmen.

Den Wert von „E.ON“ kennen Sie schon: 1600 „Kilowattstunden pro Person und Jahr“. Wikipedia bietet dagegen aus verschiedenen (nicht sehr aktuellen) Quellen „Kilowattstunden pro Haushalt und Jahr“ an: Rund 2000 kWh bei einem ein-Personen-Haushalt, etwa 3.400 beim Zweier- und gut 4.300 beim Dreier-Haushalt. Über alle Haushaltsgrößen hinweg sollen es von 2007 bis Anfang 2009 durchschnittlich 3.900 kWh jährlich gewesen sein. Die Anzahl der privaten Haushalte schätzt das Statistische Bundesamt auf rund 36,5 Millionen. Bei 82 Millionen Einwohnern leben in jedem Haushalt damit im Schnitt knapp 2,25 Menschen, also müssen wir 3900 kWh durch 2,25 teilen und kommen so auf 1733 kWh jährlichen Stromverbrauch pro Person oder 142 Terawattstunden Gesamtprivatverbrauch in Deutschland.

Mit läppischen zwei unterschiedlichen Werten wäre die Sache aber viel zu einfach. Glücklicherweise meldete sich an diesem Freitag noch der Öko-Stromanbieter „Greenpeace Energy“:  Er rechnete vor, dass die von der Bundesnetzagentur für 2010 ermittelten 127 Millionen Kilowattstunden ungenutzt im Netz „versickerten“ Stroms (meist aus Wind und Sonne) für die Versorgung von 30.000 Haushalten gereicht hätten. Oops, das wären ja satte 4233 kWh pro Haushalt oder knapp 1900 kWh pro Person und Jahr! Damit hätten wir einen gesamtdeutschen privaten Verbrauch von etwa 154,5 Terawattstunden. Ist unser Stromkonsum in den letzten Jahren tatsächlich so stark gestiegen, obwohl es immer sparsamere Haushaltsgeräte und Leuchtmittel gibt?

Vergleichszahlen für die einzelnen Verbrauchssektoren liegen zwar nur bis 2009 vor; ausgerechnet in diesem Jahr sank der gesamte Stromverbrauch krisenbedingt signifikant gegenüber dem Vorjahr. Trotzdem gab es zwischen 1990 und 2009 einen Anstieg des privaten Stromkonsums um rund 19 Prozent oder 22 Terawattstunden. Fachleute sehen als Ursachen zum Beispiel steigende Komfortansprüche und Wohnungsgrößen, günstigere Preise bei Unterhaltungselektronik und verbrauchsintensiven Elektrogeräten und die immer noch verbreitete Skepsis gegenüber neuen, energiesparenden Techniken (Sie kennen sicher diese Glühlampen-Fans und -Hamsterkäufer).

Da 2010 der Gesamtverbrauch gegenüber 2009 wieder kräftig nach oben schnellte, ist die „Greenpeace Energy“-Schätzung wahrscheinlich nicht ganz verkehrt. Die aktuell 8 Terawattstunden aus erneuerbarer Energie von „E.ON“ würden bei dieser Vorgabe (und bei ausschließlicher Rechnung des privaten Verbrauchs) nicht für 5 Millionen Menschen reichen, sondern nur für 4,2 Millionen.

Ob nun jeder von uns privat tatsächlich im Schnitt 1600 („E.ON“), 1733 (verschiedene Quellen) oder 1900 („Greenpeace Energy“) Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht? Keine Ahnung, ist aber eigentlich auch egal. Machen Sie’s doch so wie „E.ON“: Nehmen Sie einfach ein paar möglichst große Zahlen, die Ihnen am Besten ins (Werbe-)Konzept passen (Milliarden und Millionen kommen immer gut) und verkaufen das dann als „klare Ansage“. Wird sich schon keiner die Mühe machen, das nachzurechnen und in Frage zu stellen.

2 Gedanken zu „Strom-Zahlenspiele mit E.ON und Greenpeace

  1. Da hat es sich Eon doch ziemlich leicht gemacht. Glaube nicht, dass man mit solchen Zahlen kalkulieren kann und vor allen Dingen, dass diese Zahlen auch der Realität entsprechen.

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