R+V: Allgemeine Verunsicherung (Update 21.12.)

So etwa um diese Zeit des Jahres flattern sie wieder in Ihren Briefkasten: Die Mitteilungen der Versicherungen, dass leider, leider der Beitrag 2011 wieder um einen klitzekleinen Prozentsatz erhöht werden muss. Schlaue Unternehmen versuchen aber alles, um diese Erhöhungen ein wenig zu verschleiern und die Kunden bei der Stange zu halten.

Die dazu verwendeten Mittel werden von Jahr zu Jahr ausgefeilter, auch bei meinem langjährigen, multiplen Versicherungsgeber R+V. Die beiden Buchstaben stehen übrigens nicht für „Riesen-Verarsche“, sondern leiten sich aus dem ehemaligen Namen „Raiffeisen- und Volksbanken Lebensversicherung a.G“ ab (deshalb ist dieser Blogbeitrag auch unter der Kategorie „Banken“ eingeordnet). Glaubt man aber kaum, wenn man Ähnliches erlebt hat wie ich gestern.

Zu meinen beiden Kfz-Versicherungen (Claim: „Serienmäßig mit persönlichem Ansprechpartner“) bekam ich am Dienstag die Beitragsrechnungen für 2011 (datiert „Stuttgart, im Oktober 2010“, der Brief muss also schon mehrere Wochen unterwegs gewesen sein – vermutlich wegen der scharfen Grenz- und Postkontrollen zwischen Schwaben und Baden), in denen die künftigen Einzelbeiträge für Haftpflicht und Vollkasko hübsch getrennt aufgeführt sind, ergänzt durch den Hinweis:

„Unsere Tarife wurden aktualisiert und der allgemeinen Schadensentwicklung angepasst“

Aha – das heißt doch im Versicherungsdeutsch:

„Ätsch, nächstes Jahr wird’s mal wieder teurer für Sie!“

Und tatsächlich: Auf der Rückseite steht zum Vergleich der Jahresbruttobetrag 2010, und der war bei einem der Verträge rund 35 Euro niedriger:

Versicherungklein
Ausriss aus dem R+V-Brief, zur vergrößerten Darstellung draufklicken

Merken Sie was? Genau: Hier steht nur der Gesamtbetrag; es ist nicht erkennbar, welche Versicherung wie viel kostet und ob die Beitragssteigerung nun eher der Kasko oder der Haftpflicht zugeordnet werden kann. In früheren Zeiten wurde das in R+V-Schreiben noch getrennt aufgeführt. Noch schlauer ist der Satz darunter:

„Sie können diesen Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats zum Vertragsablauf ganz oder teilweise kündigen“

Das hieße also, da ich das Schreiben am 16. November erhalten habe und der Vertrag zum Jahresende ausläuft, dass mir nur noch 14 Tage Zeit zum Kündigen blieben. Stimmt aber nicht: Bei Beitragserhöhungen tritt nämlich ein Sonderkündigungsrecht in Kraft. Und das besagt, dass ich nach dem Eingang innerhalb einer ganzen Monatsfrist kündigen kann – also bis zum 16. Dezember. Davon steht jedoch im R+V-Schreiben nichts.

Was macht also der verwirrte Kunde? Er ruft die R+V-Hotline an (gebührenpflichtig, 6 Cent pro Minute). Das tat ich gestern und hing erstmal einige Minuten in der Warteschleife. Dann meldete sich eine Dame, die offenkundig von meinen Fragen völlig überfordert war, nur wenig Kenntnis vom standardisierten Inhalt dieser Schreiben hatte und zur Beantwortung zweimal bei kompetenterer Stelle rückfragen musste.

Inzwischen war rund eine Viertelstunde vergangen und ich nicht viel schlauer als vorher (okay, kostete nur 90 Cent, aber es soll ja sogar Leute geben, die fahren 10 Kilometer Umweg, nur weil an einer anderen Tankstelle das Benzin 2 Cent pro Liter billiger ist). Immerhin bekam ich zum Abschluss des von mir abrupt beendeten Gesprächs den korrekten Rat, dass ich ja innerhalb der nächsten vier Wochen kündigen könne, wenn mir die Versicherung zu teuer sei. Das hatte die Dame natürlich nicht selbst gewusst, sondern zuvor irgendwo im Haus langwierig erfragen müssen.

