by Wolfgang Messer | 11.8.2011 15:44
Es könnte so ein schöner Spätsommer werden – mit angenehm warmen Tagen und milden Nächten, mit Bildern von Stränden und Bikini-Schönheiten in den Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien. Könnte, wenn da nicht schon wieder der 1. September vor der Tür stände. Denn wie in den beiden letzten Jahren[1] saust in den Tagen und Wochen davor wieder europaweit das mediale Fallbeil[2] auf die EG-Verordnung 244/2009[3] – das so genannte „Glühbirnen-Verbot“ in der Europäischen Union – und verärgert jeden Leser mit Resthirn und/oder rudimentärer Ahnung von der Materie.
Sie leuchtet auch noch nach dem 1. September in vielen Wohnungen: Die völlig veraltete „Glühbirne“. (Foto: Wikimedia Commons[4], Lizenz: GNU 1.2[5])
Hier mein erneuter kostenloser Service für alle Journalisten, denen die Verordnung zu kompliziert ist: Ab dem 1. September 2011 müssen Leuchtmittel mit klarem Glas (mattierte sind insgesamt schon seit knapp zwei Jahren tabu) ab 60 Watt Verbrauch mindestens die Voraussetzungen der Energieeffizienzklasse[6] C erfüllen; für schwächere genügt noch bis zum 31. August 2012 die Klasse E. Herkömmliche Glühlampen erreichen normalerweise höchstens die Klasse E, in Einzelfällen auch D; 60-Watt-Lampen dürfen daher ab September in der EU nicht mehr hergestellt oder geliefert werden. Für 75-Watt-Lampen gilt das schon seit September 2010. Nicht verboten ist dagegen der Abverkauf von Lagerware an Endverbraucher, auch wenn mal wieder von Unternehmens-Seite das Gegenteil behauptet wird[7]. Und natürlich gab und gibt es auch kein Betriebsverbot für das Glühobst.
Lumen[8] pro Watt ist der Maßstab für die Beurteilung der Effizienz von Leuchtmitteln. Herkömmliche Glühlampen liegen meist in den „schlechten“ Klassen G, F und E. (Grafik: Wikimedia Commons[9], Lizenz: GNU 1.2[10])
Offenbar setzen Teile des Handels immer noch auf Panikmache und Hamsterkäufe der verunsicherten Verbraucher[11]. In diesem Klima gedeihen in Foren und Blogs auch die bekannten EU-Verschwörungstheorien[12] („Brüssel will uns entmündigen!“) hervorragend. Kein Argument scheint da den glühenden Verehrern der Technik von vorgestern zu hanebüchen, um nicht die „Birnen“-Nostalgie zu nähren und den Sinn von effizienteren Leuchtmitteln anzuzweifeln.
Dabei waren die EU-Verordnungstexter schon sehr gnädig mit der veralteten, stromfressenden Lichttechnik. So gibt es zahlreiche Ausnahmen. Zum Beispiel dürfen Reflektorlampen (etwa die beliebten Halogen-Spots und -Fluter) auch weiterhin unbegrenzte Watt-Zahlen haben und müssen vorerst keine Effizienzklasse einhalten. Exemplare mit 500 Watt pro Stück[13] sind keine Seltenheit. Das Argument für die Ausnahme hieß „mangelnde Alternativen“. Seit es jedoch hocheffiziente und teils auch bezahlbare LED-Spots[14] und –Fluter[15] gibt, kann diese Begründung eigentlich nicht mehr gelten.
Es gibt keinen vernünftigen Grund, sich in den nächsten Wochen mit 60-Watt-Glühlampen einzudecken und auch keinen Anlass, auf die teilweise zu Recht kritisierten „Energiesparlampen“[16] auszuweichen. Meine Ratschläge: Ersetzen Sie jede durchgebrannte Glühlampe durch eine hochwertige LED-Alternative[17] (es existieren inzwischen für fast alle Fassungen „Retrofit“-Modelle); die Mehrkosten werden durch die Stromeinsparung über die gesamte Lebensdauer meist überkompensiert. Und: Bestellen Sie jede Zeitung, Zeitschrift und kostenpflichtige News-App ab, die Ihnen weismachen will, dass ab 1. September keine 60-Watt-Glühlampen mehr verkauft werden dürften[18] oder dass LED-Lampen nicht hell genug seien[19].
Source URL: http://fastvoice.net/2011/08/11/die-lampe-gluht-der-unsinn-bluht/
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