„cold call“-Bußgelder: Lange Leitung (Update 1.3.)

Vor über einem Jahr habe ich der Bundesnetzagentur einen unerwünschten Werbeanruf (cold call) gemeldet – im Januar 2010 wollte mir eine Frau Vorreiter im Auftrag des Weingutes „Graf von Rüdesheim“ am Telefon Produkte dieses Hauses verkaufen. Jetzt erst kam von der Agentur-Außenstelle Nürnberg per E-Mail die Vollzugsmeldung:

„…in vorbezeichneter Angelegenheit komme ich auf Ihre Beschwerde zurück. Sie haben sich an die Bundesnetzagentur gewandt und angezeigt, dass Sie mit Telefonwerbung belästigt wurden. Telefonwerbung ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des angerufenen Verbrauchers ist verboten (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG) und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Ihre Hinweise waren für die Bundesnetzagentur sehr hilfreich. Bei der Verfolgung von Rufnummernmissbrauch und unerlaubter Telefonwerbung ist die Bundesnetzagentur auf die Hilfe von Verbrauchern angewiesen. Aus diesem Grund bedanke ich mich für die von Ihnen eingereichtem Informationen. Zwischenzeitlich wurden mehrere Bußgeldverfahren eingeleitet und durch den Erlass von Bußgeldbescheiden abgeschlossen.“

Details dazu sind weder in der E-Mail noch auf der Website der Bundesnetzagentur zu finden: Wie viele Bußgeldverfahren waren es? In welcher Höhe wurden diese Bußgelder verhängt? Welche weiteren Konsequenzen wurden gezogen (Rufnummernabschaltung, Verbot der Rechnungslegung etc.)? Entsprechende Nachfragen von mir an die Sachbearbeiter in Nürnberg und an das ominöse Weingut (das übrigens im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach sitzt und nicht in Rüdesheim) blieben bisher unbeantwortet.

Theoretisch können pro Anruf bis zu 50.000 Euro fällig sein. In der Praxis summieren sich die Bußgelder pro Verfahren auf durchschnittlich 63.000 Euro, wenn man von der im Juli 2010 erstellten vorläufigen Bilanz der Bundesnetzagentur ausgeht: Danach gab es ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes bis damals elf Verfahren mit einer Gesamt-Bußgeldsumme von 694.000 Euro.

Elf Verfahren – das ist nur ein verschwindend geringer Bruchteil der eigentlich zu ahndenden Fälle. Jedes Jahr gibt es nach Schätzungen von Verbraucherschützern etwa 300 Millionen cold calls in Deutschland. Fast jeder Telefonbesitzer wurde davon schon einmal bis mehrmals genervt, lässt dieses kriminelle Treiben aber meist auf sich beruhen. Besser wäre es, sich jedes Mal zu wehren. Wie’s geht, wird zum Beispiel bei „service-bw“ sehr anschaulich erläutert.

Vielleicht gilt ja hier die alte Weisheit „steter Tropfen höhlt den Stein“, auch wenn die Tropfen bisher sehr selten fallen und der Stein der organisierten Telefonkriminalität noch keine nennenswerte Erosion aufweist. Möglicherweise hilft die Signalwirkung von einzelnen großen Bußgeldverfahren, den einen oder anderen Gauner abzuschrecken. Solche Verfahren gibt’s allerdings nur bei aktiver Mithilfe der Betroffenen.

Kurioserweise fallen unter die Rubrik „unerwünschte Werbeanrufe“ eigentlich auch Telefonate von Marktforschungsunternehmen, die etwa im Auftrag von Radiosendern Hörerzahlen ermitteln wollen (zum Beispiel zwei Mal jährlich als „Media-Analyse“ der AG.MA) oder ähnliche Ziele kommerzieller Natur verfolgen. Schließlich dienen diese Werte vorrangig dem Marketing und dem Werbezeitenverkauf der Sender. Erlaubt sind dagegen nach geltender Rechtsprechung Umfragen zu politischen und sozialen Angelegenheiten („Politbarometer“, „Sonntagsfrage“ etc.).

Update 1.3.: Heute bekam ich eine weitere Mail der Bundesnetzagentur zum Fall „Weingut Graf von Rüdesheim“, die nahelegt, dass die Sache noch nicht abgeschlossen ist:

In Bezug auf Ihre Anfrage vom 16.02.2011 zu EB.-262376 kann ich Ihnen mitteilen, dass die Bundesnetzagentur grundsätzlich sich nicht zu Laufenden Verfahren äußern kann und darf.

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