Scharfes Script

Es gibt vermutlich laut Online-Telefonbuch in ganz Deutschland nur 15 Männer, die exakt so heißen wie ich – Wolfgang Messer (den Eintrag mit der Schreibweise „Meßer“ zählen wir mal nicht). Ein sehr seltener Name also, aber offenbar nicht rar genug für die RTL-„Scripted Reality“-Serie „Familien im Brennpunkt“:

Brennpunkt-Drehbuch
Montage aus dieser Quelle

Ziemlich überrascht war ich gestern Abend, als ich in Holger Kreymeiers Blog bei „Fernsehkritik.tv“ einen Blick in das dort veröffentlichte, geleakte „Drehbuch“ warf und meinen Namen als Rolle in einer Folge dieser Pseudo-Doku-Serie lesen musste (es lohnt nicht, sich mit der frei erfundenen, hanebüchenen Handlung zu beschäftigen). Zufall, dass sich die Autoren der Hürther Produktionsfirma „Filmpool“ gerade diesen Namen „ausdachten“? Die Wahrscheinlichkeit dafür ist angesichts der geringen Verbreitung äußerst klein und etwa vergleichbar mit der Chance auf einen „Sechser“ im Lotto. Oder war’s doch in voller Absicht als boshafter Scherz gemeint? Eine entsprechende Nachfrage bei „Filmpool“ blieb bisher unbeantwortet.

Ist ja auch ein krass-geiler Brüller, wenn der Name eines zuletzt langjährigen öffentlich-rechtlichen Radiomoderators (der auch in Köln bzw. Hürth zu hören war) und aktuell freien Mitarbeiters des europäischen Kultursenders ARTE ausgerechnet im privaten Trash-TV auftaucht (die Folge wurde offenbar bereits zwei Mal ausgestrahlt). Eine ausbaufähige Idee, die zum Beispiel mit den Namen Michael Lueg, Birgit Steinbusch oder Christiane Falk fortgesetzt werden könnte – vielleicht als Protagonisten einer Folge, in der ein 16jähriger Alkoholiker gleichzeitig sexuelle Beziehungen mit seiner Schwester (14) und seiner Tante (52) hat – boah ey!

Ja, es hat sich eine Menge geändert in der Radio- und TV-Landschaft, seit ich Ende 1987 mal zwei Wochen lang in der Luxemburger Villa Louvigny herumgeturnt bin, um zu schauen, wie die Kollegen von RTL-Radio und „RTL plus“ (so hieß das Fernsehprogramm damals noch) arbeiten. Große Namen gab’s damals noch dort, die zu jener Zeit und auch später Medien-Nachwuchs und -Geschichte prägten: Meiser, Kaul, Popp, Elfes (seit der Heirat „von Groeben“), Göke, Wirbitzky, Balder, Pessler (anfangs Moderator beim RTL plus-„Frühstücksfernsehen“, inzwischen gefragter Off-Sprecher beim ZDF), Pützenbacher oder Siebeneicher.

Einige dieser Koryphäen halfen uns Radio-Frischlingen 1988, ein Lokalradio im Badischen aufzubauen, das indirekt auch wieder die Zukunftsfähigkeit von RTL-Radio sicherte: Unser „Radio Merkur“ auf 100,9 MHz übernahm nämlich als „Mantel“ bis zu 18 Stunden Programm täglich aus Luxemburg und wurde damit zum ersten RTL-UKW-Sender in Deutschland. Bis dahin konnte man zum Beispiel die erste deutsche Morning-Show, „Guten Morgen Deutschland“, hier nur über Mittel- oder Kurzwelle empfangen – ein schon damals aussterbender Verbreitungsweg.

