E10-Sprit: Der Kunde ist immer der Dumme

Theoretisch könnte mir der Streit um das neuerdings angebotene „Super E10“-Benzin mit bis zu 10prozentiger Beimischung von Bioethanol (E10) egal sein: Mein Auto verträgt nur Diesel und mein Motorrad ist zwar 17 Jahre alt, aber von BMW – jenem Unternehmen, das laut DAT-Liste (pdf-Download) erklärt:

„In allen BMW 2-Rad-Modellen sämtlicher Baujahre ist der unbedenkliche Einsatz von E10 Kraftstoffen möglich – jedoch ist die mindest vorgeschriebene Oktanzahl gemäß Betriebsanleitung weiterhin zu beachten.“

Sinngemäß gilt das übrigens auch für alle Autos von BMW – eigentlich also alles super. Immerhin haben ja die Hersteller versichert, dass sie ausgiebige Tests mit dem Pseudo-Biosprit absolviert hätten und somit sicher sagen könnten, welche Modelle ihn vertragen und welche Motoren Schäden nehmen könnten. Kurioserweise liegt der Anteil der Fahrzeuge in Deutschland, die nicht mit E10 betankt werden sollten, bei dem gleichen Prozentsatz, den das Bioethanol im Benzin hat: Rund 10 Prozent.

E10-Zapfhahn
Leuchtet am hellsten, wird aber von den meisten Autofahrern verschmäht: Der „Super E10“-Zapfhahn. (Foto: W. Messer) 

Ist damit für 90 Prozent der Autos und Motorräder alles in Butter? Offensichtlich nicht, denn es kursieren sehr unterschiedliche Beobachtungen zum Mehrverbrauch durch die Bioethanol-Beimischung (zwischen 1,9 und rund 5 Prozent, vereinzelt berichten Autofahrer auch von deutlich mehr) und es soll gerüchteweise bereits Motorschäden bei Modellen gegeben haben, die laut Hersteller eigentlich problemlos E10 vertragen sollten.

An diesem Wochenende goss ausgerechnet auch noch Thomas Brüner, Leiter der Mechanikentwicklung bei BMW, Öl ins Feuer: Der höhere Ethanolanteil vergrößere die Wassermenge im Motor, dieses Wasser könne über Kondensation ins Öl gelangen und es vorzeitig „altern“ lassen – also die Schmierfähigkeit herabsetzen. Je nach Kraftstoffqualität sei eine Verkürzung der Ölwechselintervalle anzuraten. Der Autofahrer solle öfter mal den Ölmessstab ziehen und kontrollieren, ob der Pegel steige, obwohl kein Öl nachgefüllt worden ist.

Dazu kann ich aus eigener Erfahrung ergänzen, dass sich ein hoher Wasseranteil im Öl auch durch eine Farbänderung bemerkbar macht: Je weißer die Flüssigkeit am Peilstab erscheint, desto mehr Wasser ist drin – im Extremfall ist in der Regel die Zylinderkopfdichtung kaputt, die eigentlich den Kühl- von Schmierkreislauf trennen soll. Mit dem getankten Sprit hat das dann aber nichts zu tun.

Sollte nun tatsächlich ein Schaden bei einem Fahrzeug eintreten, das laut Hersteller E10 vertragen soll, wird’s richtig kompliziert. Als betroffener Autofahrer können Sie nämlich nicht die Tankstelle in Haftung nehmen; die Betreiber haben sich von Vornherein elegant aus der Affäre gezogen – ausgerechnet durch fehlende Kundeninformationen. So erklärt ein Tankstellenbesitzer in einem Beitrag der „Allgemeine Zeitung“ in Mainz:

„Über die Verträglichkeit zu informieren, ist schwierig. Sollten wir etwas empfehlen und am Auto entsteht Schaden, müssen wir haften – und das funktioniert so nicht.“

Damit sind auch die Mineralölkonzerne aus dem Schneider, die schließlich auch nicht dafür haften, wenn etwa ein Diesel-Fahrer aus Versehen Benzin zapft und den Motor ruiniert.

Blieben also noch die Autohersteller oder die Versicherer. Mit denen werden sie aber im Schadensfall massive Probleme haben, denn die verlangen von Ihnen den Beweis, dass der sogenannte „Bio-Sprit“ Schuld ist am Motorschaden und nicht irgendeine der zahlreichen anderen möglichen Ursachen, die Sie als Fahrer meist selbst zu vertreten haben.

Die Beweislast liegt also bei Ihnen und damit auch das Kostenrisiko für teure Spezialgutachten und juristische Auseinandersetzungen. Dieser Beweis wird noch dadurch erschwert, dass schon bisher rund fünf Prozent Ethanol im Benzin sind (E5) und der nun neu entstandene Schaden zweifelsfrei dem auf zehn Prozent erhöhten Anteil zuzurechnen sein muss.

Vermutlich verweist die Industrie dann auch darauf, dass in anderen Ländern solche und andere Sorten (mit noch höherem Ethanol-Anteil) schon längere Zeit auf dem Markt sind – ohne schwerwiegende Probleme. Die Versicherungen erklären wiederum, dass ein Motorschaden durch falsches Betanken weder ein Kasko- noch ein Schutzbrief-Schadensfall sei, da es sich nicht um einen Unfall oder eine Panne handle.

Und wer nimmt schon fünfstellige Kosten in Kauf, wenn es um einen Motorschaden bei einem Auto mit höchstens vierstelligem Zeitwert geht? Da heißt es wohl eher: Zähneknirschend den Schaden auf die eigene Kappe nehmen oder gleich ein neues Auto kaufen. Das wiederum freut dann die Autoindustrie, die so per „Abwrackprämie durch die Hintertür“ von ihren Kunden subventioniert würde.

Apropos Kosten/Nutzen-Verhältnis: Ob „Super E10“ tatsächlich einen positiven Beitrag für die Umwelt leisten kann, ist äußerst zweifelhaft. Falls es tatsächlich so wäre, würde man als umweltbewusster Autofahrer (ist das eigentlich schon ein Widerspruch in sich?) wohl gerne etwas mehr bezahlen – für den Mehrverbrauch beim Sprit oder gegebenenfalls für häufigere Ölwechsel. Solange aber die höhere Bioethanol-Beimischung im Verdacht steht, nur ein ökologisches Feigenblatt zu sein, und noch dazu eventuelle Schäden selbst bezahlt werden müssen, solange werden die meisten Autofahrer notgedrungen das ungleich teurere „Super plus“ zapfen.

Durch den „Benzingipfel“ an diesem Dienstag in Berlin wird sich an diesem Debakel nichts ändern. Hier wird die Politik nur versuchen, die Schuld am E10-Debakel auf die Industrie abzuschieben, die sich wiederum heftig dagegen wehren wird – ein Katz-und-Maus-Spiel, das jeder Tankstellenkunde aus eigener Tasche finanziert.

Ein Gedanke zu „E10-Sprit: Der Kunde ist immer der Dumme

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