Fahranfänger: Sicherheitstraining statt „Feedback-Fahrten“

Wenn „Verkehrspolitiker“ mal wieder eine neue Sau durch’s Dorf treiben, ist meist Vorsicht geboten. Häufig handelt es sich um halbherzig gestrickte Mogelpackungen, die zwar den Interessen der einen oder anderen Lobby, aber nicht dem öffentlich kommunizierten Zweck dienen.

Diese Woche geisterten Pläne für „Feedback-Fahrten“ durch die Medien. Führerschein-Neulinge sollten künftig – wegen der überproportionalen Beteiligung am Unfallgeschehen – nach drei Monaten erneut ein oder zwei Fahrlehrer-Stunden im öffentlichen Straßenverkehr nehmen, um zum Beispiel „falsche Gewohnheiten beim Autofahren“ zu beseitigen. Der schleswig-holsteinische CDU-MdB und Landesverkehrswacht-Präsident Gero Storjohann verweist dabei auf gute Erfahrungen mit dem Fahranfänger-Schulungskonzept in Österreich seit 2003.

Dieser Vergleich ist allerdings eine verkehrspolitische Geisterfahrt. Unsere Nachbarn im Süden haben nämlich weit mehr getan, um die Unfallzahlen in der betroffenen Altersgruppe um rund 30 Prozent zu senken. Dort gibt es nicht nur zwei „Feedback-Fahrten“, sondern auch ein Sicherheitstraining abseits öffentlicher Straßen und begleitende verkehrspsychologische Schulungen.

Sicherheitstraining Wasserwand
In Österreich integraler Bestandteil des Verkehrsschulungs-Konzepts: Ausführliches Training in einem Fahrsicherheitszentrum – hier die Simulation eines plötzlich auftauchenden Hindernisses durch eine „Wasserwand“. (Foto: Beademung@Wikimedia Commons, Lizenz: cc by-sa 3.0)

Und was soll es bei uns geben? Ein oder zwei Fahrstunden! Im Straßenverkehr! Sonst nix! Ich halte jede Wette: Das würde den Fahrschulen zwar ordentlich Geld in die Kassen spülen, aber unfallstatistisch weitgehend wirkungslos bleiben. Oder haben Sie es schon mal geschafft, sich in nur ein oder zwei Stunden eine schlechte Angewohnheit abzutrainieren? Etwa die grassierende Blinkmuffelei? Oder den vergessenen Blick über die linke Schulter beim Spurwechsel? Oder das Fahren mit mehr als Schrittgeschwindigkeit in Spielstraßen?

Zugegeben: Ich bin auch erst im fortgeschrittenen Alter buchstäblich mit der Nase darauf gestoßen worden, dass Fahrschulausbildung und Fahrpraxis allein nicht genügen, um Unfälle zu vermeiden. Nach fast 20 Jahren Führerschein-Besitz hatte ich 1997 bei einer Notbremsung auf leicht feuchter Autobahn die Kontrolle über meinen ersten Honda NSX verloren und das teure Teil nach mehreren Pirouetten zuerst an einen Kleintransporter und anschließend in die Mittelleitplanke gerammt. Gurt und Airbag verhinderten eine schwere Verletzung, nur die Brille hinterließ durch den Aufprall leichte Schürfwunden an der Nase.

Das Auto war ein Totalschaden und zu allem Unglück aus Kostengründen auch nicht Vollkasko-versichert. Außerdem hatte mein Ego deutlich gelitten. Offenbar war ich wohl doch kein so guter Fahrer, wie ich bis dahin dachte. Aber wie heißt es so schön: Aus Schaden wird man klug. So was sollte mir nie wieder passieren. Deshalb ging im Jahr darauf eine der ersten Fahrten mit meinem neuen NSX an den Hockenheimring zu einem Sicherheits- und Lizenztraining des damaligen „Schweizerischen Autorennsport-Club“ (SAR).

Ostkurve Hockenheim
Eine der Trainings-Sektionen mit meinem Honda NSX beim SAR-Kurs 1998: Die Ostkurven-Schikane des alten Hockenheim-GP-Kurses. (Foto: Privatarchiv)

An zwei Trainingstagen gab es dort auf der Rennstrecke und im Fahrerlager ausführliche theoretische und praktische Schulungen und Übungen – vom schnellen Ausweichen („Elchtest“-Simulation) über Bremsen in der Kurve oder aus hohen Geschwindigkeiten bei nasser Fahrbahn, Kurvenfahren im Grenzbereich, „Driften“ bei Nässe, enges Slalomfahren und vieles mehr. So habe ich unter anderem gelernt, dass ein Mittelmotorauto unter bestimmten Bedingungen beim starken Bremsen dazu tendiert, vorne einzutauchen, hinten abzuheben und sich anschließend um die Hochachse zu drehen – exakt die Ursache für meinen Unfall.

