„Alt“ ist immer 20 Jahre älter als Du

Vor ein paar Tagen hat mich dieser Tweet der Berliner Journalistin Juliane Wiedemeier aufgeschreckt:

Juliane-Tweet

Nein, nicht wegen „Fühes“ statt „Frühes“ (obwohl ich häufig als „Pedant“ diskreditiert werde). Sondern weil mir mal wieder bewusst wurde, dass ich im Juni tatsächlich 50 werde – 50! Das ist doch steinalt, oder? „Aber sicher!“, sagen einige Marketing-Fuzzis und „Medienredakteure“: „Sie verlassen jetzt unsere Kernzielgruppe 14-49 Jahre, einen schönen Lebensabend noch!“ Obwohl: Da gibt’s auch andere Ansichten. Manche meinen: „Man ist nur so alt, wie man sich fühlt“. Das ist natürlich Quatsch. Man ist so alt, wie man alt ist. Aber man fühlt sich so gut, wie man sich fühlt.

Ich fühle mich zur Zeit – mit knapp 50 – erheblich besser als beispielsweise mit 47 oder mit 44, 35, 16 oder 11 Jahren. Immer mal wieder gab es da private, gesundheitliche oder berufliche Lebenslagen, die schwierig bis höchst problematisch waren und die ich so nie wieder durchmachen wollte.

Darunter waren durchaus Zeiten, in denen das Geld in erheblich größeren Mengen herein kam als jetzt. Dafür flog es aber auch meistens schneller wieder ‚raus – zum Finanzamt, für’s teure Wohnen (inklusive Haushaltshilfe und Gärtner – alles ehrlich und offiziell!), das noch teurere Motorsport-Hobby mitsamt den dazu notwendigen Reisen, in kulinarische Köstlichkeiten und alles, was man sonst noch landläufig als „Lebensstandard“ definiert.

Seit gut zwei Jahren hat sich das drastisch geändert. Trotz weniger Arbeit und Nervenbelastung als früher leide ich aber nicht unter Armut, mache dafür vieles selbst, was ich früher gegen Bezahlung andere erledigen ließ. Ein striktes „Downsizing“ auf vielen Ebenen ermöglicht es mir, mit weniger als einem Drittel des früheren Durchschnittshonorars auszukommen (ich bin seit 1989 durchweg selbständig).

Vermisse ich irgend etwas vom früheren Luxus? Erstaunlicherweise nicht. Im Gegenteil: Ich habe als neuen Luxus einen Zuwachs an Gesundheit und selbstbestimmter Zeit gewonnen. Die nutze ich übrigens nicht für frühe Mittagessen oder lange Gespräche über Wein, aber auch nicht für neue Karrierepläne. Das ist – zumindest bei mir – das Schöne am leicht fortgeschrittenen Alter: Man muss nicht mehr unbedingt reich und berühmt werden, muss sich nicht jeden Tag neu beweisen oder grenzenlosen Ehrgeiz zeigen.

Es gibt auch ohne mich genug Biografien von fleißigen Karrieristen, die 45 Jahre lang alles geben, spätestens ein halbes Jahr nach der Verrentung oder Pensionierung durch einen Herzinfarkt in die Holzkiste gejagt werden und dann zu den reichsten Männern auf dem Friedhof gehören.

Das Leben hat es in letzter Zeit stattdessen ganz anständig mit mir gemeint: Fast alle Jugendträume sind wahr geworden und dazu noch mehr, als ich zu träumen wagte, noch keine „Platte“ auf dem Kopf (wie mein Vater sie schon mit 30 hatte), nur wenige weiße Haare, die meisten Zähne haben bisher überlebt, das Sehvermögen trotz einiger herber Rückschläge ebenfalls weitgehend, der Rücken ist schmerzfrei (was viele in meinem Alter nicht behaupten können) und ich darf mich als „Opa“ von zwei süßen Enkelinnen anlächeln lassen.

Midlife Crisis? Habe ich mutmaßlich hinter mir. Der ganze Unsinn, den viele Männer erst in mittleren Jahren entdecken (Schreiben, hübsche Katzen, Rauchen, Sportwagen, Motorradfahren, Musikmachen, Konsolenspiele, Heimwerkerei etc.) ist schließlich schon seit Jahrzehnten integraler Bestandteil meines Lebens. Ich bin offenbar nie so richtig erwachsen geworden, empfinde das aber auch nicht als Makel.

Ist 50 also „alt“?  Nö, eher 70. Mindestens. Und Juliane Wiedemeier? Die ist noch nicht mal 29.

3 Gedanken zu „„Alt“ ist immer 20 Jahre älter als Du

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