Katz Ueno: Das Ein-Mann-Katastrophen-Social-Media-TV

Yokoso
Screenshot: Yokosonews-Livestream auf „UStream.tv“

Eine Webcam, ein Kopfhörer, ein Mikrofon (ersatzweise auch eine Hör/Sprech-Garnitur), ein paar Computer, ein TV-Empfänger, Internet und Accounts bei UStreamSkype, Twitter, MySpace und Facebook: Mehr braucht es nicht, um auch in Katastrophen-Zeiten Live-Fernsehen mit weltweiter, intensiver „Social Media„-Anbindung zu produzieren. Den Beweis dafür liefert seit Freitag der Japaner Katsuyuki („Katz“) Ueno mit seinen „Yokosonews“ in Yokkaichi, einer Stadt in der Präfektur Mie, die bisher von Naturgewalten und radioaktiver Strahlung verschont wurde.

Kurz nach dem katastrophalen Erdbeben und den nachfolgenden Tsunamis startete Ueno seinen englischsprachigen Live-Stream und unterbrach ihn seither nur für kurze Schlaf- und Erholungsphasen. Er sammelt gemeinsam mit ehrenamtlichen „Zuarbeitern“ (wie Hatsue Fujibayashi) die häufig nur auf japanisch vorliegenden Detail-Informationen zur Katastrophe, fasst sie auf Englisch zusammen, ordnet sie ins Gesamtbild ein und korrigiert sie nötigenfalls. Katsuyuki selbst hat einige Jahre in den USA studiert und gearbeitet und geht davon aus, dass es sowohl in Japan als auch im Rest der Welt zahlreiche Menschen gibt, die nicht Japanisch verstehen, aber trotzdem gerne Zugang zu japanischen Quellen hätten.

Zwar sendet auch NHK, die einzige öffentliche Rundfunkgesellschaft Japans, mit NHK World ein englischsprachiges Programm. Das allein ist aber vielen zu wenig und möglicherweise auch nicht objektiv genug. Die Wahrheit gilt bekanntlich als erstes Opfer eines Krieges, vermutlich ist sie aber auch zumindest eines der ersten Opfer bei einer Katastrophe. Dafür sprechen auch die sehr verwirrenden und teils widersprüchlichen offiziellen Angaben der japanischen Regierung an diesem Wochenende zur Situation der Atomkraftwerke im Nordosten des Landes.

Hier kann Katz Ueno direkt Betroffene zu Wort kommen lassen, die sich etwa über den Internet-Telefondienst Skype live in seine Sendung schalten lassen oder im parallel laufenden Live-Chat melden; es gibt ungefilterte und schnelle Warnungen vor Nachbeben und anderen akuten Bedrohungen und es können vermisste Personen gesucht werden. Naturgemäß dürfen hier nicht die technischen und redaktionellen Maßstäbe angelegt werden, die bei großen Nachrichtensendern Standard sein sollten. Nicht alle „Neuigkeiten“ auf Yokosonews sind wirklich neu, nicht alle „Tatsachen“ auch wirklich nachprüfbare und belastbare Fakten und die Bild- und Tonqualität ist logischerweise meilenweit von HDTV- und HiFi-Stereo entfernt.

Aber darum geht es auch gar nicht. Katz Ueno hat sein Ein-Mann-TV dezidiert für solche und ähnliche Katastrophenfälle geplant – als rudimentäres Informationsangebot, durch den geheim gehaltenen genauen Standort vor behördlichen Eingriffen geschützt (vielleicht auch nicht, siehe unten in den Kommentaren), und mit redundanter Logistik, die auch bei teilweisem Ausfall der Infrastruktur noch weiter funktioniert. Die Basis in der Provinz südlich von Nagoya würde auch bei einem Mega-Erdbeben im Großraum Tokio eine weitgehend ungestörte Produktion ermöglichen; umgekehrt könnte bei einer Katastrophe in der Heimat Uenos ein Mini-Studio in Tokio einspringen.

Da man derzeit leider von mindestens drei laufenden Kernschmelz-Prozessen im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi ausgehen muss und die Ereignisse in den kommenden Tagen und Wochen die bereits jetzt apokalyptischen Ausmaße der Zerstörung durch Erdbeben und Tsunamis übertreffen könnten, wird Uenos Einsatz immer wertvoller. Inzwischen hat Yokosonews auch einige Nachahmer gefunden – zum Glück, denn über 15stündige Dauer-Live-Sendungen wie in den ersten Tagen der Katastrophe kann Katz Ueno nicht jeden Tag stemmen.

P. S.: Aufmerksam geworden bin ich auf „Yokosonews“ durch einen Tweet von Mario Sixtus.

13 Gedanken zu „Katz Ueno: Das Ein-Mann-Katastrophen-Social-Media-TV

  1. Ich verstehe nicht ganz, warum dieses One-Man-Studio an einem geheim gehaltenen Ort „vor behördlichen Eingriffen geschützt“ sein muss. Geheim ist der Ort aber ohnehin nicht, wenn der Betreiber auf Twitpic iPhone-Fotos des Studios postet, in denen die GPS-Koordinaten stecken.

  2. Das war Uenos Aussage während seiner Sendung, der Grund wäre für mich klar: Wenn den Behörden eine Sorte von Informationen nicht passt, könnten sie den Laden sonst schnell dicht machen. ich würde mal nicht darauf wetten, dass die GPS-Koordinaten stimmen. Gilt im Übrigen auch für die Redundanz in Tokio.

  3. @Wolfgang
    In den Exif-Daten findest Du die Koordinaten. Z.B. mit dem Bildbetrachter XNView kannst Du Dir die Daten anschauen.

  4. @Wolfgang:
    In den Exiv Daten natürlich, auslesbar mit jedem besseren Bildbearbeitungsprogramm:
    34° 58,35′ N
    136° 33,82′ O

  5. Danke für die zahlreichen Hinweise. Bei meinem Asbach-uralt-Bildbearbeitungsprogramm gibt’s in den EXIF-Daten nur Detailinformationen über die Aufnahmeparameter und die verwendete Kamera – Koordinaten Fehlanzeige.
    Keine Ahnung, ob Katz den GPS-Aspekt bei der Veröffentlichung des Bildes berücksichtigt hatte – ist ja schon eine Weile her. Ich habe ihn mal auf Twitter darauf angesprochen, aber bisher noch keine Antwort erhalten (kein Wunder, der Mann hat zur Zeit Wichtigeres zu tun).

    P.S.: Danke an Bildblog und Meedia für’s Erwähnen bzw. Verlinken dieses Blogbeitrags. Besonders „geehrt“ fühle ich mich dadurch, dass Meedia meine Formulierungen teils wörtlich übernommen hat 😉

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