In jener Zeit waren vermutlich einige der „Filmpool“-Autoren, die sich heute krasse Handlungsstränge und Namen für’s Trash-TV ausdenken, noch Klassenkasper in der Grundschule oder Quark im Schaufenster. Wie können sie da ermessen, dass RTL mal ein wegweisender Medien-Pionier war und nicht nur eine Gelddruckmaschine und ein ansonsten weitgehend irrelevanter und teils menschenverachtender Multi-Ausstrahler von Gesülze und Volksverdummung? Nein, ein Blick in die Vergangenheit behindert nur bei der Fließbandarbeit der abgestumpften Mediensklaven neuen Typs – die Herrschaften passen schon sehr gut in die aktuelle Privat-TV- und Radio-Landschaft.

Wahrscheinlich würde es ihnen nicht mal was ausmachen, wenn bei „ZDFneo“ eine Comedyserie laufen würde, in der die Protagonisten Kai Ebel, Janine Steeger und Peter Kloeppel heißen, Insassen einer psychiatrischen Klinik sind und die Pfleger jeden Tag mit lustigen Tricks und Spinnereien gegeneinander ausspielen – nur um jeweils ab 16 Uhr im Aufenthaltsraum der Wärter ungestört „Familien im Brennpunkt“ gucken zu können.

Wie ich gerade darauf komme? Das Buch, das RTL-Hörfunk-Chefredakteur Rainer H. Popp 1987 (kurz bevor er Programmdirektor wurde) zum 30jährigen Jubiläum des Senders schrieb, hieß „Ein Irrenhaus fährt Achterbahn“. Inzwischen scheint mir der Wagen an einem sehr tiefen Punkt der Bahn angekommen zu sein.

4 Gedanken zu „Scharfes Script

  1. Hast du Paranoia?
    Klar ist das Drehbuch scheiße, da gibt es keinen Zweifel – aber bei den Vorwürfen bzgl. des Namens muss ich dir widersprechen! Da „trifft“ es IMMER irgendwen, denn sowohl der Vorname als auch der Nachname sind ja nun nicht sehr exotisch, und da ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand der 100 Millionen Leute in D/AT/CH dieselben hat, nun wirklich nicht gering….

  2. @besserwisser: Lustig, nach dieser Wahrscheinlichkeits-Logik könnte ich bei der Lottogesellschaft zwei Scheine mit je drei Richtigen abgeben und dort das Geld für einen „Sechser“ kassieren.

    Natürlich sind Vor- und Nachname für sich jeweils mehr oder weniger häufig, aber eben nicht in genau dieser Kombination.

  3. Ich sehe das genauso wie „besserwisser“. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass es sich bei dieser Namenswahl um reinen Zufall handelt.

    1) Deine Quelle (Telefonbuch) ist nichtssagend. Ob jemand da drin steht oder nicht, sagt nichts über die Existenz der Person aus. 😉 Bloß weil dort nur 15 Wolfgang Messer drinstehen, kann man also keineswegs darauf schließen, dass es auch nur 15 Personen gibt die so heissen.

    2) RTL hätte rein garnix davon, deinen Namen zu verwenden. Einen „Gag“ kann ich hier nicht erkennen… Vermutlich wissen die nicht mal wer du bist. Oder glaubst du ein unterbezahlter Doku-Soap-Autor kennt irgendwelche unbekannten Mitarbeiter der ÖR?

    3) „Messer“ ist ein sehr gängiges deutsches Nomen. Wenn ich mir einen Namen für eine fiktive Person aus den Fingern saugen müsste, wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich für den Nachnamen einfach irgendein Substantiv aus der deutschen Sprache verwende, das mir spontan in den Sinn kommt.

    4) „Wolfgang“ ist ebenso ein sehr weit verbreiteter Name. Daher ist die Wahrscheinlichkeit eben sehr viel höher, dass sich der Autor „Wolfgang Messer“ ausdenkt, anstatt z.B. „Lysander Messer“. Wäre letzteres dein Name und in der Sendung aufgetaucht, könnte man sich eventuell Gedanken machen. Aber auch da nur eventuell… Es gibt viel größere Zufälle.

    Auch wenn diese RTL-Formate wirklich der allerletzte Dreck sind und man ihnen sehr vieles vorwerden kann – das hier nun nicht, meiner Meinung nach. 😉

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