Dass ich nach den zwei Tagen tatsächlich das Zeugnis zur Erteilung einer Rennlizenz erhielt, war eher Nebensache. Viel wichtiger waren die gewonnenen neuen Fähigkeiten und – auf der Meta-Ebene – die Erkenntnisse über die Notwendigkeit strikter Disziplin und des Beachtens der eigenen Grenzen beim Fahren eines kräftig motorisierten Autos; nicht nur auf der Rennstrecke. Sorgloses „Brettern“ gab’s anschließend eher nicht mehr; ich kannte ja nun aus der Praxis die möglichen negativen Auswirkungen der unglaublich hohen kinetischen Kräfte selbst bei moderaten Geschwindigkeiten.

Seither bin ich unfallfrei geblieben, auch bei meinen zahlreichen Rennstrecken-Ausflügen gab es keinen nennenswerten Crash (einmal über eine feuchte Wiese in Magny-Cours mit 10 km/h Rest-Speed in einen Reifenstapel rutschen kann ich nicht ernsthaft als „Unfall“ gelten lassen). Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich vor allem wegen dieses Trainings bei einigen „haarigen“ Situationen im öffentlichen Straßenverkehr so korrekt reagieren konnte, dass es stets folgenlos blieb. Und bei zeitweise rund 60.000 Kilometer pro Jahr gab es solche Situationen immer wieder.

Zur Auffrischung habe ich vier Jahre nach dem ersten Kurs noch ein weiteres zweitägiges Sicherheitstraining des „Automobil Club der Schweiz“ (ACS) in Hockenheim gemacht; dann auf der neu gebauten GP-Strecke (das Fahrsicherheitszentrum in der Mitte der Anlage gab’s damals noch nicht). Hier war der Spaßfaktor schon mindestens so groß wie der Lerneffekt; die zwischenzeitlich gewonnene Sicherheit machte sich durch einen deutlich entspannteren Umgang mit den Grenzbereichen der Fahrphysik bemerkbar.

NSX Südkurve Hockenheim
Mein zweites Fahrtraining 2002 – hier ein leichter Drift in der Hockenheimer Doppel-Rechts-Südkurve. (Foto: Privatarchiv)

Nun geht’s mir jetzt wirklich nicht darum, dass jeder Fahranfänger zwei teure Trainings- und Lizenzkurse absolviert – das wäre deutlich zu viel verlangt. Aber statt ein bis zwei Stunden weitgehend folgenloser Herumgurkerei in der Stadt mit einem Fahrlehrer sollten es schon ein bis zwei Tage Sicherheitstraining auf einer der zahlreichen Anlagen in Deutschland sein. Außer den praktischen Übungen müsste zumindest so viel Theorie vermittelt werden, dass Führerscheinneulinge etwa die Bedeutung des „kammschen Kreises“ für das Bremsen in der Kurve, die Auswirkungen von Alkohol auf die eigene Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit oder den dramatischen Einfluss von schnellen Lastwechseln und zusätzlichem Gewicht auf das Fahrverhalten des Wagens kennenlernen (Stichwort: „Disco-Heimfahrten“ mit vollbesetztem Auto).

Das kann zwischen 60 und 120 Euro kosten und sollte eigentlich bezahlbar sein, zumal sich diese Investition schon durch einen einzigen vermiedenen Unfall hundertfach refinanziert. Falls der Staat hier (außer einer entsprechenden Vorschrift in Gesetzesform) noch was Gutes tun will, darf er solche Veranstaltungen auch gerne ein wenig subventionieren. Einige Versicherungen bieten sogar heute schon kleine Prämienrabatte an, wenn nachweisbar ein Sicherheitstraining absolviert wurde.

Eigentlich sollte man das alles einem ausgewiesenen „Verkehrspolitiker“ nicht erklären müssen, er müsste es bereits wissen. Es gibt aber offenbar doch manche aus dieser „Experten“-Riege, die mal eine Nachschulung bräuchten, um falsche Gewohnheiten abzulegen – zum Beispiel Nachplappern von Lobby-Einflüsterungen oder Missachtung von Fachwissen und vorsätzliche Stilllegung des gesunden Menschenverstandes.

2 Gedanken zu „Fahranfänger: Sicherheitstraining statt „Feedback-Fahrten“

  1. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele junge Leute dort einfach nur Spass suchen.

  2. Erstens ist es nicht verboten, bei einem Sicherheitstraining auch Spaß zu haben, zweitens wäre es bei einer verpflichtenden Teilnahme (wo es nicht auf die individuelle Motivation zu einer freiwilligen Teilnahme ankommt) durchaus von Vorteil.

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