„So gehen die doch nicht mit Kunden um, die schon fast drei Jahrzehnte lang immer schön brav Beiträge für alle möglichen R+V-Versicherungen bezahlt haben“, dachte ich mir, „das muss doch ein Ausreißer gewesen sein“. Also rief ich zur Sicherheit die Versicherungsexpertin der heimischen Volksbank an (richtig, das ist die Bank, die Versicherungen für die R+V vermittelt). Hier bekam ich deutlich detailliertere Auskünfte zu den Beitragssteigerungen und ein Tarifangebot, das die Erhöhungen etwas abmildert.

Abenteuerlich war jedoch die Antwort der Dame auf meine Frage nach der Sonderkündigung: Wenn ich kündigen wolle, dann sollte ich das sicherheitshalber doch bis zum 30. November tun, denn das Schreiben sei ja schon im Oktober verfasst worden und die Monatsfrist damit Anfang Dezember bereits verstrichen. Das ist nun wirklich grottenfalsch, denn für die Frist zählt einzig und allein das Datum des Erhalts.

Und wenn Sie jetzt denken, dass solche Schreiben und Telefonate die absolute Ausnahme sind, dann schauen Sie mal in Ihre Post in den nächsten Tagen und fragen zum Spaß mal selbst nach. Muss ja nicht die R+V sein, klappt sicher auch mit einer anderen Versicherung.

Update 21.12.: Heute, über einen Monat nach meiner Anfrage dort, hat mir die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eine Mail geschickt:

Vielen Dank für Ihre E-Mail vom 18.11.2010.

Nach Ihren Informationen verschickt die R+V Versicherung Beitragserhöhungsschreiben ohne Hinweis auf das sich daraus ergebende Sonderkündigungsrecht. Dieses Sonderkündigungsrecht besteht für den Versicherungsnehmer, wenn trotz Prämienerhöhung der Umfang des Versicherungsschutzes der Gleiche bleibt. In diesem Fall kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung durch den Versicherer kündigen. Dies ist im § 40 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt. Unterlässt der Versicherer diese Informationen, so bleibt der Vertrag mit den bisherigen Konditionen weiter bestehen. Falls also Ihre KFZ-Versicherungsgesellschaft R+V die Information zum Sonderkündigungsrecht unterlassen hat, bleibt Ihr Vertrag wie bisher unverändert bestehen.

Wir würden gerne prüfen, ob die R+V Versicherung durch uns abgemahnt werden kann. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. kann bei Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen oder bei Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb mit einer Abmahnung gegen das betroffene Unternehmen vorgehen. Eine Abmahnung bedeutet, dass das Unternehmen aufgefordert wird, sich zu verpflichten, in Zukunft das beanstandete Verhalten bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen. Führt die Verbraucherzentrale erfolgreich ein Abmahnverfahren wegen der Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch, hat dies zur Folge, dass die als unzulässig eingestuften Klauseln nicht mehr in den Verträgen verwendet werden dürfen und das Unternehmen sich nicht mehr gegenüber den Verbrauchern darauf berufen darf.

Um unserem Auftrag der Interessenvertretung der Verbraucher nachzukommen, möchten wir Sie bitten, uns in Kopie folgende Unterlagen zukommen zu lassen:

– Versicherungsschein
– Versicherungsbedingungen
– Mitteilung über Beitragserhöhung

Inzwischen habe ich mich allerdings auf dem Verhandlungsweg mit der R+V über neu gestaltete Verträge mit teils reduzierten Prämien geeinigt, da lassen wir das mit der Abmahnung mal lieber.

2 Gedanken zu „R+V: Allgemeine Verunsicherung (Update 21.12.)

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